Ein subtil geschöntes Bild
Das Museum Ludwig zeigt Bilder von Werner Mantz (1901–1983). Nicht nur das Werk des Fotografen lässt sich hier wiederentdecken, sondern auch die Bauten der klassischen Moderne in Köln
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Ein subtil geschöntes Bild
Das Museum Ludwig zeigt Bilder von Werner Mantz (1901–1983). Nicht nur das Werk des Fotografen lässt sich hier wiederentdecken, sondern auch die Bauten der klassischen Moderne in Köln
Text: Schulz, Bernhard, Berlin
Als Stadt der modernen Architektur zwischen den Kriegen ist Köln fast gar nicht im Bewusstsein. Man denkt stattdessen zuallererst an Berlin, dann an Hamburg, an Magdeburg, an bedeutende Ensembles in kleineren Städten wie Celle oder Karlsruhe-Dammerstock, natürlich an Dessau: nur nicht an Köln. Was für ein Irrtum.
Die Epoche der Weimarer Republik, die Köln zur Gänze unter Konrad Adenauer als Oberbürgermeister erlebte, sah in der Domstadt eine Fülle von Vorhaben der Stadterweiterung, des Neubaus, der architektonisch ambitionierten Projekte. Darüber gab kürzlich die Ausstellung „Die Adenauerzeit in Köln 1917–1933“ im Stadtmuseum Auskunft, die Nachgeborenen und Zuzüglern erklären musste, dass die 14 Jahre Weimarer Republik in Köln Bemerkenswertes hervorgebracht haben – und dies eben dank ihres damaligen OB. Alteingesessene Kölner erklären bis heute, dass die Jahre im Amt des Kölner Stadtoberhaupts die besten im politischen Leben Adenauers gewesen seien.
Das Bild allerdings, das der Nachwelt von den Bauten dieser Jahre überliefert ist – so viele wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört –, ist ganz wesentlich durch die Fotografien von Werner Mantz geprägt. Der 1901 geborene Kölner eröffnete bereits als 20-Jähriger nach kurzem Fotografiestudium in München ein Atelier als Porträtfotograf – bis ihn Wilhelm Riphahn bemerkte, die architektonische Autorität der 20er-Jahre, Erbauer unter anderem der berühmten „Bastei“ von 1924, eines kreisförmigen Restaurants am Rheinufer als Aufsatz auf dem Rumpf eines spätmittelalterlichen Wehrturms. Mantz hatte 1926 das Interieur eines Friseursalons abgelichtet, Riphahn sah die Aufnahmen und beauftragte fortan niemand anderen als den jungen Werner Mantz mit der Dokumentation seiner Bauten. Andere Architekten folgten.
Architekt und Fotograf hatten sich gefunden; denn was Mantz lieferte, war gewissermaßen das Idealbild der zeitgenössischen Architektur. Es war ein subtil geschöntes Bild: Was dem Neuen Bauen an Dekor mangelte, fügte Mantz als Spiel von Licht und Schatten hinzu. Keine der hell bis gänzlich weiß verputzten Fassaden der Siedlungsbauten, mit denen die Stadt die gravierende Wohnungsnot zu lindern suchte und die in zumeist industriell geprägten Randbezirken wie Kalk oder Buchforst entstanden, kommt bei Mantz so plan und gleichförmig zur Ansicht, wie sie sich an Tagen mit bedecktem Himmel – und Köln hat davon nicht wenige – zeigen mochte. Vielmehr werfen Balkongitter, Dachvorsprünge, gelegentlich auch Straßenlaternen weite Schlagschatten, beleben die Putzflächen und binden die Elemente der Fassade zu einem spannungsvollen Ganzen zusammen.
Mantz erkundete genau die Stunden, in denen die Sonne dieses Schattenspiel veranstaltete. Auch Interieurs richtete er nach dem Sonnenstand aus. In der Übersichtsausstellung, die das Kölner Museum Ludwig jetzt seinem Œuvre widmet, ist das Innere einer Großküche zu sehen, auf deren Boden die Fensterkreuze geometrische Muster werfen. Eine Uhr an der Wand verrät die Stunde: Es ist fünf Uhr, sei’s morgens oder nachmittags. Nebenbei ist die Uhr zugleich ein Symbol der modernen Zeit, in der alle Tätigkeiten – auch die der Nahrungszubereitung – nach exaktem Zeitplan ablaufen.
