Bauwelt

Hanseatisches Engagement

Hamburg bekommt kein Olympia 2024 – aber vielleicht ein Naturkundemuseum. Die Stiftung „Academy for Architectural Culture“ von gmp Architekten lotet gern Projekte aus und organisierte einen weiteren Workshop, diesmal zum Museum

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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„Evolutioneum“ im ehema­ligen Zentralfernsprechamt Hamburg. Workshop-Entwurf des Teams Paul Eggert, Kay Fischer, Rachel Zastrau, Alexander Zippold. Tutor war Johann von Mansberg.

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„Evolutioneum“ im ehema­ligen Zentralfernsprechamt Hamburg. Workshop-Entwurf des Teams Paul Eggert, Kay Fischer, Rachel Zastrau, Alexander Zippold. Tutor war Johann von Mansberg.


Hanseatisches Engagement

Hamburg bekommt kein Olympia 2024 – aber vielleicht ein Naturkundemuseum. Die Stiftung „Academy for Architectural Culture“ von gmp Architekten lotet gern Projekte aus und organisierte einen weiteren Workshop, diesmal zum Museum

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Vor acht Jahren gründeten gmp Architekten, Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg, die Stiftung Academy for Architectural Culture aac. Seit 2012 hat sie ihren Sitz in der ehemaligen Staatlichen Seefahrtschule Hamburg, in der früher einmal Groß-Steuermanns- und Kapitänsklassen unterrichtet wurden. Das Gebäude aus den frühen dreißiger Jahren wurde von gmp durch Erwerb vor dem Abriss bewahrt, saniert und umgebaut. Es steht an der Rainvilleterrasse in spektakulärer Lage mit weitem Blick auf den Hamburger Hafen. Im Haus – von gmp nun „Campus“ genannt – befinden sich neben der aac weitere Büroräume der Architekten, die Brand Academy für Design und Management, eine Design Factory International und im Erdgeschoss, für eine Top-Location nicht anders zu erwarten, ein Gourmet-Restaurant: „Rainvilles Elbterrassen“ mit Private Dinner Lounges.
Bei den Aufgaben der aac von gmp stehen Workshops im Vordergrund. Die Teilnehmer kommen mehrheitlich aus dem Ausland, besonders aus China und Vietnam, Länder, in denen sich gmp durch ihre Großprojekte gut auskennen. Die Teams bestehen aus nur vier Studenten, die von Hochschulen empfohlen werden. Auch Absolventen und junge Architekten können sich bewerben. Nach welchen Kriterien aac die Auswahl trifft, wird auch auf Nachfrage nicht ganz deutlich. In jedem Fall werden sie von der Stiftung für zweieinhalb Wochen eingeladen und bearbeiten jeweils einen Entwurf.
Ich habe mich aufgemacht, der privaten und gemeinnützigen Einrichtung einen Besuch abzustatten, um das Konzept besser zu verstehen. Acht Teams beschäftigten sich im Workshop im Herbst dieses Jahres mit dem Entwurf eines Hamburger Naturkundemuseums, „Evolutioneum“, in dem nicht nur ausgestellt, sondern auch geforscht werden kann. Die Ergebnisse wurden am 25. November bei einer Abschlussveranstaltung vorgestellt. Für das Museum wählte man zwei potenzielle Standorte aus, die separat bearbeitet wurden: das Filetgrundstück auf der Spitze des Baakenhöft in der Hafencity und ein Gebäude, für das die Stadt eine Zukunft sucht, das Zentralfernsprechamt in Hamburg-Rotherbaum von 1907, einst angeblich das größte der Welt, indem jahrzehntelang die „Fräuleins vom Amt“ stöpselten. Während des Workshops wurde mit den gmp-Partnern Nikolaus Goetze und Stephan Schütz auch diesmal eine intensive Betreuung aus dem eigenen Haus geboten. Dazu hatte man Gäste mit großen Namen der deutschen Ausstellungsarchitektur eingeladen: HG Merz und Uwe R. Brückner. Auch Ivan Reimann schaute vorbei und Chris van Duijn von OMA, der für die Mailänder Fondazione Prada verantwortlich zeichnet (Bauwelt 25), dazu Max Dudler, dessen Architektur Meinhard von Gerkan während der Veranstaltung der „Schweizer Steinbau-Brutalität“ zuordnete.
