Andermatt reloaded
Als Samih Sawiris vor zwölf Jahren das erste Mal im Schweizer Gotthardgebirge war und in Andermatt seine Idee vorstellte, wie aus der ehemaligen Garnisonsstadt ein Touristenmagnet werden sollte, da vertraute kaum einer dem superreichen ägyptischen Investor. Damals versprach der Baumogul 1,8 Mrd. Schweizer Franken für Hotels und Infrastruktur, von denen er 600 Mio. selbst aufbringen wollte. Und er begann zu bauen. Das „5-Sterne plus“-Luxushotel „The Chedi Andermatt“ am Rand des alten Ortskerns war 2013 fertig, doch die Unsicherheit blieb. Baut der Ägypter weiter?
Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin
Andermatt reloaded
Als Samih Sawiris vor zwölf Jahren das erste Mal im Schweizer Gotthardgebirge war und in Andermatt seine Idee vorstellte, wie aus der ehemaligen Garnisonsstadt ein Touristenmagnet werden sollte, da vertraute kaum einer dem superreichen ägyptischen Investor. Damals versprach der Baumogul 1,8 Mrd. Schweizer Franken für Hotels und Infrastruktur, von denen er 600 Mio. selbst aufbringen wollte. Und er begann zu bauen. Das „5-Sterne plus“-Luxushotel „The Chedi Andermatt“ am Rand des alten Ortskerns war 2013 fertig, doch die Unsicherheit blieb. Baut der Ägypter weiter?
Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin
Ja, das tut er. Das Vertrauen in den Investor, der seit der arabischen Revolution mit seiner Familie in London lebt, ist berechtigt. Und Samih Sawiris weiß ja auch, was er tut. Bereits acht Mal hat er ganze Retortenstädte zu touristischen Destinationen gemacht. Am erfolgreichsten in der ägyptischen Urlaubsstadt El Gouna. Dort, am Westufer des roten Meeres, begann er vor mehr als 30 Jahren an einem Strand, auf Inseln und Lagunen, wo es sonst nichts als Wasser, Sand und Sonne gab. Für den entspannungssuchenden internationalen Jetsetter gibt es nun 17 Hotels und jede Menge Luxusvillen. Aber es gibt auch kleine Wohnungen für die Menschen, die für die Touristen arbeiten. Und diese Dienstleistungs-Community hat ihrerseits eine Ökonomie geschaffen, für die eine Infrastruktur entstanden ist. Nun gibt es Schuster, Friseure, Lehrer, Autoschlossereien und Zulieferbetriebe für Restaurants. 24.000 Menschen wohnen ständig in El Gouna, arbeiten und leben dort. Eine fast normale, fast gemischte Stadt, deren wichtigster Wirtschaftszweig der Tourismus ist.
Genau das wünschten sich die Andermatter für ihren Gebirgsort auch. Denn das Dorf schien dem Tod geweiht, nachdem die Soldaten, die seit den 1920er Jahren hier Jahr für Jahr gelernt hatten, die neutrale Schweiz zu verteidigen, 1999 abzogen waren. Die Gotthardfestung war Geschichte. Bis dahin war Andermatt Teil des „Schweizer Réduit“, der legendären in den Berg getriebenen Verteidigungsanlagen. Rund um Andermatt gibt es einige davon. Eine beherbergt heute ein Museum, das „Sasso San Gottardo“ (Bauwelt 46.2012), in einer anderen ist ein Hotel entstanden.
