Märchenstunde am Alexanderplatz
Doris Kleilein findet, dass es nach 22 Jahren an der Zeit ist, die Kollhoff´sche Hochhausplanung für den Berliner Alexanderplatz dort zu lassen, wo sie hingehört: in der Schublade
Text: Kleilein, Doris, Berlin
Märchenstunde am Alexanderplatz
Doris Kleilein findet, dass es nach 22 Jahren an der Zeit ist, die Kollhoff´sche Hochhausplanung für den Berliner Alexanderplatz dort zu lassen, wo sie hingehört: in der Schublade
Text: Kleilein, Doris, Berlin
Stadtentwicklung funktioniert über gute Erzählungen. Kopenhagen, die Stadt der frohgelaunten Radfahrerinnen, für die noch an den schwierigsten Stellen Brücken gebaut werden, ist nur ein Beispiel dafür. In Berlin wird seit anno 1995 die wundersame Geschichte von der Kreativwirtschaft erzählt. Jetzt sollen Start-ups und IT-Firmen sogar den Alexanderplatz retten – ein Ort, für den die Senatsverwaltung seit nunmehr 22 Jahren den städtebaulichen Entwurf von Helga Timmermann und Hans Kollhoff in der Schublade liegen hat, eine schon damals reichlich stereotype Erzählung von der Hochhauscity. Da kann noch soviel dagegen sprechen: der ausgeweitete Denkmalschutz für die Ostmoderne, die teure Baustelle über dem Verkehrsknotenpunkt, der nach wie vor nicht vorhandene Investitionsdruck – die Senatsverwaltung hat nun einmal Baurecht für sieben Hochhäuser geschaffen, da muss doch was gehen! Selbst Prof. Kollhoff wurde aus der Versenkung geholt, um eine Überarbeitung des Entwurfs von 1993 vorzustellen, die sich aber letztendlich nur als minimale Anpassung des alten Konzepts entpuppt. Anstatt sich die Frage zu stellen, was der Alexanderplatz heute sein könnte, beruft man sich auf die abgedroschene Nachwendevision vom New York an der Spree – da kommt die im September erschienene Studie des Unternehmens bulwiengesa gerade recht, wonach es doch viel Potenzial gäbe für neue Bürohochhäuser, wenn auch „typische Hochhausmieter wie Wirtschaftsprüfer, Banken und große Anwaltskanzleien nicht in der großen Zahl vertreten sind wie in anderen europäischen Städten“. Man sehe aber eine „Berliner Lösung“ mit einer Mischung aus Wohnungen, Hotels und Büros für die Kreativwirtschaft. Die New Economy zeigt bislang wenig Interesse an den Bürostrukturen der Krawattenträger: Die Versandfirma Zalando etwa, einer der größten Arbeitsgeber der Berliner Kreativwirtschaft, hat einen Campus-Neubau für 4000 Mitarbeiter in Friedrichshain angekündigt. Andere Unternehmen zieht es in den Bestand, vorwiegend auf umgebaute Industrieareale. Spotify im 150-Meter-Hochhaus am Alexanderplatz? Das ist, als wolle man Radfahrer dazu bringen, auf die S-Klasse umzusteigen. Es ist einfach eine schlechte Story.
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