Hadid zu verschenken
Chanel-Pavillon
Text: Kabisch, Wolfgang, Paris
Hadid zu verschenken
Chanel-Pavillon
Text: Kabisch, Wolfgang, Paris
Groß gefeierte Architektur kann traurig enden. Auf dem Vorplatz des Institut du Monde Arabe in Paris wird, um Platz zu schaffen, der Chanel-Ausstellungspavillon von Zaha Hadid abgebaut. Man möchte ihn verschenken, doch niemand will ihn haben. Daher der Aufruf: Wer diesen inzwischen zerlegten Pavillon abholen will, soll sich bei Jack Lang melden, dem Direktor des Institut du Monde Arabe. Für Ausstellungen ist er allerdings kaum geeignet.
Es war ein so prachtvoller Auftritt. Ein Kaiser auf Stippvisite in Venedig. Cinquecento pur! Dabei ging es „nur“ um Karl Lagerfeld, und man schrieb das Jahr 2007. Aber was bei dem Besuch in einem Palazzo nahe Rialto parallel zur Kunstbiennale zur Schau getragen wurde, hatte mit unserer realen Welt nur wenig zu tun.
Ein architektonisches Projekt wurde vorgestellt. Futuristisch, innovativ, einzigartig, stilbildend; ein ephemeres Gebäude, transportabel, ganz der Kunst gewidmet. Von der besten Architektin der Welt entworfen, von den größten Künstlern ausgestattet, an den wichtigsten Orten der Welt präsentiert. Als ein Journalist damals vorsichtig fragte, ob dabei wirklich die Kunst oder nicht eher das Ansehen von Chanel befördert werden solle, antwortete Lagerfeld schlagfertig: „Sie werden doch nicht wirklich etwas dagegen haben, wenn die erfolgreiche Modefirma von ihren großen Gewinnen ein wenig für die Kunst ausgibt.“ Es war niemand dagegen. Und so wurde das Gebäude von Zaha Hadid mit ihrem bekannten Vokabular realisiert und mitsamt seiner „handtaschenorientierten Kunst“, wie ein Journalist treffend schrieb, in Hongkong, Tokio und New York auf- und wieder abgebaut (Bauwelt 11.2008).
Doch drei Wochen für den Aufbau, zwei Wochen für den Abbau, mehr als 40 Container für den Transport des 80 Tonnen schweren Pavillons; all das war nicht nur aufwendig, es war immens teuer. Sogar für Chanel! Und so landete die Konstruktion, ohne dass sie, wie eigentlich vorgesehen, in London, Moskau und Paris aufgebaut worden war, in einem Lager. Offiziell wurde die Finanzkrise für das überraschende Ende verantwortlich gemacht, und man hoffte, dass Gras über die Hunderte von Kunststoffverkleidungen und Tausende von Metallteilen und Schrauben wachsen würde. Doch dann kam ein Direktor des Institut du Monde Arabe in Paris auf die Idee, sich das betörende Juwel für einen Euro zu kaufen und für temporäre Ausstellungen auf seinen Vorplatz stellen zu lassen. Damit verlängerte er die teure Odyssee ins Unendliche – und Chanel war das Problem los.
In der Zwischenzeit hat sich herausgestellt, dass die modulare Stahlskelettkonstruktion keinesfalls für eine Dauernutzung taugt. Weder technisch, noch räumlich. Bei Hadid gibt es keine geraden Wände, auf den 600 Quadratmetern konnte man nur ein paar Skulpturen und Objekte ausstellen. Dafür solch ein Aufwand? Damit sind wir dann auch auf dem Boden der Tatsachen – und in der Gegenwart – angelangt. Jack Lang, neuer Präsident des Instituts und als ehemaliger Kultusminister eher ein Pragmatiker, will mit der heißen Kartoffel nichts mehr zu tun haben und bietet sie als Geschenk an. Nicht für einen Euro, nein, gratis kann sie den Besitzer wechseln! Man muss nur die Abbau- und Transportkosten übernehmen. Unwidersprochen geistern in diesem Zusammenhang Zahlen zwischen 400.000 und 600.000 Euro durch die Pariser Kulturwelt. Der Chanel-Pavillon von Hadid ist nun zu einem ernsthaften Problem geworden. Doch damit nicht genug! Für die nächste Ausstellung des Institut du Monde Arabe stehen die Lokomotive des Orientexpresses und drei seiner Wagen auf einem Wartegleis. Sie sollen ab April im Hof präsentiert werden. Also baut man kurzerhand die störende Architektur ab und lagert sie ein. Solange man noch keinen Interessenten gefunden hat, muss das Institut die Kosten dafür tragen.
Nun stellt sich die Frage nach den Verantwortlichen. Deren gibt es in diesem Falle viele! Genau genommen sind es alle Beteiligten: Chanel hat den Aufwand und die Kosten des Projekts unterschätzt. Zaha Hadid hat an der eigentlichen Aufgabe, ein ephemeres Ausstellungsgebäude zu entwerfen, total vorbeigeplant. Der ehemalige Direktor des Institut du Monde Arabe hat sich ein vermeintliches Schnäppchen nicht entgehen lassen wollen und die Folgen übersehen. Der heutige Direktor entledigt sich voreilig eines ererbten „Ballasts“ ohne Alternativen auszuloten.
Und Kaiser Karl? Er widmet sich längst neuen Projekten. Die „Mobile Art“ stammt inzwischen auch für den großen Chef-Couturier, immerhin seit über 30 Jahren bei Chanel, aus einer anderen Zeit.
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