Warum das Ganze? Abgesehen von den Vorteilen eines bestens etablierten Unternehmens, Ertragsanteile in eine Stiftung zu schieben, ist es der Wunsch der Gründer des Büros, Meinhard von Gerkan ist im Januar 80 Jahre alt geworden, ihre Erfahrungen weiterzugeben, junge Architekten von ihrer effektiven, auf Professionalität orientierten Denkstruktur zu überzeugen und zu „Experten fürs Ganze“ zu trainieren. Enno N. Maass, Programmdirektor der Stiftung, erläuterte das Konzept, indem er mir von seinem Architekturstudium in Oxford erzählte. Er schwärmte von der dortigen Tutorials, einer Ausbildung im kleinen – eher elitären – Rahmen mit direktem Kontakt zu den Lehrenden. Da klingt deutliche Kritik an deutschen Massenuniversitäten durch, wo in Einzelfächern, ohne die Zusammenhänge zu erkennen, Wissen vermittelt würde. In den Workshops will man hingegen an einem konkreten Projekt „global operieren“, und dasin internationalem Rahmen, international wie das Büro selbst. Der Architekt als ein „erfolgreicher und zugleich verantwortungsvoller Akteur auf internationalem Parkett“. Experimentelles ist daher weniger gefragt. Man soll im Workshop „einen adäquaten architektonischen Ausdruck formulieren, der für die weitere, reale Umsetzung von Nutzen sein kann“. Stolz auf den „Campus“ ist man natürlich auch: Vor kurzem wurde vor dem Gebäude ein Mast aufgestellt, der sich auch schon vor dem Krieg dort befand und an Schiffsmasten erinnert. An ihm sind die Flaggen der Bürostandorte von gmp gehisst: Deutschland, China, Vietnam, Brasilien.
Schaut man nun auf die Entwürfe des Workshops, stehen Visualisierungen von großen kompakten Gesten im Vordergrund. Verwunderlich ist die Art der Darstellung: Alles grau in grau, nirgends auch nur eine atmosphärische Geste. Was ist da passiert? War die den Teams zur Verfügung stehende Software so programmiert? Hat es mit der Jahreszeit zu tun, mit dem Schmuddelwetter, das auf die Stimmung drückte? Enno N. Maass vermutet darin den ästhetischen Konsens des Workshops. Interessant an der Aufgabe ist der Bezug zu Überlegungen in der Hansestadt, die jetzt ohne Olympia vielleicht an Bedeutung gewinnen. Die Sammlung des Naturkundemuseums ist mit ihren Skeletten und wohl auch der größten Zahl von in Alkohol konservierten Präparaten noch komplett vorhanden. Es ist die zweitgrößte Sammlung nach jener in Berlin und sie wurde im Krieg rechtzeitig in einen U-Bahn-Tunnel ausgelagert. Das Gebäude wurde 1943 zerstört. In der Stadt gibt es Initiativen, das Museum wieder entstehen zu lassen. Mit der Präsentation von Workshop-Machbarkeitsideen einer jungen Architektengeneration kann man das Projekt strategisch fördern und bei der weiteren Konkretisierung mit im Boot sitzen.
Hätte sich für Helmut Schmidt nach dem Krieg sein Wunsch erfüllt, Architektur und Stadtplanung zu studieren, hätte er, davon kann man ausgehen, als „Groß-Steuermann“, mit Gradlinigkeit und Weitsicht, beim Wiederaufbau seiner Stadt Hamburg Großes geleistet. Ein Naturkundemuseum gäbe es längst wieder, allein schon wegen Loki – sie hatte sich zeit ihres Lebens für den Reichtum der Pflanzen- aber auch für die Tierwelt engagiert.

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