Höchste Zeit
Das Haus strahlt im neuen Glanze und vor allem: Es erzählt seine ruhrgebietsspezifische Geschichte wie ein kleines Bilderbuch. Das neue Baukunstarchiv NRW, das nun im ehemaligen „Museum am Ostwall“ in Dortmund seine Tore öffnete, ist ein langersehntes Versprechen.
Text: Maier-Solgk, Frank, Düsseldorf
Höchste Zeit
Das Haus strahlt im neuen Glanze und vor allem: Es erzählt seine ruhrgebietsspezifische Geschichte wie ein kleines Bilderbuch. Das neue Baukunstarchiv NRW, das nun im ehemaligen „Museum am Ostwall“ in Dortmund seine Tore öffnete, ist ein langersehntes Versprechen.
Text: Maier-Solgk, Frank, Düsseldorf
Das Baukunstarchiv bezieht ein Gebäude, das 1875 als Landesoberbergamt errichtet wurde, das sich 1911 mit einem zentralen überdachten Lichthof als Museum für Kunst und Gewerbe neu erfand, das 1949 nach Kriegszerstörungen und einem Teilwiederaufbau die Ausstellungstätigkeit unverdrossen aufnahm, als „Museum Ostwall“ für moderne Kunst größere Bekanntheit erlangte und nach einem langen Prozess mit Leerstand und gut einjähriger Instandsetzung durch die Architekten Spital-Frenking + Schwarz eine neue, gemischte Nutzung als Archiv und Ausstellungshaus erhält. Rund um den erneuerten weißen Lichthof reihen sich nun auf zwei Ebenen Verwaltungs-, Ausstellungs- und Archivräume aneinander, eine Fachbibliothek gibt es; der Gartensaal im ersten Obergeschoss bietet sich für Veranstaltungen an. Allenthalben zufriedene Gesichter bei der feierlichen Eröffnung, zu der eine Reihe Museumsprominenz erschien.
Vorausgegangen war eine allerdings langwierige Vorgeschichte, die ihre Gründe in der NRW-spezifischen Vielfalt regionaler Zentren wohl eben-so hat wie in der entsprechend vielfältigen institutionellen Landschaft. Ein kurzer Rückblick: 2013 gefährdeten die Präsidenten der Architektenkammer und der Ingenieurkammer NRW mit einem kompromisslosen Brief das Projekt Baukunstarchiv, und es drohte der Abriss des Gebäudes (Bauwelt 28.2013). Lange wurde über den Standort und die Finanzierung des Betriebs diskutiert. Nachdem sich vor Ort eine Bürgerinitiative für den Erhalt des Gebäudes einsetzte und der Rat der Stadt Dortmund einen Abrissbeschluss zurücknahm, konnte man ein neues Konzept entwickeln, das durch die Kooperation sämtlicher Beteiligter den Fortgang des Projekts ermöglichte: Die Stadt Dortmund stellt das seit dem Umzug des Museums ins Dortmunder „U“ 2010 leerstehende Gebäude dem Archiv miet- und abgabenfrei zur Verfügung; das Land finanzierte durch Mittel der Städtebauförderung mit 3,5 Millionen Euro zu achtzig Prozent die Sanierung des Gebäudes. Die restlichen zwanzig Prozent übernahmen die Stadt Dortmund und der private Förderverein. Die TU Dortmund bringt ihr bereits vorhandenes Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst (A:AI) als Grundstock ein, das seit 1995 aufgebaut wurde und inzwischen auf mehr als achtzig Vor- und Nachlässe angewachsen ist. Den Betrieb der Einrichtung sichert schließlich der Zusammenschluss der Gesellschafter einer neu gegründeten gGmbH, zu der die Stiftung Deutscher Architekten, die Architekten- und Ingenieurkammer NRW, sowie ein neu gegründeter Förderverein gehören. Gemeinsam stellen sie mit jährlichen Zuschüssen im „niedrigen sechsstelligen Bereich“ die Existenz der Einrichtung betriebswirtschaftlich sicher und unterstützen bei Bedarf mit zusätzlichem Personal.
