Bauwelt

Dekor mit Hintergrund

Freddy Mamani, 44, ist Architekt im bolivianischen El Alto bei La Paz. Der erfolgreiche Autodidakt liefert, davon ist er überzeugt, die passende Architektur für sein Land. Dabei stürzen sich die begeisterten Bauherren in ein finanzielles Abenteuer

Text: Rost, Andreas, Berlin

Dekor mit Hintergrund

Freddy Mamani, 44, ist Architekt im bolivianischen El Alto bei La Paz. Der erfolgreiche Autodidakt liefert, davon ist er überzeugt, die passende Architektur für sein Land. Dabei stürzen sich die begeisterten Bauherren in ein finanzielles Abenteuer

Text: Rost, Andreas, Berlin

Herr Mamani, vor drei Jahren bin ich das erste Mal in El Alto gewesen. Damals sah es hier oben relativ trist ist: flache Häuser, unverputzte Ziegel. Das hat sich geändert. Inzwischen stehen hier auch farbenfrohe Gebäude mit Ornamenten. Was ist passiert?
Seit Evo Morales Staatspräsident ist, hat sich das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in Bolivien stark verändert. Seine Reformen haben praktisch jeden Winkel des Landes erreicht. Auch El Alto hat sich gewandelt. Ich entdecke jetzt voller Stolz, was eine „neue Architektur“ ist, eine Architektur der eigenen Identität Boliviens, des Volkes.
Sie bezeichnen sie als „andine“ Architektur.
Ja. Ich sehe zwei Hauptquellen dieser neuen Architektur. Einmal die Gestaltelemente von Tiahuanaco, unserer großen Ruinenstätte aus der Prä-Inka-Zeit. Ich kombiniere in meinen Bauten geometrische Originalformen unserer Geschichte – das Andenkreuz, das wir Aimara Chakana nennen, die Figur des Monolithen, das Sonnentor und geometrische Muster von Keramiken. Die zweite Quelle sind die Textilien unserer Vorfahren, Schärpen und Ponchos. Aber auch Schuhe und Gürtel der Frauen, das alles ist wichtig, um die Fassaden und Innenräume der andinen Architektur zu verstehen.
Lernt man dies heute an den Architekturschulen des Landes?
Nein, davon hört man nur sehr wenig. Hauptsächlich lehren sie an diesen Schulen die Architektur des Auslandes. Man bekommt beigebracht, dass die vorgegebenen Formensprachen dieser Architekten nicht zu brechen seien. Man hat sich in meinem Land noch nie auf die eigene Identität konzentriert. Dabei wäre es doch viel wichtiger, erst einmal das Eigene zu kennen um sich dann mit dem Ausländischen auseinanderzusetzen.
Tiahuanaco liegt uns nahe und trotzdem wissen wir nicht, welche große Tradition sich dahinter verbirgt.
Da höre ich eine gewisse Ablehnung der Universität heraus. Kann man sagen, dass Ihre Lehrmeister eher aus dem Volk kamen?
In gewisser Weise ja. Ich habe eigentlich nichts gegen andere architektonische Tendenzen. Aber jedes Land hat einen Ursprung und muss seine Identität in der Architektur finden. Ich habe diese neue Architektursprache geschaffen, die von sehr vielen Bewohnern meiner Stadt angenommen wird. Ich bin davon überzeugt, dass ich damit ein Bedürfnis befriedigt habe.
Ich habe Sie als volksnahen Architekten erlebt. Sie liefern selbst Baumaterial an. Sie sprechen viel mit den Arbeitern auf den Baustellen. Wie kann man sich den Arbeitsalltag bei Ihnen vorstellen?
Ich bin nicht wie andere Architekten im Büro und warte darauf, dass die Arbeit zu mir kommt. Ich gehe zu ihr. Es gibt sehr viele, die für mich arbeiten. Man sollte immer den direkten Austausch mit den Mitmenschen suchen. Dafür nehme ich mir viel Zeit.
Die Ornamente, die Sie für Ihre Häuser entwerfen, sind aufwendig zu bauen. Wie schaffen Sie das?
Ich habe Mitarbeiter, die meine Sprache verstehen. Ich fing als Ingenieur an, mit ihnen die üblichen, unscheinbaren Häuser zu bauen. Aber mittlerweise habe ich mich verändert und die Mitarbeiter haben sich mit mir verändert. Sie verstehen mich, und ich muss ihnen keine Pläne an die Hand geben, keine Computerausdrucke erläutern. Meine Zeichnungen hängen auf den Baustellen an den Wänden. Es kommt auch vor, dass ein Entwurf vor Ort noch mal modifiziert wird.
Es braucht sicherlich qualifizierte Arbeiter. Wo finden Sie die oder sind es immer die gleichen, mit denen Ihre Projekte entstehen?
Mein Traum ist es, eine eigene Schule aufzubauen und die Arbeiter und Techniker selbst auszubilden.
Haben Sie bestimmte Grundbausteine in den Häusern, die Sie immer wieder verwenden und variieren?
Ja, ich habe Bausteine. Die andine Architektur Boliviens hat ihre eigene Sprache gefunden und wird dementsprechend angewandt. Es ist schwer, einem Fremden diese komplexe Sprache zu erklären.
Ihre Häuser sollen sehr teuer sein. Sie haben alle eine ähnliche Grundstruktur und sind so organisiert, dass man mit ihnen Geld verdienen kann. Können Sie dies erläutern?
Zunächst ist es wichtig, unsere Kultur zu verstehen. Wir wohnen gerne in Harmonie mit der Natur. Das ist ein zentrales Element des Aimara Chakana. Wir glauben, alles was wir auf dieser Erde sehen, hat ein Leben. Natürlich spielt aber auch das Geld eine Rolle. Deswegen sind die Häuser so gebaut, dass es unten Läden und Galerien gibt, darüber auf zwei Geschossen Salons und im vierten und fünften Obergeschoss Apartments und die „Chalets“.
Bei unserer Fahrt durch die Stadt haben Sie mich auf zahlreiche Repliken Ihrer Häuser aufmerksam gemacht. Was unterscheidet Ihre Häuser von diesen Nachbauten?
Ihre geometrischen Formen basieren nicht eindeutig auf Tiahuanaco.
Sie sagen, bei diesen Nachbauten gehe es nur um das Ornament, es fehle der Sinn. Worin liegt denn der Sinn?
Meine Werke haben folgenden Sinn: Wir haben eine Sprache gefunden, die uns als Gesellschaft identifiziert. Dazu gehört die Ikonographie der Aimara mit den dazugehörigen passenden Farben. Bei den Imitationen gibt es das nicht. So findet man zum Beispiel Rot und Grün oft falsch miteinander kombiniert.
Fakten
Architekten Mamani, Freddy
aus Bauwelt 19.2016
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Bilder Andine Architektur

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