Bitte mehr Nachbarschaft
Karin Hartmann wünscht sich Dezentralisierung und Nachverdichtung statt Massenwohnungsbau
Text: Hartmann, Karin, Paderborn
Bitte mehr Nachbarschaft
Karin Hartmann wünscht sich Dezentralisierung und Nachverdichtung statt Massenwohnungsbau
Text: Hartmann, Karin, Paderborn
Endlich gibt es mit „Refugees Welcome“aus dem Jovis-Verlag eine fachliche Publikation zur Unterbringung von Flüchtlingen. Jörg Friedrich hat ein Sammelwerk von Szenarien einer menschenwürdigen Unterbringung herausgebracht, das an der Universität Hannover entstanden ist – versehen mit einem Informationsteil und Bildern vom trostlosen Status quo bestehender Einrichtungen. Ein ernst zu nehmender Beitrag, dem hoffentlich weitere folgen werden. Landauf, landab werden diese Vorschläge vorgestellt und diskutiert. Darüber hinaus ist es um das Thema „Flüchtlingsarchitektur“ in der Branche merkwürdig still. Dürfen wir angesichts der Notlage noch über „richtiges“ oder „schönes“ Wohnen nachdenken? Ja, das dürfen wir.
Bundesbauministerin Barbara Hendricks reagiert auf den wachsenden Bedarf, indem sie die Verdoppelung der Zuschüsse für den Sozialen Wohnungsbau ankündigt – auf eine Milliarde Euro. Solide Neubauten sollen entstehen, ohne Standards abzusenken. Abgesehen davon, dass solche Maßnahmen in wachsenden Regionen notwendig sind: Sollte soziale Integration nicht besser in nächster Nachbarschaft stattfinden, in Gebäuden, die es schon gibt? Hierfür müssen leere Immobilien erfasst, in Stand gesetzt, Brachen erworben, Lücken bebaut werden. Vor allem aber muss der Leerstand in privater Hand aktiviert und das spekulierende „Liegenlassen“ von Wohnraum sanktioniert werden. Das hieße aber, dezentrale Lösungen zu suchen und entsprechende Rechtsgrundlagen zu schaffen, die auch das Eigentumsrecht tangieren würden. Dies ist aber in Deutschland schwieriger als ein Sozialwohnungsbauprogramm, von dem schließlich alle am Bau Beteiligten profitieren. Ein Plan zur Nachverdichtung und Bestandsnutzung wäre gerade in diesen Zeiten integrationsfördernd und würde die ohnehin nötigen Investitionen in die Weiterentwicklung einer zukunftsfähigen, ressourcensparenden Stadt lenken. Stattdessen gehen wir gegen den Klimawandel weiterhin mit immer besseren Wärmedurchgangskoeffizienten an und verlieren die (bereits verbaute) Graue Energie mehr und mehr aus dem Blick. Und was wir auch nicht brauchen: nagelneue Sozialwohnungen in schrumpfenden Landschaften.
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