Bauwelt

Die Mauerbrecher

Der deutsche Pavillon in Venedig öffnet sich zur Biennale 2016 mit vier großen Mauerdurchbrüchen. Die Kuratoren Peter Cachola Schmal, Oliver Elser und Anna Scheuermann erklären, warum

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin; Geipel, Kaye, Berlin

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    Foto: Felix Torkar

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    Vorbereitung für den Durchbruch und erfolgte Öff­nung der Wände des deutschen Pavillons – oben durch die Apsis, unten durch zwei Wände des linken Pavillonflügels.
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Die Mauerbrecher

Der deutsche Pavillon in Venedig öffnet sich zur Biennale 2016 mit vier großen Mauerdurchbrüchen. Die Kuratoren Peter Cachola Schmal, Oliver Elser und Anna Scheuermann erklären, warum

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin; Geipel, Kaye, Berlin

Warum reißt ihr für euer Ausstellungskonzept Wände des deutschen Pavillons ein? Trotz vieler Debatten über den ungeliebten Pavillon hatten sich – so unser Eindruck – in den letzten Jahren alle an ihn gewöhnt.
Der deutsche Pavillon ist ein wunderbarer, sehr gut proportionierter Ausstellungsort. Aber klar: Seine Geschichte als „Nazi-Pavillon“ hat zahlreiche Künstler und Architekten dazu herausgefordert, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Das sollte unbedingt so bleiben. Es wäre absurd, sich einen radikalen Umbau im Sinne einer vermeintlichen „Demokratisierung“ zu wünschen. Man hat sich daran gewöhnt, dass man sich an ihm reibt. Unser Eingriff in die Substanz belässt die Grundstruktur, ist aber zugleich der deutlichste, der je stattgefunden hat. Wir öffnen die Wände als Willkommensgeste eines offenen Deutschlands. Gleichzeitig hält das mediter­rane Flair Venedigs Einzug in den deutschen Pavillon.
In welchem Verhältnis steht die Öffnung des Pavillons zum Thema eurer Ausstellung „Making Heimat“?
Vier große Öffnungen, für die mehr als 48 Tonnen Ziegelsteine aus den denkmalgeschützten Wänden gebrochen wurden, verwandeln den deutschen Pavillon in ein offenes Haus. Der Pavillon ist offen. Deutschland ist offen. War offen, muss man mittlerweile sagen. Im vergangenen Jahr wurden
die deutschen Grenzen für über eine Million Flüchtlinge offen gehalten. Obwohl die Außengrenzen der EU mittlerweile für Flüchtlinge weitgehend geschlossen wurden, und damit auch die deutschen Grenzen wieder geschlossen sind, fordert die Geste des offenen Hauses dazu auf, über Deutschland als Einwanderungsland nachzudenken. Und der Blick durch die offene Mitte hinaus auf die Lagune – ist einfach traumhaft. Unglaublich, dass dieser Aspekt bisher keine Rolle gespielt hat, auch damals beim ursprünglichen Entwurf des bayerischen Pavillons von 1909 nicht.
Das phantastische Bild mit der durchbrochenen Apsis hat uns veranlasst, den Wanddurchbruch mit dem großen Schutthaufen auf den Titel zu setzen. Der Pavillon ist ja denkmalgeschützt. Was passiert mit dem wertvollen Bauschutt? Wird jeder Stein nummeriert und eingelagert?
Nein, die ehemaligen Steine sind mittlerweile Schutt – der Mörtel klebte viel zu sehr, um sie noch zu retten. Der Schutt wird sinnvoll weiterverwendet – hoffentlich so sinnvoll, wie 1902 der Bauschutt des eingestürzten Campaniles zur Schaffung einer Erhebung in den Giardini genutzt wurde. Das war, so heißt es, der Hügel, auf dem der deutsche Pavillon steht.
