Bauwelt

Mailänder Verspanntheit

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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    Das ehemalige Messegelände im Stadtzentrum von Mailand wurde nach einem undurchsichtigen Bieterverfahren an die Allianz- und Generali-Gruppe verkauft.
    CityLife S.p.A.

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Hadid Residenze
Sebastian Redecke

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Libeskind Residenze
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Libeskind Residenze

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Mailänder Verspanntheit

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Stefano Boeri versucht es mit einem vertikalen Wald, Zaha Hadid mit einem Kreuzfahrtschiff und Daniel Libeskind mit tanzenden Türmen: Den teuren Wohnungsbau im Zentrum von Mailand bestimmen formale und konzeptionelle Laxheit. In dieser Vielfalt der Ideen zeigt sich eigentlich nur eine Gleichgültigkeit und Arroganz gegenüber der Stadt.
Die Tram Nr. 27 rumpelt auf alten Gleisen vom Zentrum kommend die Via Vincenzo Monti entlang. Castello Sforzesco und Triennale-Palast sind nicht weit. An der Piazza Sei Febbraio ist Endstation – auch für das vertraute Mailand. Vor einem liegt das frühere Messegelände. Da die Fiera di Milano aus allen Nähten platzte, zog man vor neun Jahren nach Rho-Pero in den Speckgürtel um (Bauwelt 40–41.2004). Das Areal im Stadtzentrum wurde nach einem undurchsichtigen Bieterverfahren an die Allianz- und die Generali-Gruppe verkauft, die das CityLife-Projekt vorschlugen. Damals war Eile geboten, der Verkauf sollte das neue Messegelände mitfinanzieren. Die drei geplanten, beziehungslos herumstehenden Bürotürme in der Mitte des Areals, von Zaha Hadid, Daniel Libeskind und Arata Isozaki, sind bekannt – sie wurden bereits kurz nach Aufgabe des Messegeländes vorgestellt, aber immer noch nicht gebaut. Das Projekt leidet aufgrund der Wirtschaftskrise im Land an chronischem Geldmangel. Nur der Rohbau des 202 Meter hoch geplanten Isozaki-Turms ist beim fünften Geschoss angelangt. Bei den Wohnbauten sieht es anders aus. Nach dem Verlassen der Tram steht man schnell vor einem Bauzaun mit der großen Schautafel eines Interieurs der „Residenze Hadid“. Die Stars Hadid und Libeskind haben sich auch dem Wohnen zuwenden dürfen. Ihre Gebäude bilden ohne ein ersichtliches städtebauliches Konzept an zwei Seiten den Rand des Geländes, das ansonsten u.a. mit 1500 Bäumen viel Grün anbieten soll. Bei Hadid sind gekurvte, unterschiedlich sich auftürmende Gebilde zu sehen – ohne eine für den Betrachter erkennbare Erklärung im Wechsel mit weißen Blechen oder Holzlamellen verkleidet. Von den Querstraßen kommend vermutet man ein Kreuzfahrtschiff, das mitten in Mailand angelegt hat. Eine Spaziergängerin mit Berner Sennenhund, die gleich nebenan wohnt, ist empört. Für sie ist es eine „architettura di plastica“, die nichts taugt, beschämend für die Stadt. Man fragt sich in der Tat, wie es dazu kommen konnte, eine Mailänder Wohn- und Lebensweise auf diese Weise über Bord zu werfen. Das Neue hat nichts mit der Stadt und ihrer Geschichte zu tun, ist völlig autark, wie für die Vorstadt entstanden. Erklärt wird dies mit einem neuen Stadtquartier, das ganz anderen Prämissen folgt. Im Vordergrund stehe etwas unbedingt Neuartiges, und dies muss sich auch architektonisch abbilden. Schaut man sich die fünf bis dreizehn Geschosse hohen Energiesparhäuser an, sehnt man sich schon jetzt nach dicken Mauern, die in den heißen Sommermonaten Kühle bieten. Noch sind die Bauten nicht fertig, und man sollte abwarten, wie die Bilanz aussieht. Skepsis ist angebracht.  
Libeskind tanzt
Ein Stück weiter wurde Daniel Libeskind platziert. Es handelt sich um acht bis dreizehngeschossige Wohnbauten – on the Top mit Penthouses der äußersten Luxus-Klasse. Jedes Geschoss ist etwas anders ausgebildet, man glaubt durch die leichten Schwünge die Türme in Bewegung, eng zusammengerückt „tanzend“. Die „Hütten“ oben drauf, mit Blick auf Dom und Berge, sind verkauft. Unten sieht es düster aus. Hinter vorgehaltener Hand ist zu erfahren, dass das Büro Libeskind die Wohnungen zu kleinen Einheiten umgeplant hat, damit sie Käufer finden. Der durchschnittliche Quadratmeterpreis liegt zurzeit noch bei 8500 Euro.
Bosco verticale
Nicht weniger prominent, am zentral gelegenen Bahnhof Porta Garibaldi – auf halber Strecke zwischen dem CityLife-Areal und dem Hauptbahnhof – tut sich seit einigen Jahren Gewaltiges. Im Mittelpunkt steht die neue Bankzentrale von UniCredit, für die Cesar Pelli & Associates verantwortlich zeichnen. Weitere Türme sind fertiggestellt, andere, z.B. von Pei Coob Freed & Partners, noch in Bau. Hier entsteht ein Finanzzentrum – nach Frankfurter Art, das ist Mailand ganz wichtig. Neben diesen in der Sonne glitzernden Glashochhäusern und dem Bahnhof ragen zwei Wohntürme vom Studio Boeri empor, denen man den Namen „Bosco verticale“ gab, der vertikale Wald (Foto links). Der Mailänder Architekt Stefano Boeri hatte die Idee, in der Stadt Wohnen zu stapeln und den Bewohnern vor ihren Fenstern einen Sauerstoff spendenden Laubwald anzubieten. Auf seinen Renderings sieht man nur Baumkronen und Büsche, auf ganzer Höhe. Vor kurzem wurden die verschiedenen Bäume auf den Balkonen gepflanzt. Eigentlich nichts Neues. Wer Mailands Innenstadt kennt, weiß, dass es jede Menge begrünte Terrassen, begrünte Fassaden, ja ganze Gärten mit Bäumen auf Flachdächern und versteckte grüne Höfe gibt. Mailand ist in dieser Hinsicht beachtlich. Nun soll nicht der Eindruck entstehen, man versperre sich mit dieser Kritik jedem neuen Gedanken im Städtebau an einem gewachsenen Ort. Neue Entwicklungen, die Impulse geben und die Wohnsituation verbessern, dürfen in einer Stadt nicht fehlen. Doch hier reduziert sich alles auf die Verpackung, ein wichtigtuerisches Spektakel, das partout „unique and unrepeatable“ sein muss für eine geldbringende, von der Stadt demonstrativ losgelöste Wohnimmobilie. 
Fakten
Architekten Hadid, Zaha, London; Libeskind, Daniel, New York; Boeri, Stefano, Mailand
aus Bauwelt 21.2013
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