Der Oberhausener Arbeitspalast
Ein Gewächshaus auf dem Arbeitsamt? Auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Die Stadt Oberhausen will mit dem Neubau des Jobcenters einen grünen Prototyp errichten – und ihren zentralen Platz beleben
Text: Kleilein, Doris, Berlin
Der Oberhausener Arbeitspalast
Ein Gewächshaus auf dem Arbeitsamt? Auf diese Idee muss man erst einmal kommen. Die Stadt Oberhausen will mit dem Neubau des Jobcenters einen grünen Prototyp errichten – und ihren zentralen Platz beleben
Text: Kleilein, Doris, Berlin
Den Gang zum Jobcenter verbinden wohl die wenigsten mit Erholung im Grünen, eher mit Warten in öden Fluren. Die Stadt Oberhausen will gegen dieses Image angehen und hat den Bau ihres neuen Arbeitsamts zum Leuchtturmprojekt erhoben: Der Neubau soll sich nicht verstecken, sondern wird als Chance gesehen, das öffentliche Leben auf den Altmarkt und in die östliche Fußgängerzone zurückzuholen, die nicht zuletzt durch den Bau des Einkaufszentrums Centro (Bauwelt 45.1996) ausgeblutet ist.
Das Jobcenter wird also das erste Haus am Platz, vis-à-vis der Herz-Jesu-Kirche. Um darüber hinaus noch Besucher anzulocken, hat die Stadt dem Arbeitsamt eine neue Nutzung aufs Dach gesetzt: ein Gewächshaus. Dort können die Oberhausener Urban Gardening betreiben, zudem ist eine wissenschaftlich begleitete Produktionsstätte für den Gemüseanbau in der Stadt vorgesehen. „Eine lebendige, offene, vielfältige und innovative Szene, auch von Baukulturschaffenden, Städtebauern und Pflanzenproduzenten“ soll sich künftig auf dem Dach des Jobcenters tummeln. Als ein Nationales Projekt des Städtebaus fördert der Bund den „Altmarktgarten“ mit 2,3 Millionen Euro. Den Architekturwettbewerb hat das Team um die Berliner Architekten Kuehn Malvezzi bereits im September 2016 gewonnen, derzeit arbeiten sie den Entwurf aus.
Bloß nicht mit Luxus in Verbindung bringen
Wie wird ein Jobcenter zur grünen Attraktion? Es „soll hochwertig gestaltet sein, darf aber mit dem Thema Luxus nicht in Verbindung gebracht werden“, so steht es in der Auslobung. Einige der 18 Teilnehmer entwarfen das Gebäude als Hybrid, in dem sich die Dachlandschaft mit der Büronutzung verschränkt. Kuehn Malvezzi antworteten dagegen mit einem rationalen Gebäude mit rötlicher Klinkerfassade, das Anleihen bei der Industriearchitektur und den historischen öffentlichen Bauten der Stadt nimmt. Hier wird nicht die Arbeitslosigkeit verwaltet, so die architektonische Botschaft, hier wird gearbeitet, hier gibt es Arbeit. „Wir haben einen Arbeitspalast entworfen“, sagt Johannes Kuehn.
Der Begriff verweist natürlich auch in die Architekturgeschichte, zu Joseph Paxtons Kristallpalast in London (1851). Ein wenig hoch gegriffen vielleicht, aber es verdeutlicht den Anspruch: Das Gewächshaus, ein Standardprodukt, wie es in der Landwirtschaft verwendet wird, soll nicht isoliert auf dem Dach des Verwaltungsbaus stehen, sondern Teil des Ganzen werden. „Es soll der Effekt entstehen, dass das Gewächshaus temporär als Arbeitsamt genutzt wird“, so Kuehn weiter. Das Büro hat mit der Erweiterung des Insectariums in Montreal bereits Erfahrung mit Gewächshäusern und hat sich zudem Spezialisten ins Team geholt: Haas Architekten, die in Berlin unter anderem das Große Tropenhaus des Botanischen Gartens saniert haben. Gemeinsam haben sie das Profilsystem für Gewächshäuser so modifiziert, dass es mit dem Verwaltungsbau aus einem Guss zu sein scheint: Die Vertikalen des Gewächshauses setzen sich in den Fensterachsen des Verwaltungsbaus fort. Die übliche Aluminiumkonstruktion des Gewächshauses wurde zudem mit verzinkten Stahlaufschüblingen versehen – ein Material, das sich auch in den durchlaufenden, als Fensterbänken genutzten Horizontalen der Klinkerfassade wiederfindet.
