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Dresscode Ost

Mode, Fotografie, Literatur, Theater, Architektur – die Kunsthalle Rostock widmet der Frauenzeitschrift ­„Sibylle“ eine Ausstellung

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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    Doppelseite aus Sibylle 4/1962 mit einem Foto von Arno Fischer
    Foto: © T. Sandberg

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    Doppelseite aus Sibylle 4/1962 mit einem Foto von Arno Fischer

    Foto: © T. Sandberg

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Mode, Fotografie, Literatur, Theater, Architektur – die Kunsthalle Rostock widmet der Frauenzeitschrift ­„Sibylle“ eine Ausstellung

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Das DDR-Frauenmagazin „Sibylle“ ist legendär. Mit seinen künstlerisch anspruchsvollen Fotografien prägte es jahrzehntelang das ostdeutsche Frauenbild – auch wenn die abgebildete Kleidung mit der realsozialistischen Wirklichkeit oft wenig zu tun hatte. Ein weiteres Markenzeichen dieser „Zeitschrift für Mode und Kultur“ waren ihre feuilletonistischen Artikel. In mehr als der Hälfte des Hefts wurde über Theater, Film, Literatur, Malerei, Architektur und Design berichtet. Die Macher des Magazins betrachteten die Mode als Teil dieser Kultur und inszenierten sie alltagsnah. So dienten die gerade fertiggestellten Leitbauten am Berliner Alexanderplatz nicht selten als symbolbeladene Kulisse. Später gingen die Mannequins auch vor einfachen Plattenbauten in Position.
Die Zeitschrift wurde 1956 gegründet, als Zentralorgan des staatlichen Instituts für Bekleidungskultur (später umbenannt in „Modeinstitut“), das den Konfektionsbetrieben der DDR die gestalterische Linie für die Kleidungsproduktion vorgab. Und so sollte die Sibylle auch das neue „sozialistische Frauenbild“ vermitteln: mit emanzipierten, gebildeten, berufstätigen Frauen. In Ausgabe 6/1968 stellte die Reihe „Frauen von heute“ beispielsweise eine Kranfahrerin, eine Innenarchitektin und eine Schiffselektronikerin des VEB Warnowwerft Warnemünde bei der Arbeit vor. Klischeehafte Werktätige mit Kopftuch und Kittelschürze sucht man in den Heften vergebens.
Nachdem die Modegestalterin Dorothea Bertram (später: Dorothea Melis) 1961 die Leitung der Mode­ressorts übernommen hatte, orientierte sich die Sibylle an westlichen Pendants wie der Vogue. Sie hob sich durch die doppelte Rolle der erstklassigen Fotoaufnahmen – als bildhafte Inszenierung der Kleidung und zugleich als künstlerisches Statement – aber von anderen Frauenzeitschriften ab. Viele der Fotos zeigen die Laien-Models, die meist auf der Straße oder an der Hochschule angesprochen wurden, in leben­diger Bewegung, in Alltags- und Straßensituationen. So die bekannte, unmittelbar zur Ikone des Neubeginns hochstilisierte Aufnahme von Arno Fischer von einer jungen Frau vor einem Tele­skopgasbehälter (4/1962) .
Da die vorgestellten Muster-Kollektionen im Handel oft gar nicht erhältlich waren, nahmen die Leserinnen die teilweise mit den dazugehörenden Schnittbögen abgedruckten Entwürfe als Anregung zum Selbstschneidern.
Die Kunsthalle Rostock widmet der Sibylle derzeit eine umfangreiche Ausstellung. Die Schau rückt 13 namhafte Fotografen des Magazins in den Fokus – darunter Sibylle Bergemann, Arno Fischer, Ute und Werner Mahler, Roger Melis und Ulrich Wüst – und zeigt komplette Fotoserien als Vintage- oder Modern-Prints, inklusive später nicht abgedruckter Aufnahmen. Repressalien und kleinkarierte Vorgaben erschwerten bisweilen die Arbeit, zu kurze Röcke oder zu tiefe Dekolletees mussten retuschiert werden. Viele der Redakteure, Layouter, Designer und Fotografen waren an der Kunsthochschule Weißensee ausgebildet worden, an der während der DDR-Zeit noch der Geist des Bauhauses wehte. Andere Fotografen wie Hans Praefke oder Ulrich Wüst (Bauwelt 12.2016) hatten an der HAB Weimar Architektur oder Stadtplanung studiert. Dies sieht man ihren Arbeiten bis heute an.
Das Magazin bot auch einigen nicht salonfä­higen Künstlern und Autoren eine Plattform. Der Berliner Fotograf Sven Marquardt etwa, der in den 80er Jahren im eigenen Auftrag die Subkultur im Prenzlauer Berg dokumentierte, setzte für die Sibylle Mode in Szene – obwohl er als Punk die Redaktion nicht betreten durfte. Der Architekturkritiker Wolfgang Kil porträtierte verschiedene Architekten und Designer. Mit einem Text über den Architekten des gesellschaftlichen Zentrums von Marzahn Michael Kny – der Artikel fiel der Zensur zum Opfer, wurde intern aber weitergereicht – lieferte er das Ausgangsmaterial für den DEFA-Film „Die Architekten“ (1990).
Als die überschaubare Anzahl spektakulärer Ost-Berliner Freiluft-Locations hinreichend abgelichtet war, begann man, in den Wohnungen und dem direkten Lebensumfeld der Redakteure, Fotografen und Models zu fotografieren. Diese Aufnahmen geben heute interessante Einblicke in die seinerzeitigen Lebensverhältnisse der ­ostdeutschen Intellektuellen und Künstler. Wer sich in der Ausstellung den chronologisch aufgebauten Zeitstrahl ausgewählter Bildstrecken vom ersten bis zum letzten Heft (1995) genauer anschaut, wird viele Orte wiedererkennen, die sich nach der Wende zu hippen Quartieren mauserten: Die Sibylle hatte nicht nur Stil, sie war – auch außerhalb der Mode – ein Trendsetter.

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