Wie wurde das alles überhaupt genehmigt? Deutsche und italienische Behörden arbeiteten Hand in Hand?
Ganz genau. Der ungewöhnlich weitgehende Bauantrag wanderte vom deutschen Generalkonsulat in Mailand zur Deutschen Botschaft in Rom zum Außenministerium nach Berlin und schließlich zum Bundesbauministerium. Das BMUB übernahm als Auftraggeber von Making Heimat die volle Verantwortung und unterzeichnete – so ging das Ganze in drei Tagen über die Bühne. Die venezianische Denkmalpflege unter der Leiterin Manuela Carpani dachte sehr gründlich nach. Sie äußerte grundlegende Bedenken und ließ sich schließlich in konstruktiven Gesprächen von der Sinnhaftigkeit unseres Konzepts überzeugen und genehmigte die Öffnung des linken Pavillonteils in Richtung Lido. Der rechte Teil Richtung japanischer Pavillon und Eingang blieb unangetastet. So verlor keine Seite das Gesicht, und wir freuen uns, Carpani den Pavillon in nun neuer Gestalt zeigen zu können.
Mit der rückwärtigen Öffnung entsteht zum ersten Mal die immer wieder diskutierte Öffnung zum Wasser. Welche Strategie liegt hinter den verschiedenen Einschnitten, die ihr in die Außenwände des Pavillons gelegt habt. Nach welchen Kriterien habt ihr Lage und Größe der Durchbrüche ausgewählt? Wie verändern sie die architektonische Aussage?
Wir haben gemeinsam mit den Architekten von „Something Fantastic“ vor Ort auf die Details der Umgebung, die Bepflanzung, die möglichen Blick- und Wegebeziehungen in und rund um den Pavillon sowie auf die kleinen Stufen in den Podesten vor dem Pavillon geachtet und uns direkt auf sie bezogen. Aus dem Kontext abgeleitet also. Schließlich entwarfen wir die möglichen Blickachsen durch das Gebäude, und die Architekten simulierten diese in einem 3D CAD-Modell. Und das Ergebnis ist doch wieder vollkommen anders: der deutsche Pavillon ist jetzt ein leichtes, lichtdurch­flutetes, ephemeres Bauwerk im Park – ein echter Pavillon eben, im ursprünglichen Sinne des Begriffs „Pavillon“.
Ein Blick zurück: Hans Haackes legendäre Installation mit dem aufgerissenen Pavillonboden bei der Kunstbiennale 1993 hatte eine eminent politische Sprengkraft. Wie steht ihr zum Déjà-vu, das dieses Vorbild evoziert?
Wir waren immer beeindruckt von Hans Haackes Aktion, die ja sein Kommentar zur gerade erst stattgefundenen deutschen Einheit war. Und dies ist nun unser Kommentar zum offenen Deutschland im Herbst 2015. PS: Hans Haake fragte nicht und stellte keine Anträge, sondern machte es einfach. Zur Strafe wurde der Pavillon unter Denkmalschutz gestellt!
Einmal die Mauern des deutschen Pavillons öffnen und dann wieder schließen? Muss im Dezember eigentlich alles wieder rückgebaut werden? Oder hat die Kuratorin des deutschen Pavillons bei der Kunstbiennale 2017, Susanne Pfeffer, sich bereits bei euch gemeldet, ob sie die Öff­nungen auch für ihre Biennale verwenden darf?
Sie war im März vor Ort, um den Pavillon im unschuldigen Zustand zwischen beiden Biennalen zu erleben, als der letzte Umbau bereits wieder zurückgebaut und frisch gestrichen war. Wie sie mit dem deutschen Pavillon umgehen will, wird sie zu gegebener Zeit erzählen. Wir haben aber der Denkmalpflegerin versprochen, alles so wiederherzustellen, wie es zuvor gewesen ist. Und die Italiener wissen: wir Deutschen sind – wie auch die Schweizer – nicht nur die ersten Länder, die zum Biennaleaufbau vor Ort sind, sondern wir halten auch unser Wort.

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