Bauwelt

„Meine Großmutter bekommt eine Rampe zum Balkon“

Interview mit dem Architekten und FDP-Abgeordneten Sebastian Körber

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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Sebastian Körber
Foto: Sebastian Redecke

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Sebastian Körber

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„Meine Großmutter bekommt eine Rampe zum Balkon“

Interview mit dem Architekten und FDP-Abgeordneten Sebastian Körber

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Der FDP-Abgeordnete Sebastian Körber ist 32 Jahre alt und in dieser Legislaturperiode der einzige in seinem Beruf tätige Architekt im Deutschen Bundestag. Wir haben ihn in seinem Wahlkreis im oberfränkischen Forchheim besucht und ihn zu seinen politischen Zielen, seinen Wünschen als Planer und seinen persönlichen Interessen befragt.
Herr Körber, warum bauen Sie zurzeit Ihr Haus um?

Meine Urgroßeltern haben das Haus gebaut. Zuletzt haben meine Eltern im Garten einen Anbau hinzugefügt. Ich bin die vierte Generation, die das Haus umbaut. Heute lebt im Erd­-geschoss meine Großmutter, meine Eltern wohnen im Anbau. Hier im ersten Obergeschoss ist auch mein Wahlkreisbüro. Oben im Dachgeschoss ist meine Wohnung. Meine Großmutter bekommt eine Rampe zum Balkon als Eingang. Es gibt neue Fenster und eine neue Heizung, aber keine Wärmeverbundverkleidung. Auf dem Dach werden noch Solarmodule zur Warmwasserunterstützung montiert. Nach den Umbau­ten wird das Mehrgenerationenhaus energieeffizient, altersgerecht und im Erdgeschoss nahezu barrierefrei sein.

Wo ist Ihr Architekturbüro?

Ich bin Gesellschafter eines Planungsbüros mit Firmen­hauptsitz in Bad Tölz. Dort haben wir mit einem Architekturbüro fusioniert. Hier in Forchheim gibt es einen Kollegen, mit dem ich auch zusammenarbeite. In Bamberg ist eine Zweigstelle.

Finden Sie als Politiker die Zeit, um zu entwerfen?

Ja, aber nicht in den Details. Vorhin hat mich ein befreundeter Unternehmer gefragt, ob ich ihm für seine Villa ein klei­nes, zusätzliches Bad im Schlafzimmer planen kann, damit er keinen zu weiten Weg mehr hat. Entwerfen ist für mich fast schon entspannend, gerade aus dem politischen Kontext heraus. Ich sitze häufig spätabends in meinem Berliner Abgeordnetenbüro und zeichne etwas. Momentan arbeite ich durchschnittlich fünf Stunden in der Woche als Architekt.

Trifft es zu, dass Sie der einzige Architekt in der XVII. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages sind?


Im Beruf tätig, so weit ich weiß, ja. Ich habe eine Kollegin in der FDP-Fraktion, eine Kollegin bei der Linken und zwei bei den Grünen. Die zwei bei den Grünen sind Baudezernentinnen und waren in der Verwaltung tätig, also im Baurecht zu Hause, bei der Kollegin der Linken kenne ich die Biographie nicht so genau. Ich glaube, sie ist Bauzeichnerin und konnte sich in der ehemaligen DDR weiterqualifizieren. Die Kollegin in der FDP-Fraktion ist als Architektin u.a. bei ei­ner Fernsehsendung zum Thema „Wohnen“ tätig gewesen.

In welcher Form engagieren Sie sich im Bundestag für die Belange der Architekten?

