Bauwelt

Mailand müht sich mit der EXPO

Text: Rocca, Alessandro, Mailand

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Mailand müht sich mit der EXPO

Text: Rocca, Alessandro, Mailand

Ende Juni dankte der Bürgermeister als offizieller Beauftragter die EXPO 2015 ab. Er sah den verbleibenden Zeitraum für die Planung als zu knapp an. Nun quält er sich doch weiter mit dem Projekt seiner Vergängerin im Amt.
Nach einem interessanten konzeptionellen Ansatz mit „gesunden Äckern“ für jedes Land und einer Strada d’Acqua ist nun wieder eine übliche Pavillon-Anreihung mit viel Rummel drum herum zu befürchten.

Die Geschichte der EXPO 2015 ist bis jetzt eng mit den Wirrnissen der Lokal- und Landespolitik verflochten gewesen. Die dramatische Abfolge von Ereignissen steigert die Neugier auf ein Finale, das unter den gegebenen Voraussetzungen in jedem Fall überraschen wird. Alles beginnt am 31. März 2008, als die Stadt diese Veranstaltung für sich gewinnt. Die Mitbewerberin Izmir hatte sie weit überflügelt. Politisch verdient gemacht um diesen Sieg – es ist die zweite Mailänder EXPO nach 1906 – hat sich im Wesentlichen die damalige Bürgermeisterin Letizia Moratti aus dem Lager Silvio Berlusconis. Sie vertraute den Masterplan einem Triumvirat von namhaften Persönlichkeiten an: Jacques Herzog von Herzog & de Meuron, Richard Burdett und der Mailänder Architekt und frühere Domus-Chef­redakteur Stefano Boeri. Am 8. September 2009 legen sie als Ergebnis ihrer Zusammenarbeit jenen Entwurf vor, der im Großen und Ganzen auch heute noch die Grundlage des EXPO-Projekts bildet. Danach beginnt das Durcheinander: 2010 entschließt sich Boeri, meiner Ansicht nach der wichtigste Inspirator des Projekts, für das Bürgermeisteramt von Mailand zu kandidieren. Er verlässt plötzlich das von Moratti betriebene Projekt EXPO und kritisiert es zudem auch noch. In den Vorwahlen der Partito Democratico fordert er den Gegenkandidaten Giuliano Pisapia heraus. Für Boeri, jünger und rhetorisch gut, scheint ein Sieg in greifbarer Nähe, aber es gewinnt Pisapia, ein Rechtsanwalt und ehemals militanter Anhänger der extremen Linken. Pisapia schlägt auch Moratti und wird am 30. Mai 2011 neuer Bürgermeister von Mailand. Und Boeri? Wird er zum Kulturreferenten mit Vollmacht für die EXPO ernannt? Erst ja, dann doch nicht. Das Ergebnis ist, dass die Mailänder Weltausstellung nun niemandem mehr zu gefallen scheint. Bürgermeister Pisapia ist im Juni dieses Jahres vom Amt des besonderen EXPO-Beauftragten zurückgetreten und hat der Regierung den Job vor die Füße geworfen. Dann ging es irgendwie doch wieder weiter. Aber warum? Sind es die zu erwartenden Immobiliengeschäfte? Die sind sicher enorm auf einem Areal von 1,7 Millionen Quadratmetern. Ein riesiges Terrain, das sich zwischen der Stadt und Mailands neuem Messegelände in Rho (Bauwelt 40–41.2004) erstreckt und mit großer Sicherheit viel Raum für die Investoren bietet, immer unter der Prämisse, dass die italienische Wirtschaft die Finanzkrise überlebt, die zuletzt zum Konkurs der Firmengruppe von Salvatore Ligresti führte. Ligresti zählte zu den Hauptfiguren auf dem Immobilienmarkt Mailands. Schon 2010 hatte er sich mit einem Projekt für einen Stadtteil im Stil von „La Défense“ mit 50 Wolkenkratzern am Rande des EXPO-Geländes in Stellung gebracht. Die Expo ist also dabei, sich in typisch italienischer Manier zu entwickeln, zwischen politischen Hinterhalten, Spekulationen, Einflussnahmen sowie einer generellen Unsicherheit über die Mittel.