Von Riphahn abgesehen, sind die Kölner Architekten der Zwischenkriegszeit nicht zu jener landesweiten Bekanntheit aufgestiegen wie ihre Berliner Kollegen. Dabei muss eine Siedlung wie der „Blaue Hof“ von Riphahn und Caspar Maria Grod von 1927 keinen Vergleich mit der Hufeisensiedlung Bruno Tauts scheuen. Auch in Köln findet sich die Idee einer Randbebauung, die einen landschaftsgärtnerisch gestalteten Innenraum umschließt oder, bei einem anderen Projekt, die Flankierung des Zugangs von Geschäften etwa für „Butter, Eier, Milch, Käse“, wie die Schaufensterscheibe auf Mantz’ Aufnahme von 1927 verrät. Der Blaue Hof folgt der Formensprache der Neuen Sachlichkeit, mit Flachdach und fassadenbreiten Balkons. Andere Siedlungen sind konservativ gehalten, mit Satteldächern, quadratischen, doppelt geteilten Fenstern; man denkt an den „Zehlendorfer Dächerkrieg“, nur dass es solche Zuspitzungen in Köln offenbar nicht gegeben hat.
Neben dem Massenwohnungsbau blühte in Köln auch die Villenarchitektur im wohlhabenden Süden der Stadt. Da gab es schon 1929 eine Doppelgarage zu bestaunen; freilich mit angedeutetem Walmdach. Das „alte Geld“ war konservativ; umso entschiedener modern waren Bauherren wie ein Herr Georgii, der sich von Walter Weitz einen Kubus mit einer durch einen halbkreisförmigen, gitterbewehrten Balkon akzentuierten Putzfassade erstellen ließ. Das „Haus an der Lentstraße“ zeigt eine Dachterrasse in Anlehnung an Le Corbusier, mit darüber streifenförmig herumgezogener Fassade.
Immer hat Mantz das Beste aus den Bauten „herausgeholt“. Über die Rolle der Fotografie bei der Schaffung und Verbreitung eines bestimmten images der Moderne ist mittlerweile viel geschrieben worden, und etwa die mediale Strategie eines Walter Gropius bei der Werbung fürs Dessauer Bauhaus – mit den Fotografien von Lucía Moholy-Nagy – ist wohlbekannt. Mantz allerdings stellte sich nicht in den Dienst einer einzigen Architekturauffassung; er war vielmehr fähig, unterschiedliche Architekturen durch sein strenges Schwarz-Weiß, die deutliche Kontrastbildung, die Betonung geometrischer, vorzugsweise orthogonaler Muster gleichermaßen als vorbildliche Leistungen herauszustellen.
Mantz unterhielt ein Atelier am Kölner Hohenzollernring, damals eine vornehme Adresse. 1932 erkannte er die Zeichen der Zeit und eröffnete eine Dependance in Maastricht, der von Köln aus nächstgelegenen Stadt der Niederlande. Seine Hoffnung auf Architekturaufträge erfüllte sich nicht; er kehrte zur Porträtfotografie zurück, die er zusammen mit seinem alten Schulfreud Karl Mergenbaum bis in die 60er-Jahre auskömmlich betrieb. Seine früheren Arbeiten holte erst Klaus Honnef, einer der Pioniere der deutschen Fotohistoriographie, 1978 am Rheinischen Landesmuseum wieder ans Licht. Mantz schenkte seine Aufnahmen alsbald dem Museum Ludwig seiner Heimatstadt, das ihm 1982 eine umfassende Retrospektive ausrichtete.
Die jetzige Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Nederlands Fotomuseum in Rotterdam und stellt eine Auswahl dar, in der Bauten und Menschen gleichermaßen und im Ausstellungsaufbau einander abwechselnd präsentiert werden. So makellos die Porträts sind, durchaus auch, bei gern fotografierten Kleinkindern, humorvoll, so erreicht sein Werk doch seine Hoch-Phase in den Aufnahmen der Zwischenkriegszeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg erinnerte man sich seiner in Köln nicht, und nur zögerlich und ohne Auftrag kehrte Mantz zu gelegentlichen Streifzügen an den Rhein zurück. Den Eigenwert von 50er-Jahre-Bauten wie dem Festhaus Gürzenich von Karl Band und Rudolf Schwarz oder dem Opernhaus seines bewunderten Mentors Riphahn erkannte er sehr wohl. In der jetzigen Ausstellung kommt das Spätwerk allerdings nicht vor.
Werner Mantz starb 82-jährig 1983 in Köln. Seinen späten Ruhm hat er noch erleben dürfen. Die jetzige deutsch-niederländische Kooperation beleuchtet seinen Lebensweg, der durch die Machtergreifung der Nazis unterbrochen wurde wie so viele.
Werner Mantz. Architektur und Menschen
Museum Ludwig
Bis 21. Januar 2018
Nederlands Fotomuseum, Rotterdam: 19. Mai bis 26. August 2018
Museum Ludwig
Bis 21. Januar 2018
Nederlands Fotomuseum, Rotterdam: 19. Mai bis 26. August 2018
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