Himmelb(l)aue Hartschaummodelle
Das DAM zeigt eine überraschende Coop-Himmelb(l)au-Ausstellung
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Himmelb(l)aue Hartschaummodelle
Das DAM zeigt eine überraschende Coop-Himmelb(l)au-Ausstellung
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Hand aufs Herz: Hätten Sie gedacht, dass bei Coop Himmelb(l)au vor allem mit Modellen aus Hartschaum entworfen wird? Würde man nicht eher erwarten, dass die Wiener Dekonstruktivisten um Wolf D. Prix ihre schrägen Konstruktionen an filigranen Drahtmodellen erarbeiten, oder ganz ohne Modelle, ausschließlich am Computer? Der Besuch ihrer Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum belehrt eines Besseren.
Gefühlte Hundertschaften blassblauer Arbeitsmodelle in allen Maßstäben bevölkern, aufgereiht auf langen Tischen, das Erdgeschoss des Museums. Sie illustrieren die Genese dreier unlängst fertiggestellter Großprojekte des Büros: das Musée des Confluences in Lyon und die Europäische Zentralbank in Frankfurt (beide Bauwelt 4.2015) sowie das Dalian International Conference Center in China. Vor allem die Entwicklung des EZB-Entwurfs lässt sich über alle Wettbewerbs- und Überarbeitungsphasen hinweg minutiös studieren: unzählige Formen für das Doppelhochhaus, tastende Versuche, die richtige „Füllung“ für das riesige Volumen der ehemaligen Großmarkthalle zu finden, schließlich die vertrackte Suche nach einem probaten Mittel, Hochhaus und Halle zu verbinden.
Die fertigen Bauten sind ebenfalls in der Ausstellung präsent, in Gestalt großformatiger Fotos an Wänden und Fenstern des Ungers-Baus – übrigens streng im strengen Raster des Hauses aufgehängt, wie auch die Tische mit den Modellen akkurat auf den quadratischen Bodenfliesen stehen. Noch so eine Überraschung der Ausstellung. „Früher wären wir in den Ungers mit unseren Sachen sicher diagonal reingegangen. Das brauchen wir heute nicht mehr“, zitiert Kurator Yorck Förster Wolf D. Prix. Ist der 72-jährige Coop-Himmelb(l)au-Chef altersmilde?
Wie sehr er nach wie vor dafür brennt, durch „andere Geometrien“ aufregendere als die üblichen Räume zu schaffen, das trat auch in Prix’ launigem Vortrag am Eröffnungsabend zutage. Und dass er als Anlass für die Schau völlig ungeniert und scheinbar bitterernst nicht etwa die Eröffnung der EZB, sondern den „47. Geburtstag von Coop Himmelb(l)au“ nannte, lässt das anarchische Potenzial erahnen, das er, ungeachtet seines Erfolgs, offenbar immer noch in sich trägt.
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