Gibt es die gute Shoppingmall?
Einkaufszentren bauen – das Architekturmuseum München wagt sich an ein Thema, das Architekten mit spitzen Fingern anfassen. Mitfinanziert wurde die Ausstellung von der ECE
Text: Maier-Solgk, Frank, Düsseldorf
Gibt es die gute Shoppingmall?
Einkaufszentren bauen – das Architekturmuseum München wagt sich an ein Thema, das Architekten mit spitzen Fingern anfassen. Mitfinanziert wurde die Ausstellung von der ECE
Text: Maier-Solgk, Frank, Düsseldorf
Rem Koolhaas sprach von „Raummüll“ und „Junk-Space“. Frank Gehry, der zu Beginn seiner Karriere im Büro des Mall-Erfinders Victor Gruen arbeitete und 1972 eine solche in Santa Monica entwarf, meinte nach den Erfahrungen mit Entwicklern frustriert, Malls seien bloße „fantasy spaces, unconnected to reality“. Für viele, Architekten zumal, ist der Bautypus seiner ausschließlich kommerziellen Funktion wegen Grund genug, sich naserümpfend abzuwenden.
Dafür, dass es sich um Phantasieräume handelt, hat sich der Typus aber als erstaunlich robust erwiesen. Aufgenfällig macht das die Ausstellung „World of Malls“ im Architekturmuseum der TU München, die ein bisher vernachlässigtes Thema aufgreift und dabei die ökonomischen und gesellschaftlichen Aspekte nicht außer Acht lässt. Vor bonbonfarbenem Hintergrund werden in Boxen beiderseits eines straßenförmigen Ausstellungsparcours’ 23 für die Entwicklung des Typus wichtige Malls mit Fotos, Plänen und Modellen vorgestellt. Das reicht von der Vorstadtkreation „The Shoppers World“ in Framingham/Massachusetts (1951) und der ersten überdachten Mall, dem „Southdale Center“ in Edina/Minnesota (1956), bis zur umgebauten ehemaligen Stierkampfarena „Los Arenas“ in Barcelona (2011) und dem High-Tech-Komplex „Zorlu-Center“ in Istanbul (2013). Jenseits Disney-artiger Shopping-Welten, die besonders in China zu finden sind, stehen auch in Europa neue, zu Vergnügungsstätten erweiterte Shoppingmalls auf der Agenda: In Paris erneuern MVRDV in diesem Sinne den Montparnasse-Komplex Vandamme-Nord, in Berlin plant Jürgen Mayer H. unweit des Alexanderplatzes die „Erlebnisimmobilie“ VOLT.
Ahnungslose Architekten?
Parallel zum historischen Panorama der Ausstellung kommen auf Bildschirmen die Protagonisten zu Wort: Investoren, Architekten, die Vertreter der Städte und kritische Aktivisten. Einer der großen Mall-Entwickler beklagt die Ausbildung der Architekten, die zu wenig über Flächennutzung und Verkaufstricks Bescheid wüssten. Wer Kontroversen liebt, wird gut bedient.
Über 114.000 Malls gibt es in den USA, 463 sind es in Deutschland, Tendenz steigend. Als hermetisch verschlossene Welten, die die Urbanität im Innern zu kopieren suchen, dürften die meisten dem Untergang geweiht sein. Eindrückliche Fotografien aus den USA dokumentieren den Verfall – „Dead Malls“ sind ein Endpunkt der Entwicklung. Ihnen gegenüber stehen die neueren Versuche, längst auch aus der Feder namhafter Architekten. Norman Foster entwickelte mit dem Aldar Central Market in Abu Dhabi (2011) auf über 600.000 m2 eine dichte Miniaturstadt, die den alten Basar mit vielen kleinen Geschäften in zeitgenössischem Gewand umzusetzen versucht. Und David Adjaye verknüpfte für die Ashty-Foundation in Beirut eine Luxus-Mall mit einem Museum – zwei Typologien, denen vielleicht mehr gemeinsam ist, als man auf den ersten Blick meinen mag.
Zu wichtig, um darüber zu schweigen
Dass Handel nach wie vor als Belebungselement von Städten in Betracht kommt, zeigt das Beispiel Bad Münstereifel. Die Umwandlung von Altstadtgebäuden in Marken-Outlets verspricht dem Kurort eine Zukunftsperspektive.
Die Fehlleistungen der vergangenen Jahre sind bekannt. In welcher Form auch immer, sei es auf der grünen Wiese wie beim CentrO-Oberhausen (1996), sei es in der Stadtmitte wie in Braunschweig, wo die Mall sich hinter der rekonstruierten Schlossfassade versteckt (2007), sei es als Dominante eines neuen Stadtteils wie beim Milaneo im Stuttgarter Europaviertel (2014) – Handelsarchitektur in der Innenstadt muss neu durchdacht werden. Pompös oder geschmacklos, die Erlebnis-Malls von heute führen letztlich nur fort, was ab dem 19. Jahrhundert als Passage städtische Eleganz ausstrahlte, deren Ursprünge, der mittelalterliche Markt oder der orientalische Basar, aber schon viel früher ein kommunikative Zentren der Stadt bildeten.
Will man nicht auf Handel als öffentliches städtisches Phänomen verzichten, wäre es an der Zeit, neue Lösungen zu entwickeln. Denn auch die Zukunft des Internethandels ist möglicherweise nicht festgeschrieben. Einer der deutschen Doyens der Handelsarchitektur, Walter Brune, er wurde kürzlich 90 (Bauwelt 14), prophezeite jüngst das Ende des Internetbestell-Handels, weil die Vertriebswege für Hersteller und Händler zu teuer seien. Die Zukunft gehöre den Billig-Outlets in den Innenstädten. Dies wollen wir nicht hoffen.
1 Kommentare