Den Planeten ernähren, Energie für das Leben
Das EXPO-Thema „Feeding the Planet. Energy for Life“ erscheint mir nicht banal, sondern auf der Linie der globalen Argumente, die heute auf der Agenda stehen und die, je mehr sich die weltweite Finanzkrise verschärft, an Aktualität gewinnen. Außerdem ist für mich das Thema auch eng mit der Esskultur verbunden, die in Italien tiefer verwurzelt und reicher ist als in anderen Ländern! Ein anderer Aspekt, den ich bei dem Projekt als vielversprechend erachte, ist die Qualität des Masterplans aufgrund seiner Leichtigkeit und Flexibilität. Es handelt sich um ein einfaches Konzept; angelegt an einer 1,4 Kilometer langen Hauptachse, dem Decumanus, reihen sich die nationalen Pavillons aneinander, die man sich mit experimentelle „Nutzgärten“ kombiniert vorzustellen hat. Das Gesamtbild des ursprünglichen Entwurfs ähnelt einem immensen, gut organisierten Nomadenlager, eine Myriade leichter temporärer Bauten, mit wenigen Hauptgebäuden: dem Palazzo Italia, dem Expo-Center mit großem Auditorium und dazu Büros. Natürlich wird die Qualität der endgültigen Wirkung stark von den Beiträgen der teilnehmenden Länder (bis Juni 2012 sind es schon 88) abhängen, die ihre eigenen Pavillons unabhängig vom Gesamtentwurf planen. Die Gesellschaft EXPO 2015 AG rechnet mit etwa zwanzig Millionen Besuchern.

Wettbewerbe
Der Gesamtplan nimmt weiter Form an. Ein internationaler Wettbewerb, der im April dieses Jahres entschieden wurde, betrifft die Planung der Dienstleistungsbauten für den Besucherempfang, die Information, Bars und Restaurants. Gewonnen haben die jungen Mailänder Architekten Onsitestudio mit Li­verani/Molteni. Ihr Entwurf basiert auf modularen Einheiten, die in linearen zweigeschossigen Baukörpern angeordnet sind. Eine Stützenstruktur, meist in dynamischer Schrägstellung, wird zum wiederkehrenden Element, das die in regel­mäßigen Abständen rechtwinklig vom Decumanus abzweigenden Bauten kennzeichnen soll. Die EXPO hat von Anfang an auch ein eigenes Büro, Ufficio di Piano (UdP), unter der Leitung des Architekten Ciro Mariani eingerichtet. Zum UdP gehören etwa 15 Architekten und Ingenieuren. Es bringt alle städtebaulichen, architektonischen, landschaftsplanerischen und bautechnischen Phasen voran und übernimmt die Vorplanung der Hauptgebäude, die dann zu Wettbewerben ausgeschrieben werden sollen, und es wickelt das gesamte Projekt im Sinne der LEED-Zertifizierungen ab. Ein Zweifel lastet auf den besonderen Gebäuden wie dem Palazzo Italia und dem Auditorium: Die italienischen Architekten erwarten Wettbewerbe, nach dem Stand der Dinge erscheint dies aber nicht mehr so sicher.

Fragen
Ciro Mariani ist mein Kollege in der Architekturfakultät am Politecnico di Milano. Auf meine Frage nach dem Besonderen der Mailänder EXPO antwortete er: „Hier ist der Hauptdarsteller die Landschaft, und jeder Entwurf wird zurückgeführt auf eine Gesamtform mit klaren Prinzipien. Es hebt sich aber auch das Projekt der Via d’Acqua hervor, das weiträumig Gebiete nördlich und südwestlich Mailands mit einbezieht. Dabei werden viele Kanäle und Wasserläufe (Navigli) wieder hergestellt und mit einem Fuß- und Radwegesystem versehen. Nach der EXPO wird vor allem diese Via d’Acqua bleiben“. Auf die Frage, ob der Terminplan nicht viel zu knapp bemessen sei reagiert Mariani gelassen: „Wir liegen mit allem genau im Zeitplan.“ 

Übersetzung aus dem Italienischen: Iris Lüttgert

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