Bauwelt

Abends um acht in der HafenCity

Benedikt Crone trifft weder beim Spielen den Korb, noch beim Singen den Ton

Text: Crone, Benedikt, Berlin

Abends um acht in der HafenCity

Benedikt Crone trifft weder beim Spielen den Korb, noch beim Singen den Ton

Text: Crone, Benedikt, Berlin

Das hat der Pfarrer nicht erwartet. Die Jungs aus dem Problemviertel, die er mit einem Basketballmatch gegen die Knaben vom Kirchenchor zu Disziplin und Gehorsam erziehen wollte, halten sich an keine Regeln. Im Gegenteil. Sie spielen gerissen, aggressiv, ruppig – und sind gerade deswegen erfolgreich. Dieses im Hollywoodfilm „Angels with Dirty Faces“ von 1938 gefeierte Spiel der Straße, das Basketball zu der urbanen Sportart schlechthin kürte, wird in Deutschland nun ausgerechnet von einem Neubauquartier auf die Probe gestellt, das sich als urban verkaufen will. In der Hamburger HafenCity, auf dem dunkelgelben Basketballfeld des 2007 eingeweihten Vasco-da-Gama-Platzes, steigt jeden Abend Punkt 20 Uhr ein Mann auf eine Klappleiter, streckt sich zum Korb und schiebt dem Spielspaß einen Riegel vor, genaugenommen ein Stahlkreuz. Dann rasselt kein Ball mehr durchs Netz, hüpft kein Gummi mehr über den Belag. Dann ist Ruhe.
Schon früh beschwerten sich Anwohner über Lärm, wie die HafenCity-Zeitung dokumentiert. Es sei bis in die Nacht gespielt worden, auch sonntags. Teilweise habe man eine „zweistellige Anzahl von Ballwürfen und Aufsetzern pro Minute“ gezählt. Und die „Careebauweise“ der Häuser hätte den Krach noch verstärkt. „Wurde auch Zeit, dass in dem Ghetto mal jemand aufräumt!“, kommentierte auf Facebook ein Nutzer hämisch. Diesmal kann aber kaum die Leitung der HafenCity dafür verhöhnt werden, dass ihr Urbanitätskonzept über einen Korb ins Stolpern gerät. Jürgen Bruns-Berentelg, Vorsitzender der HafenCity GmbH, konterte auf die Lärmbeschwerden: Es wäre doch langweilig, ganz ohne Reibung. Postwendend wurde ihm „Arroganz“ vorgeworfen. Diese Arroganz aber, sowenig sie sich offenbar durchsetzte, würde man sich von mehr Entwicklern und Bauherren wünschen, die sklavisch die paradoxen Wohnträume ihrer Kunden – belebt, aber ruhig, Bars, aber nicht im Erdgeschoss, Spielplätze, aber ohne Kinder – zu erfüllen versuchen. Die Vorstellung, all die Quartiere, die gerade in die Städte gepresst werden, entstünden nur für die Knaben aus dem Kirchenchor, klingt beunruhigend eintönig. Vorschlag: Vielleicht geht auch 22.30 Uhr.

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