Ich befasse mich zurzeit u.a. mit der Novelle der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, die jetzt im Wirtschaftsministerium fertiggestellt wird. Ich kümmere mich auch um den altersgerechten Umbau. Das ist etwas, wo wir als Architekten künftig sehr gefordert sein werden. Das dritte Thema ist die energetische Gebäudesanierung. Beim vierten Thema geht es darum, dem Architekten mehr Verantwortung und Spielraum zu lassen, ihn nicht noch mehr in ein zu strenges Vorschriftenkorsett zu zwängen. Ein weiteres Thema ist die Novellierung der Baunutzungsverordnung im Baugesetzbuch. In dieser Sache verhandele ich als baupolitischer Sprecher der FDP. Mir ist wichtig, dass wir im Bereich der Stadtentwicklung und des ländlichen Raums der Innenentwicklung den Vorrang geben. Viele Dorfkerne verwaisen mehr und mehr, trotzdem werden Neubaugebiete ausgewiesen. Mein Kollege Peter Ramsauer ist leider vor allem Verkehrsminister. Da will ich ihm persönlich gar keinen Vorwurf machen. Seit es ein Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gibt, ist es immer verkehrslastig. Das Paradoxe ist aber, dass die Logistik- und Verkehrsbranche nur einen Anteil von 7 bis 8 Prozent am Bruttoinlandsprodukt ausmacht, bei der Bau- und Immobilienbranche sind es 14 bis 18 Prozent, also doppelt so viel. Man bräuchte mehr Beachtung und Gewicht im Bauministerium, um diesen Belangen mehr Raum zu geben.

Was prägt heute Ihre Stadt Forchheim?

Forchheim hat einen wunderschönen historischen Stadtkern mit Fachwerkbauten und einer kleinen Fußgängerzone. Die Stadt mit ihren 31.000 Einwohnern profitiert von der geographisch günstigen Lage, eingebettet im Regnitztal zwischen Nürnberg, Bamberg und der Fränkischen Schweiz. Siemens hat hier sein größtes Werk im Medizintechnikbereich, etwa jede vierte CT-Untersuchung wird weltweit mit einem Computertomographen aus Forchheim durchgeführt.

Und die Probleme?

Ja, die gibt es. Zum Beispiel die Bebauung am Paradeplatz nach dem Abriss von vier Altbauten. Dort war eine sehr unschöne, großflächige „Parkhausarchitektur“ – so bezeichneten es viele Bürger – vorgesehen. Der Entwurf wurde überarbeitet. Jetzt kann man damit leben.

Möchten Sie einen Neubau in Forchheim als sehr gelungen hervorheben?


Es gibt zwei schöne Gewerbebauten. Einige Einfamilienhäuser sind auch ganz schön. Ich bin ein großer Sanierungsfan.

Was war das Thema Ihrer Diplomarbeit an der TU München?

Mit einem Kollegen aus Bamberg haben wir uns in Nürnberg eine große Leerstandsfläche ausgewählt, das sogenannte Augustinerhofareal. Dafür hatte Helmut Jahn einen Entwurf mit einer Einkaufspassage geliefert. Eigentlich falsch, weil eine Passage ja etwas verbinden soll. Hier hätte sie nichts verbunden. In Nürnberg nannte man den Entwurf „aufgeschnittene Bratwurst“. Wir haben uns gesagt, wir machen einen anderen Vorschlag. Nürnberg braucht ein schönes, luxuriöses Hotel mit großen Zimmern. Wir haben bei unserem Entwurf das Hotel mit Apartments und Büros in die Struktur integriert.
 
Wer war Ihnen während des Studiums besonders wichtig?

Ich habe heute im Büro modernste Technik, bin aber sehr dankbar, dass ich noch mit der Hand zeichnen lernen durfte, mit Bleistift und auch mit Tusche, und schnell eine Skizze anfertigen kann. Jüngere Kollegen können das nicht mehr. Professor Theodor Hugues hat uns stark zum Freihandzeichnen angeregt. Ich war nie der Beste, aber konnte es. Im Fach Kunstgeschichte waren wir in der Alten Pinakothek und mussten Bilder interpretieren. Ich habe mich damals immer gefragt, was hat das denn mit Architektur zu tun? Heute weiß ich es. Da ich sehr kunstinteressiert bin, habe ich „Die vier Apostel“ von Albrecht Dürer bearbeitet.

Welche zeitgenössischen Architekten schätzen Sie?


Peter Zumthor, Volker Staab, Carlo Scarpa, John Lautner, Frank Lloyd Wright.

Scarpa ist schon lange tot. Bei Scarpa könnten Sie auch Schattner sagen.