Gewächshaus mit und ohne Glas
Die Abmessungen und Achsen des leicht veredelten Gewächshauses setzen sich auch im „Vertikalen Garten“ fort, einer berankten Treppenanlage, die Besucher direkt vom Altmarkt aus hinauf aufs Dach führt. Dieser dritte Teil des Gebäudes ist offen, anstelle der Glasscheiben des Gewächshauses überspannen grüne Pergolen die Satteldächer. Im Wettbewerbsentwurf waren auch die Sozialbereiche des Arbeitsamts in der Nähe des vertikalen Gartens angeordnet, um Synergien zu schaffen: Behördenmitarbeiter könnten ja schließlich in der Pause die auf dem Dach gezogene Tomate essen. In der weiteren Ausarbeitung wurden die Sozialbereiche verlegt, auch der Eingang der Behörde – ursprünglich an der Ecke zum Altmarkt angeordnet – wurde ein paar Meter in die Mittelachse der Marktstraße verschoben: Die beiden Nutzergruppen, die Behördengänger und die interessierte Öffentlichkeit, sollen doch klar voneinander getrennt werden. Während das Arbeitsamt zu den üblichen Bürozeiten geöffnet hat, soll der vertikale Garten möglichst auch am Wochenende und an Markttagen unabhängig von der Behörde zugänglich sein soll. Also doch nur ein Amt mit Dachgrün?
Prototyp innerstädtisches Gewächshaus
Das Gewächshaus auf dem Dach - dieses Thema ist für viele Städte relevant, um die Wege von der Produktion zum Verbraucher kurz zu halten. Bislang wird Urban Farming allerdings meist auf alten Lagerhäusern betrieben. Das Oberhausener Amt, das bereits Ende 2018 eröffnet werden soll, ist somit hierzulande der erste Neubau, der urbane Landwirtschaft mitdenkt. Unter Aufsicht des Fraunhofer-Institutes wird Essbares gezüchtet - und soll gleich auf dem Wochenmarkt nebenan verkauft werden. Die Abluft der Büros wird im Winter zum Heizen des Gewächshauses genutzt, zugleich fördert die CO2-angereichtere Luft das Wachstum der Pflanzen. Eine weitere Verzahnung der Kreisläufe sowie Experimente, die zukünftige Synergien erforschen, finden auf mehreren Ebenen statt: Das Grauwasser wird getrennt gesammelt und zu Betriebswasser aufbereitet, das innerhalb des Hauses zur Toilettenspülung sowie zu Forschungszwecken eingesetzt wird. Die Überschüsse des Gießwassers aus dem Gewächshaus werden zur Bewässerung des Vertikalen Gartens herangezogen. Das Regenwasser wird ebenfalls gesammelt und zur Pflanzenbewässerung genutzt. Ein flexibel belegbarer Synergieschacht ermöglicht einen zukünftigen Aus- oder Umbau der jeweiligen Systeme.
Das Grauwassersystem mit Filterkaskaden, das die Architekten vorgeschlagen hatten, wird vorerst nicht umgesetzt: Grauwasser eignet sich bisher aus Hygienegründen nicht zum Gießen essbarer Pflanzen - hier bleibt abzuwarten, ob die Forschung eine Lösung findet . Und anders als beim Wohnhaus fällt in der Behörde auch eher wenig Schmutzwasser an. Immerhin: Das Gebäude wird entsprechend vorgerüstet - sollte das Arbeitsamt irgendwann ausziehen und die Flächen zu Wohnungen umgebaut werden.
Das Grauwassersystem mit Filterkaskaden, das die Architekten vorgeschlagen hatten, wird vorerst nicht umgesetzt: Grauwasser eignet sich bisher aus Hygienegründen nicht zum Gießen essbarer Pflanzen - hier bleibt abzuwarten, ob die Forschung eine Lösung findet . Und anders als beim Wohnhaus fällt in der Behörde auch eher wenig Schmutzwasser an. Immerhin: Das Gebäude wird entsprechend vorgerüstet - sollte das Arbeitsamt irgendwann ausziehen und die Flächen zu Wohnungen umgebaut werden.
Nichtoffener Wettbewerb
1. Preis Kuehn Malvezzi, Berlin; atelier le balto, Berlin; HL Technik Engineering, München; Haas Architekten, Berlin
2. Preis Bolwin Wulf Architekten, Berlin; Lavaland, Berlin; HDH Berlin
3. Preis BKSP Planungsgesellschaft, Hannover; nsp christoph schonhoff landschaftsarchitekten stadtplaner, Hannover; Juhrig Ingenieurbüro, Hannover; KFP Ingenieure Brandschutz
Jury
Lars-Christian Uhlig, Gesche Grabenhorst, Peter Köster, Christof Nellehsen, Jórunn Ragnarsdóttir, Amandus Sattler
Wettbewerbsbetreuung
pesch partner architekten stadtplaner, Dortmund
Auslober
OGM Oberhausener Gebäudemanagement
1. Preis Kuehn Malvezzi, Berlin; atelier le balto, Berlin; HL Technik Engineering, München; Haas Architekten, Berlin
2. Preis Bolwin Wulf Architekten, Berlin; Lavaland, Berlin; HDH Berlin
3. Preis BKSP Planungsgesellschaft, Hannover; nsp christoph schonhoff landschaftsarchitekten stadtplaner, Hannover; Juhrig Ingenieurbüro, Hannover; KFP Ingenieure Brandschutz
Jury
Lars-Christian Uhlig, Gesche Grabenhorst, Peter Köster, Christof Nellehsen, Jórunn Ragnarsdóttir, Amandus Sattler
Wettbewerbsbetreuung
pesch partner architekten stadtplaner, Dortmund
Auslober
OGM Oberhausener Gebäudemanagement
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