Bauwelt

Ab nach Angermünde

Doris Kleilein findet es gut, dass vom Hype um den länd­lichen Raum vor allem die Kleinstädte profitieren

Text: Kleilein, Doris, Berlin

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Ab nach Angermünde

Doris Kleilein findet es gut, dass vom Hype um den länd­lichen Raum vor allem die Kleinstädte profitieren

Text: Kleilein, Doris, Berlin

In meiner Jugend wollten alle weg aus der Provinz. Vom Dorf zu kommen galt als Stigma, aber noch schlimmer war die Kleinstadt. Die meisten Menschen zwischen 13 und 30 sehen das vermutlich auch heute noch so. Doch die Architektenschaft hat ein neues Lieblingsthema: das Land. Oder besser: der ländliche Raum. Je dichter die Städte, desto dicker werden die Publikationen zum ländlichen Raum. Je mehr die AfD wählen, desto aufmerksamer widmen sich auch etablierte Parteien den Gegenden, in denen sie die Abgehängten vermuten. Früher interes­sierte sich nur die CSU für Agrarthemen, heute sind alle Landexperten: Juli Zeh („Unterleuten“), Stephan Trüby („Rechte Räume“), die IBA Thüringen („Stadtland“), die Bundesstiftung Baukultur („Stadt und Land“), um nur einige zu nennen.
Unisono grenzt man sich natürlich von der romantischen Verklärung des Landlebens ab – und veröffentlicht, betrachtet oder bewohnt doch am liebsten High-End-Scheunenumbauten und minimalistische Landhäuser.
Bis auf Weiteres sind es aber nicht die halbverlassenen Dörfer, die vom neuen Rurbanismus profitieren – sondern ausgerechnet die Kleinstädte. Allein um Berlin herum wirbt ein gutes Dutzend mit bezahlbaren Mieten, restaurierten Altstadtkernen und einer Stunde Fahrtzeit zum Berliner Hauptbahnhof. Städte wie Lübbenau, Frankfurt (Oder), Brandenburg an der Havel oder Eberswalde, bis vor wenigen Jahren „jwd“, registrieren bereits die Nachfrage aus der Hauptstadt, wie das Berliner Mietermagazin berichtet. Großstädter werden zu Kleinstädtern – aus Not, aber auch aus Überzeugung. Die Gemütlichkeit der Ministadt ist angesagt. Der Strom der Pendler wächst. Kann das gutgehen? Warum nicht. Vielleicht hätten ja alle etwas davon, wenn Umzugswillige nicht ins EFH am Stadtrand zögen, sondern gleich in den Zug nach Angermünde stiegen. Brandenburg hat bereits eine „Mobilitätsstrategie 2030“ entwickelt: Die Zugtaktungen in die Hauptstadt sollen erhöht, alte Strecken wieder in Betrieb genommen werden. Auch wenn 2030 reichlich spät erscheint, auch wenn ich die Pendlerexistenz bis vor kurzem für ein aussterbendes Lebensmodell gehalten habe: Vielleicht ist die Kleinstadt doch besser als ihr Ruf.

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