Hier schießt Phantasie ins Kraut
Konzepte für das Interieur des Berliner Schlosses
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Hier schießt Phantasie ins Kraut
Konzepte für das Interieur des Berliner Schlosses
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Die ersten Konzepte für das Interieur des still vor sich hin dümpelnden Projekts Berliner Schloss liegen nach einem offenen und anonymen Wettbewerb vor. Verlangt war eine Ausstellungsarchitektur mit unterschiedlichen Bewegungsarten. Die Beteiligung und das Ergebnis waren eine herbe Enttäuschung.
Eigentlich sollte man sich etwas zurücknehmen, beim Leser sogar um Nachsicht bitten, denn in den Sälen des imaginären Berliner Schlosses tut sich doch etwas, sie sind gar nicht so leer und kalt, wie es Matthias Boldt in seinem Beitrag (Bauwelt 32.10) noch beschrieben hatte. Wie ist das möglich? Leise, fast unbemerkt, hatte im März die Stiftung Berliner Schloss – Humboldt-Forum in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung einen offenen Interieur-Wettbewerb ausgelobt, bei dem es noch nicht um das ganze Schloss ging, sondern um den Museumsbereich für die Kulturen aus weiter Ferne. Dafür stehen Raum für Raum beide Obergeschosse im großen Karree um den Eosander- und den Schlüterhof herum zur Verfügung, insgesamt 17.500 Quadratmeter Ausstellungsfläche, gestaltet mit einem Budget von circa 35 Millionen Euro. Der Wettbewerb, der Mitte Juli entschieden wurde und dessen Ergebnis bis zum 19. September im Kronprinzenpalais zu sehen war, hatte kaum Beachtung gefunden. Warum auch? Das Thema Berliner Schloss ist von gestern, verschoben oder ad acta gelegt, und doch denkt man sich unbeirrt weiter etwas aus, da ein in Gang gekommener Planungsapparat sich nicht so einfach stoppen lässt. Für die Schlossfreunde, die ungebremst Spender für die Steine der zu rekonstruierenden Schaufronten suchen, war bei den vorgestellten Entwürfen nichts von einer Ausschmückung zu sehen. Ganz im Gegenteil. Mit dem Wettbewerb wird vielmehr die Absurdität des Projekts Berliner Schloss noch offensichtlicher, denn jetzt kommt mit der Installation einer autarken Ausstellungswelt im Schlossmantel eine weitere, das Projekt komplizierende Ebene der Inszenierung hinzu. Grundlage sind die Räume, die Architekt Franco Stella schon im Januar bis zum Vorentwurf im Zweihundertstel zeichnen ließ. Damit alles seinen Rahmen hat und die Beteiligten bei den vielen Ecken im Schloss nicht durcheinander kommen, wurden für den Wettbewerb zwei Lose mit exemplarischen Ausstellungseinheiten ausgewählt, die zu bearbeiten waren: Los 1 für das Ethnologische Museum, u.a. mit dem Südseehaus von Palau, und Los 2 für das Museum für Asiatische Kunst.
Nur vier gleiche Preise
Das Erschrecken war wohl groß, denn es gab nur die spärliche Anzahl von 28 eingereichten Arbeiten. Die Juryvorsitzende, Ausstellungsgestalterin Barbara Holzer aus Zürich, gab gleich zu Beginn der Sitzung zu Protokoll, dass sie von der Qualität der Arbeiten enttäuscht sei. Kritisiert wird auch die grafische Vermittlung der „teilweise kaum erkennbaren Ideen“. Der Mangel an Qualität führte auch dazu, die Vorgabe der Auslobung so zu ändern, dass pro Los nur zwei statt drei bis fünf Beiträge gleichrangig mit Preisen ausgezeichnet wurden. Vier Preise sind also aus dem Wettbewerb hervorgegangen, von denen eine Arbeit nach „kontroverser Diskussion“ mit 6 zu 5 Stimmen erst noch zurückgeholt werden musste. So wie man es vermutet, sind reine Ausstellungskünstler am Werk gewesen. Sie haben Erfahrung mit der Inszenierung von Räumen. Da alles völlig unabhängig vom Äußeren des Schlosses zu sehen ist, spielen Wände mit Fenstern sowieso keine oder fast keine Rolle. Im Herzen der Stadt soll ein Schloss entstehen, dessen Interieur auch in einen der berüchtigten deutschen Expo-Pavillons passen könnte. Die Jury hält es für unumgänglich, dass die Preisträger jetzt kräftig überarbeiten, damit das anstehende Verhandlungsverfahren überhaupt klappen kann.
Immer in Bewegung
Einer der Preisträger – Mila, Jakob Tigges, Berlin, und Iglhaut + von Grote, Gesa von Grote, Berlin – gibt dem Projekt Humboldt-Forum den Namen HuFo und entwickelt ein modulares Vitrinensystem, das „verschiedenste Erlebnisräume“ ermöglicht. Betrachtet man die Abbildung links, ist die Einschätzung der Jury zutreffend: „Ein Zugewinn an atmosphärischer Qualität ohne Verlust an räumlicher Großzügigkeit wäre wünschenswert.“ Außerdem sollen die beim Wettbewerb geforderten „Denkpunkte“ besser „ausbalanciert“ werden. Die ganz neue Idee dieser Arbeit nennt sich „Traveller“, ein unter die Decken montiertes, langsam gleitendes Transportsystem an Schienen. Mit dem Traveller wird den Verfassern die Fähigkeit bescheinigt, außergewöhnliche und kreative Ausstellungsideen zu liefern. Der Traveller kann von Zeit zu Zeit neu bestückt werden. Damit entsteht nach Auffassung der Planer ein „Interaktionsraum und ständiger Perspektivwechsel, der dem „Erfahren anderer Kulturen beim Reisen entspricht“. Die „Aneignung von Welt“ erfolgt „individuell und selbstbestimmt. So erhält der Besucher die Möglichkeit, sich an Orten, die ihn besonders interessieren, spontan niederzulassen und elektronische Objektinformationen auf seinem Medienguide zu speichern. Die so entstandene eigene Sammlung kann sich der Besucher vor dem Verlassen des HuFo per E-Mail zuschicken oder als Reisealbum an Freunde mailen.“ Bei einer anderen ausgewählten Arbeit, Raumkontor Innenarchitektur Düsseldorf, wird vom Preisgericht hervorgehoben, dass die Leitidee „Schloss im Forum“, in dem die „Unruhe der Kultur“ gelebt wird, den Kern der Idee des Humboldt-Forums trifft. Außerdem lässt der Entwurf „eine eingehende Beschäftigung mit Klangerlebnissen erkennen“, auch wenn die Grundstimmung sich hier „düster“ zeigt. Lustig wird die Sache mit dem Schloss-Interieur bei den Stuttgarter Preisträgern Merz Sauter Zimmermann, denn das Preisgericht schreibt: „Die Verfasser haben sich mit spürbaren Vergnügen an die Arbeit gemacht. Das Produkt ist ein Labor der fröhlichen Forschung. Viele Ideen werden ausgearbeitet: zur Vermittlung des Humboldt-Forums nach außen, zum Zusammenwirken von Wissenschaft und Kunst, zu den Ansprüchen der Besucherinnen und Besucher, zum Universum medialer Vermittlungsmöglichkeiten. Überall und nach allen Seiten hin schießt die Phantasie ins Kraut.“ Das imaginäre Berliner Schloss wird weiter für Amüsement sorgen. Es folgt zum Jahresende die Eröffnung der Info-Box vis-à-vis vom Lustgarten. Ärgerlich nur, dass alle Aktionen eine große Menge Geld verschlingen.
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