Ja, das stimmt. Ich habe seine Bauten in Eichstätt besucht.

Und in der Baugeschichte?

Vor allem die Epoche des Jugendstils. Dieses Jahr werde ich in Barcelona sein und die Bauten von Gaudí besuchen. Beeindruckend finde ich auch Adolf Loos. Bei Le Corbusier schätze ich besonders seine Villen. Er hatte ein einziges Material und entwickelte mit seinem Mut, seiner Radikalität daraus Architektur. Das gibt es heute leider überhaupt nicht mehr.

Sie haben Freude am Sichtbeton?

Wenn ich mir ein Haus neu bauen würde, dann wäre es eine Schachtel, in der Mitte ein Atrium, das ist die Bibliothek, da sind ringsherum Bücherregale. Es gibt keinen Flur, vom Hof gehen ähnlich wie bei Frank Lloyd Wright oder Le Corbusier kleine Zimmer ab. Innen alles in Holz und außen Sichtbeton. Eine Schachtel also, nur mit Fensterschlitzen, in der Mitte ein Glasatrium und ringsherum ein paar Zimmer, wo man auch eine Arbeitsecke hat.

Wie bewerten Sie die Berliner Hauptstadtplanung?


Leider als völlig unzureichend, auch die Bahnhofsplanung. Man ist schlecht ein- und angebunden. Gut finde ich die städtebauliche „Büroklammer-Idee“ der Bundestagsgebäude und das Bundeskanzleramt. Es gibt außerdem eine Reihe guter Botschafts- und Landesvertretungsgebäude. Das Sony Center am Potsdamer Platz ist reine Sensationsarchitektur.

Ich habe gelesen, dass Sie Mitglied der Bruderschaft Sebastiani sind.

Der Heilige Sebastian ist der Schutzpatron gegen die Pest und in einer mittelalterli­chen Stadt wie Forchheim von einiger Bedeutung. Man trifft sich einmal im Jahr zur Prozession. Das hat Familientradition.

Sie interessieren sich privat für Kunst. Dürer haben Sie ja schon genannt.

Ich begeistere mich für historische Karten und Drucke. Auch sammele ich Jugendstilkunst, nur kleinere Objekte, da ich wenig Platz habe. Ich mag aber auch moderne Kunst, Grafiken von Beuys und Christo habe ich ein paar, außerdem Werke von Ottmar Hörl und etwas Fotokunst. Auch Spitzweg finde ich faszinierend. Er hat die Gesellschaft in Bildern veralbert, und die Leute haben es nicht gemerkt.

Sie sind erst als Student in die Partei eingetreten?


Ja, relativ spät, 2004. Ich bin ein Quereinsteiger. Mit 16 Jahren bin ich aufgeschreckt, als die damalige und auch heutige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wegen des Großen Lauschangriffs zurücktrat, da sie das nicht verantworten konnte. Ich habe dann begonnen, mich verstärkt für Politik, besonders für die Bürgerrechte zu interessieren. Für mich war damals klar, meine Partei ist die FDP. Mit 26 Jahren war ich wohl der jüngste Architekt in Bayern, weil ich zum ersten Jahrgang gehörte, wo man sich nach zwei Jahren Berufserfahrung Architekt nennen durfte. Man kann als freier Architekt gutes Geld verdienen, trägt allerdings selbst die Risiken. Ich habe in Forchheim den Kreisvorsitz der FDP übernommen. Innerhalb von einem Jahr hat­ten wir doppelt so viele Mitglieder in der Stadt. Dann ist der Landes- und Bezirksvorstand an mich herangetreten, ob ich mir vorstellen könnte, auf einem Listenplatz in Oberfranken für den Bundestag zu kandidieren. Man musste sich dann als Quereinsteiger durchsetzen. Ich bin jemand, der immer seine Meinung sagt, und froh darüber, dass ich wirtschaftlich unabhängig bin und jederzeit wieder im Architekturbüro als Geschäftsführender Gesellschafter voll arbeiten kann.  
Fakten
Architekten Körber, Sebastian, Forchheim
aus Bauwelt 29.2012
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