Erfolgreich abweichen
Das kooperative Verfahren für die Parkstadt Süd in Köln ist abgeschlossen. Favorisiert wird ein Entwurf, der die Vorgaben in Frage stellt
Text: Winterhager, Uta, Bonn
Erfolgreich abweichen
Das kooperative Verfahren für die Parkstadt Süd in Köln ist abgeschlossen. Favorisiert wird ein Entwurf, der die Vorgaben in Frage stellt
Text: Winterhager, Uta, Bonn
Die Grüngürtel sind das Kölner Tafelsilber, geerbte Werte, die es für kommende Generationen zu bewahren gilt. Doch der Innere Grüngürtel weist von jeher zwischen Uni-Campus und Rhein eine große Lücke auf: Schon während der Stadterweiterung in den 1920er Jahren, als nach Plänen von Fritz Schumacher die Festungsringe geschleift und Parks angelegt wurden, war die Industrialisierung an dieser Stelle zu weit fortgeschritten. Der 2008 veröffentlichte „Städtebauliche Masterplan Innenstadt Köln“ von AS&P weist dort einen von sieben Interventionsräumen aus und empfiehlt den Lückenschluss als Chance für die städtebauliche Erweiterung der südlichen Innenstadt. Einige Bereiche des 115 Hektar großen Gebiets, das im Rahmen dieser Neuordnung zusammenfassend „Parkstadt Süd“ genannt wird, liegen brach, aber eben nicht alle. Etwa ein Drittel der Fläche nutzt der Großmarkt. Mit der Entscheidung des Stadtrats, den Großmarkt bis 2020 an den Stadtrand zu verlegen, bietet sich auf der Basis des nachfolgend beschlossenen Entwicklungskonzepts Südliche Innenstadt (ESIE) die Chance für eine Neuordnung des Geländes zwischen Eifelwall und Rheinufer – ein Jahrhundertprojekt.
Dieses ist die Stadt mit einem kooperativen Entwicklungsverfahren angegangen. Urban Catalyst Studio, Berlin, und neubighubacher, Köln, entwickelten und moderierten ein Verfahren, das die Parkstadt Süd zunächst zu einem „Verhandlungsraum“ machte, in dem die lokalen Akteure und die fünf Planungsteams zusammengebracht wurden. Die von März bis November dieses Jahres veranstalteten Stadtspaziergänge, Ideenmärkte und Werkstätten wurden mit großem Interesse aufgenommen, drei Mal wurden die Analysen und Zwischenergebnisse der Planer mit den Forderungen und Ideen von Anwohnern, Wirtschaft, Fachöffentlichkeit sowie Politik und Verwaltung rückgekoppelt. Am 26. November fand die öffentliche Abschlusspräsentation der fünf Entwürfe statt.
Und dort stieß – wie man es sich nach einem so intensiv betriebenen Beteiligungsverfahren wünscht – der Favorit des Begleitgremiums, der Entwurf von RMP Stephan Lenzen, Ortner & Ortner, BSV und BBI, auch beim Publikum auf breite Zustimmung. Das Team verzichtete auf die Bebauung am Bahndamm – und setzte sich damit über die Vorgaben von Masterplan und ESIE hinweg. Dadurch wird Platz für einen großzügigen Grünraum gewonnen, der die historische Form des Rayons neu interpretiert und den Kontrast von Enge und Weite variantenreich ausspielt. Aus dem Gleichgewicht von Stadt und Park entsteht eine große Figur, die eine deutliche Stadtkante bildet. Der mutige Vorstoß des Teams brachte das Begleitgremium zu der Erkenntnis, dass ein Neudenken einen enormen Qualitätsgewinn erwarten lässt.
Doch auch die anderen Entwürfe, die sich an die vorgegebene Flächennutzung hielten, wurden als wichtige Beiträge bewertet, einzelne Aspekte werden sicher in die folgende technische Präzisierung Eingang finden, die als Grundlage für den Bebauungsplan dienen soll. AS&P Albert Speer & Partner und KLA Kiparlandschaftsarchitekten setzten das 3-Zonen-Modell von Masterplan und ESIE konsequent um und planten eine breite, beidseitig von Bebauung flankierte und deutlich ablesbare Vollendung des Grüngürtels. Von den direkt am Bahndamm geplanten Gewerbebauten im nördlichen Baufeld versprach man sich einen Lärmschutz für das gesamte Areal, die in der zweiten Blockreihe daran angeschlossenen Wohnbauten sollten von der Südausrichtung auf den Park profitieren.
ASTOC, GROSS.MAX. und ARGUS zeichnen die Form des Grüngürtels nicht als grüne Schneise nach, sondern betrachten ihn als Sequenz von Freiräumen. An deren Rändern liegen drei Quartiere, die in ihrer Körnung und Nutzung auf die jeweils angrenzenden Stadtteile abgestimmt sind. Ein dreiphasiges Entwicklungskonzept soll gewährleisten, dass Park und Stadtbild schon in unfertigem Zustand ablesbar sind.
Im Entwurf von West 8 führen vier Parks – der Park am Duffesbach, der Sportpark, der Südliche Rayonpark und der Alteburger Park – den Grüngürtel wie eine Perlenkette von der Luxemburger Straße bis an den Rhein fort. Die ganz unterschiedlichen Qualitäten und Nutzungen der Parks entwickelten die Niederländer aus dem Vorgefundenen.
Auch das Team aus KCAP, Atelier Dreiseitl und office03 präsentierte einen prozessorientierten Entwurf, dazu ein detailliertes ökologisches und nachhaltiges Programm zur Entwicklung der Parkstadt als „Atmende Stadt“. Darunter verstehen die Planer einen Organismus mit stabilen Rändern und flexiblen Zwischenräumen, der sich ohne Identitätsverlust an veränderte Bedürfnisse anpassen kann. In der bis 2035 geplanten Entwicklung gibt es viele großstadttypische temporäre Nutzungen, um Leerstand und Stillstand zu vermeiden. Ungewöhnlich für einen solchen Ort klingen dagegen „Biodiversität“ oder die Definition des Parks als „produktive Landschaft“, die ihre eigene Erde produziert.
0 Kommentare