Bauwelt

Learning the Hard Way

Am 29. August jährt sich zum zehnten Mal der Tag, an dem der Orkan Katrina an der Golfküste der USA und in der Stadt New Orleans eine Katastrophe auslöste. Die Reaktionen darauf waren planlos, der Wiederaufbau lief nur schleppend an. Ereignisse wie Katrina, der Tsunami im Indischen Ozean 2004 oder auch das Tohoku-Erdbeben in Japan 2011 haben die Diskussion über die Rolle der Architekten beim Wiederaufbau in eine neue Richtung gelenkt. Ein Paradigmenwechsel ist erkennbar, der zu einer neuen Form der interdisziplinären Auseinandersetzung mit dem Thema geführt hat. So stellt sich nicht nur die Frage, wie es zehn Jahre nach dem Orkan um den Wiederaufbau der Stadt steht, sondern auch, welche landesweite Bedeutung Katrina für neue Strategien zur Bildung von Resilienz gegen Katastrophen und Unsicherheiten hat.

Text: Kammerbauer, Mark, München

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Mit dem „Urban Water Plan“ sollen in New Orleans Strategien für dem Umgang mit Wasser im Quartier
erprobt werden
Zeichnung: Waggonner & Ball

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Mit dem „Urban Water Plan“ sollen in New Orleans Strategien für dem Umgang mit Wasser im Quartier
erprobt werden

Zeichnung: Waggonner & Ball


Learning the Hard Way

Am 29. August jährt sich zum zehnten Mal der Tag, an dem der Orkan Katrina an der Golfküste der USA und in der Stadt New Orleans eine Katastrophe auslöste. Die Reaktionen darauf waren planlos, der Wiederaufbau lief nur schleppend an. Ereignisse wie Katrina, der Tsunami im Indischen Ozean 2004 oder auch das Tohoku-Erdbeben in Japan 2011 haben die Diskussion über die Rolle der Architekten beim Wiederaufbau in eine neue Richtung gelenkt. Ein Paradigmenwechsel ist erkennbar, der zu einer neuen Form der interdisziplinären Auseinandersetzung mit dem Thema geführt hat. So stellt sich nicht nur die Frage, wie es zehn Jahre nach dem Orkan um den Wiederaufbau der Stadt steht, sondern auch, welche landesweite Bedeutung Katrina für neue Strategien zur Bildung von Resilienz gegen Katastrophen und Unsicherheiten hat.

