Palme und Banane
Ulrich Brinkmann kann touristischem Rummel plötzlich Gutes abgewinnen
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Palme und Banane
Ulrich Brinkmann kann touristischem Rummel plötzlich Gutes abgewinnen
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
In den Bergen östlich von Rom kenne ich inzwischen jede Piazza. Also wirklich jede. Sollten Sie sich je in diesem unbeachteten Teil der kapitalen Provinz verfahren und wissen wollen, wo sich in Gorga ein Alimentari versteckt, in Poli eine Tabaccheria oder in Ciciliano ein Geschäft für Haushaltswaren – Anruf genügt, ich helfe gern. Aber fragen Sie mich nicht nach den Bäumen, die den Giardini von Olevano Schatten spenden; mit Bäumen kenne ich mich nicht gut aus. So viel nur weiß ich: Palmen gibt es dort keine.
Auf dem Domplatz von Mailand stehe ich Ende Februar zum ersten Mal. Was soll ich sagen? Schon ganz schön. Trotzdem geht es mir wie auf dem Markusplatz, an der Spanischen Treppe oder im Hof der Uffizien – es ist mir zu viel los. Das Gedränge der Touristen, ihr Sprachgewirr, übertönt vom Schreien der Händler und vom Gegurre der Tauben; die leicht surreale, nordalpine Gotik der Riesenkirche, das alles verschlingende Portal der Galleria und der düstere Rationalismus des Museums – nein, wenn man genauer hinguckt, sieht man nicht nur Glanzpunkte der Architektur versammelt. Bloß weg, denke ich und verkrümele mich, um die Stunde bis zum Rückflug der Kirche San Lorenzo Maggiore zu widmen. Und siehe da, bis auf ein flüsterndes Paar und den dösenden Kustos habe ich den spätantiken Zentralbau ganz für mich.
Wieder daheim, muss ich beim Blick in die Tagesschau feststellen, dass ich im Treiben übersehen habe, was die Gemüter ganz Mailands erhitzen soll: die Palmen, mit denen der Domplatz geschmückt worden ist, und die nun als „Afrikanisierung eines der schönsten Plätze der Welt“ beschimpft werden. Palmen? Auf dem Domplatz von Mailand? Hmm. Nehmen sich auch nicht viel fremder aus als die Formen der Riesenkirche. Und wieso Afrika, Palmen gibt‘s doch schon im Mezzogiorno. Sollten es als Teil der Kirmes drum herum nehmen, die Aufgebrachten, und sich ihren Domplatz mal genauer ansehen. Und dann auf Berlin blicken: wo nun doch die Riesenwippe vor der Schlossfassade installiert werden soll.
Wippe, Moment mal – sieht das Ding nicht ein bisschen aus wie eine Banane? Dazu nähmen sich Palmen vielleicht gar nicht schlecht aus. Und, wer weiß, vielleicht stellt sich dereinst an der Schlossfreiheit ein ähnlicher Trubel ein wie auf dem Domplatz von Mailand – jener Trubel, in dem das Einzelne leichter zu ertragen ist.
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