Zeit, höchste Zeit gar, wurde es, um ein Archiv weiterzuentwickeln, das der Bedeutung des Bundeslandes vor allem für die jüngere Baugeschichte in Deutschland gerecht wird. Denn bereits abgewandert waren in den letzten Jahrzehnten die Nachlässe so prominenter „NRW-Architekten“ wie der von Paul Schneider-Esleben, der an der TU-München sein Unterkommen gefunden hat. Der von Gottfried Böhm befindet sich im Frankfurter Architekturmuseum, im Deutschen Kunstarchiv in Nürnberg der von Hans Schwippert, und in Berlin liegen die Unterlagen von Helmut Hentrich. „Es bestand Handlungsbedarf“, so Wolfgang Sonne, der das Haus wissenschaftlich leitet. Die Notwendigkeit etwas zu unternehmen hatten vor allem die beiden Kammern des Landes als dringlich erkannt; denn offenkundig ist der Archiv-Standort auch in digitalen Zeiten von Bedeutung, wenn man die Wertschätzung für die Baugeschichte wachhalten will: „Das Projekt ist eine Gemeinschaftsleistung vieler, die, das ist das Innovative des Modells, gemeinschaftlich auf ein Ziel hin agiert haben“, betont Markus Lehrmann, Geschäftsführer der NRW-Architektenkammer und nun auch Geschäftsführer des Baukunstarchivs. Über die Aufnahme von Nachlässen entscheidet ein Fachbeirat. Auch wenn die ältesten Dokumente des Archivs Planungsunterlagen zu Brücken aus dem späten 19. Jahrhundert sind, so liegen die inhaltlichen Schwerpunkte doch eindeutig im 20. Jahrhundert. „Wenn wir etwas von Schlaun bekommen, sagen wir nicht nein“, meint Sonne, aber es sind die privaten Dokumente von Architekten und Ingenieuren der letzten Jahrzehnte, auf die man vor allem setzt. Geplant sei auch eine Verlinkung mit anderen regionalen, kirchlichen, privaten Archiven, damit man sehen könne, wo was liegt. Die komplette Digitalisierung mit einem öffentlich zugänglichen Online-Archiv wird bis auf Weiteres wohl noch Zukunftsmusik bleiben. Auch die personelle Ausstattung sei laut Sonne so knapp, wie dies bei Archiven eben oft üblich sei.
Die Eröffnungsausstellung, die achtzig Objekte von achtzig Nachlässen auch in der medialen Vielfalt exemplarisch zeigt, liefert einen guten Überblick des Zuschnitts des Archivs, darüber hinaus auch einen Eindruck davon, welches Potential ein Archiv für Ausstellungen und die Vermittlung vieler Seiten der Bauhistorie bietet. Ein Paradestück ist ein großes Modell der Raumstadt von Eckhard Schulze Fielitz von 1968. Auch NRW-Ikonen wie Deilmanns Düsseldorfer Fernsehturm, David Chipperfields Essener Folkwang-Museum oder ein Modell des Museums Quadrat Bottrop von Bernard Küppers sind zu sehen.
Wie vermittelt man Architektur einer breiteren Öffentlichkeit? Die ideale Lösung, so Sonne, gibt es nicht. „Wir haben eben nie das eigentliche Baukunstwerk, sondern nur das Medium, das darauf deutet, dieses aber wollen wir in seiner Originalität und Objekthaftigkeit – ähnlich dem Kunstwerk präsentieren. Bespielt wird das Haus – das Programm des nächsten Jahres zeigt es – mit Ausstellungen und Diskussionsveranstaltungen, die auch externen Einrichtungen und Unternehmen organisiert werden. Nächstes Jahr steht mit zwei Ausstellungen – wie nicht anders zu erwarten – das Bauhaus-Jubiläum im Fokus.
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