Die Soldaten waren über Jahrzehnte eine sichere Einnahmequelle, und so hat Andermatt den Anschluss an jede touristische Entwicklung verschlafen. Die wenigen Liftanlagen muteten historisch an, die Hotels strahlten den Charme Harzer Herbergen unmittelbar nach der Wende aus. Eine Tourismus-Perspektive lag in unerreichbarer Zukunft, eher fährt ein Kamel Snowboard. Und so schien den Andermattern Samih Sawiris 2005 wie ein Messias und Wahnsinniger zugleich, als er seine Ideen in zahl- und endlosen Bürgerversammlungen vorstellte. Ein Luxushotel, Apartments, ein Golfplatz, ein Kongresszentrum und fünf weitere Hotels sollten entstehen, dazu eine Ski Arena, die in den Alpen ihresgleichen sucht. Das ganze für 1,8 Mrd. Schweizer Franken, auf 1,4 Mio. Quadratmeter Fläche. Sawiris blieb unbeirrt, überzeugte schließlich 96 Prozent der Einheimischen und baute. Er baute durch die Baukrise, durch die Finanzkrise, und er baut inzwischen mit breiter Rückendeckung immer noch: Das Luxushotel „The Chedi“ und der 18-Loch-Golfplatz mit öffentlichem Klubhaus sind fertig, vier Apartmenthäuser sind bezogen. In der Schweiz ist Sawiris nun ein Star. Der sympathische Milliardär, der in den achtziger Jahren an der TU Berlin Bauingenieurwesen studierte und perfekt Deutsch spricht, ist längst Hoffnungsträger für den Alpentourismus in der Gotthardregion geworden.
Das Projekt ist heute nicht mehr zu stoppen, Andermatt hat eine Zukunft. Am 23. November letzten Jahres wurde Richtfest für das zweite Hotel, ein Boardinghouse und zwei weitere Apartmenthäuser gefeiert. Im Hotel entstehen 180 Zimmer, im Boardinghouse 90 Standard-Einheiten in unterschiedlichen Größen. Im Untergeschoss des Boardinghouse wird ein öffentliches Hallenbad mit Fitness- und Wellness-Center eingerichtet. Das Gebäude wird durch einen verglasten Gang mit dem Hotel verbunden. Entworfen haben das Ganze Burkhalter Sumi Architekten, umgesetzt wurde es von Germann & Achermann. Nach Fertigstellung bilden das Hotel und die sieben Apartmenthäuser ein Ensemble mit eigenem Dorfplatz, Shops und Restaurants. Der neue Ortsteil wird durch den Bahnhof, der ebenfalls neu gebaut wird, mit dem alten Ortskern verbunden. Anders als dort werden in dem neuen Ortsteil allerdings keine Autos fahren. Die werden in einen bereits fertiggestellten unterirdischen Infrastruktursockel geleitet, auf dem das neue Andermatt entsteht.
Der wirtschaftliche Lackmustest steht indes noch bevor. Das Luxushotel „The Chedi“ beherbergt nur rund zwei Prozent der zukünftig jährlich erwarteten Touristen. Die Erträge der Sommersaison sind in dieser Region trotz großer Anstrengungen noch nicht viel mehr als der Tropfen auf den heißen Stein. Deshalb kommt es in den nächsten Jahren umso mehr auf den Winter an. Derzeit wird die schneesichere Skiregion Andermatt mit der Skiregion Sedrun zum größten Skigebiet in der Zentralschweiz verbunden. Damit und mit dem Konzept einer ganzjährig nutzbaren Urlaubsdestination will sich Andermatt auf dem Niveau von St. Moritz und Zermatt bewegen. An der Skigebietsverbindung wird gebaut, zum Jahreswechsel 2017/18 ist die Eröffnung vorgesehen. Der neue Teil von Andermatt ist dann noch längst nicht fertig, da sich neben dem Unternehmer Samih Sawiris nun andere beteiligen sollen. Bereits heute dabei sind die belgische Besix-Gruppe und das Schweizer Immobilien- und Bauunternehmen Schmid.
PS. Für die Tankstelle aus „Goldfinger“ am südlichen Ortseingang kam der Aufschwung zu spät. James Bond ließ hier vor 50 Jahren Tilly Masterson zurück, jahrelang staunten Bond-Fans, dass die Zapfsäulen und das Tankstellendach vollkommen unverändert den Eindruck vermittelten, Sean Connery würde gleich wieder vorbeikommen und sein „Bondgirl“ einsammeln. Dies wird niemals mehr geschehen. Die Zapfsäulen sind einem armseligen Blumenbeet gewichen, das prägnante Dach ist verschwunden. Als Sawiris davon erfuhr, ließ er in der ganzen Schweiz nach den Original-Requisiten suchen – ohne Erfolg.
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