Text: Kammerbauer, Mark, München

New Orleans verfügt heute über ein rundum erneuertes, 14 Milliarden Dollar teures Deichsystem. Die Bevölkerungszahl liegt stadtweit bei 90 Prozent des Stands vor Katrina. Die ethnische Verteilung hat sich jedoch verschoben, der Anteil der African Americans ist wesentlich geringer geworden. Vor Katrina war New Orleans bereits von ethnischen Konflikten und sozialen Ungleichheiten geprägt, die auch in der historischen Siedlungsstruktur ablesbar sind. Durch die Evakuierung und die Diaspora nach dem Orkan brach die Bevölkerungszahl dramatisch ein. Mittlerweile lässt sich in einigen Stadtteilen sogar ein Bevölkerungszuwachs verzeichnen. Wie stark die Abwanderung armer und schwarzer Bewohner nach dem Orkan war, wird jedoch nach wie vor durch ein Viertel versinnbildlicht: das Lower Ninth Ward, das nur zu 35 Prozent wieder bewohnt ist.
NGOs haben sich im Lower Ninth Ward am Wiederaufbau beteiligt, darun-ter die prominente „Make It Right“-Initiative und lowernine.org, die mit Hilfe von Freiwilligen die Häuser von Betroffenen wieder aufbauen, oder das Preservation Resource Center, deren Wiederaufbaumaßnahmen an denkmalpflegerischen Gesichtspunkten orientiert sind. Diesen Initiativen ist es gelungen, eine öffentliche Aufmerksamkeit zu schaffen und mit Spenden, Subventionen und Idealismus zahlreiche Projekte zu realisieren.
Für Laura Paul, Leiterin von lowernine.org, ist der Wiederaufbau noch nicht abgeschlossen. Die Organisation hat bisher 75 Wohnhäuser wieder aufgebaut und an der Renovierung von 200 weiteren Häuser mitgewirkt. Das Preservation Resource Center legt seinen Schwerpunkt auf den südlichen, entlang des Mississippi gelegenen, historischen Teil des Lower Ninth Ward. Hier wurden ebenfalls knapp 40 Häuser instandgesetzt oder neu gebaut.
Dennoch ist insbesondere der nördliche Teil des Quartiers von leerstehenden Grundstücken geprägt. Zu den Gründen für diese Situation gehören politische, sozio-ökonomische und planerische Defizite. So wurden im Rahmen des Wiederaufbauprogramms „Road Home“ Förderungen auf der Berechnungsgrundlage des Immobilienwertes vor dem Orkan bewilligt. Dadurch wurden aber schwarze Bewohner von Häusern in den ärmeren Vierteln wie dem Lower Ninth Ward klar benachteiligt. Das Programm blendete die bestehenden Ungleichheiten in New Orleans schlicht aus. Es wurde auf Grundlage eines Aktionsplans des Staates Louisiana über
die föderale Struktur des Katastrophenmanagements in den USA finanziert. Erst jetzt, zehn Jahre später, führte eine bundesgerichtliche Entscheidung zu einem finanziellen Ausgleich für die benachteiligten Hauseigentümer.
Das in New Orleans ansässige Architekturbüro Waggoner & Ball hat mit dem „Urban Water Plan“ eine neue stadtplanerische Strategie zum Wiederaufbau entwickelt. Sie stellt nicht die Kontrolle über das Wasser, sondern vielmehr das Leben mit dem Wasser in den Vordergrund. In den „Dutch Dialogs“ mit niederländischen Kollegen holte man sich Anregungen zum Umgang mit Hochwassern. Gemeinsam mit der Bevölkerung wurden Ziele erarbeitet, die Leitbilder für die zukünftige Stadtplanung formulieren wie auch Teilprojekte auf Quartiersebene umfassen. Dazu gehören die „Mirabeau Water Gardens“ im Stadtteil Gentilly. Der zehn Hektar große Park integriert Wasserrückhaltebecken und Filteranlagen sowie Bade- und Freizeitaktivitäten. Resilienz bedeutet hier, notwendige Schutzmaßnahmen mit sozialer Infrastruktur zu kombinieren.
Die Erfahrungen in New Orleans führten in den USA landesweit zu einem Umdenken. Bereits mit Amtsantritt beauftragte Präsident Obama die Bundesministerien für Stadtentwicklung und Heimatschutz damit, eine neue Krisenreaktionsstruktur zu entwickeln. Die während und nach Katrina gemachten Fehler sollten in Zukunft vermieden werden. Als Orkan Sandy 2012 die Ostküste der USA traf, wurde auf dieser Grundlage der regionale Wiederaufbau geplant – im Sinne einer Vorsorge, die einen nachhaltigen Schutz vor Katastrophen zum Ziel hat. Henk Ovink, niederländischer Planungsspezialist, leitete den dazugehörigen Wettbewerb „Rebuild By Design“. Jedoch erschwert die weiterhin bestehende organisatorische Trennung zwischen Nach- und Vorsorge ganzheitliche Ansätze, die Kollaboration, Innovation und Design zu integrieren suchen. Der Erfolg von architektonischen und planerischen Maßnahmen hängt so nicht zuletzt vom Idealismus der Beteiligten ab.
Zu den nach Katrina gewonnenen Erkenntnissen zählt, dass solche Katastrophen nicht „natürlich“ sind, sondern eine Verkettung von menschlicher Besiedlung, mangelhafter Planung und ungenügender Widerstandsfähigkeit. Das Ziel der Kontrolle über die Natur wird jedoch zunehmend durch die Entwicklung interdisziplinärer und integrierter, sozial orientierter Ansätze und Strategien abgelöst, die die Lebensumstände der Bewohner berücksichtigen. Die Achillesferse bleibt die soziale Verwundbarkeit der Betrof-fenen, bedingt durch Armut und fehlende Chancengleichheit. Architekten als Planer und Gestalter stehen in der Verantwortung, ethisch angemessene Lösungen für resiliente Architekturen, Siedlungsräume und Regionen zu entwickeln.

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