People meet in architecture 2
Text: Geipel, Kaye, Berlin; Redecke, Sebastian, Berlin
People meet in architecture 2
Text: Geipel, Kaye, Berlin; Redecke, Sebastian, Berlin
Neue Sichtweisen am Golf, ein deutscher Regisseur, der die Direktorin der 12. Architekturbiennale auf dem Segway filmte, das Bekenntnis zum kleinen, leichten, mit neuen Möglichkeiten bespielten Lebensraum und der auf einer Werft in Kraljevica gefertigte schwimmende Pavillon, der die Giardini nicht erreichte.
Das Königreich und das Meer | Der Goldene Löwe für den besten nationalen Pavillon ging an das Königreich Bahrain, das zum ersten Mal an einer Biennale teilnimmt. Sein Beitrag „Reclaim“ (Rückforderung) wirft einen analytischen und kritischen Blick auf die durch Großprojekte und andere Lebensformen veränderte Bindung zum Meer vor der Küste des Inselstaats. Der wunderbar gemachte Katalog zeigt mit Fotos und kleinteiligen Plänen sehr eindrücklich diese Umwälzungen und lädt zum Innehalten ein. Dies gelingt auch bei den drei Fischerhütten im Arsenale. Dort Platz genommen, kann man auf Bildschirmen Interviews mit Architekten des Landes verfolgen, die über ihre Beziehungen zum Meer erzählen. Ein eindringlicher Beitrag, der vielleicht nur die Frage stellt, wie die Hütten als Erbe geschützt werden können.
Wim Wenders | Es ist der große Stolz von Rolex, sich auf der
Architekturbiennale mit zwei Akteuren, Kazuyo Sejima und Wim Wenders, zu präsentieren. Das gemeinsame Werk „If buildings could talk...“, ein Film über das Rolex Learning Center in Lausanne (Bauwelt 13.10), ist gleich im zweiten Raum des Arsenale mit 3-D-Brille zu bewundern, ein geschmeidiger Kurzfilm, dessen Professionalität Wenders Handschrift unverkennbar aufblitzen lässt. Kameramann Jörg Widmer saust von oben, von unten, von allen Seiten durch das Gebäude oder einfach nur darüber hinweg. Tag und Nacht ist er mal schnell und mal langsam unterwegs und zeigt die Menschen, die dort arbeiten. Die Putzfrau ist ganz allein und denkt vielleicht über das Leben nach, der Student schließt die Augen und träumt vielleicht von Toblerone. Eine süße Musik plätschert im Hintergrund. Und dann, zur Überraschung, rollt Kazuo mit Partner Ryue per Segway durchs Bild. Was für ein kostbares Sponsor-Geschenk an die Architekten! Rolex-Direktor Jacques Baur erzählt uns beim Empfang auf der Terrasse des Gritti Palace, dass der exquisite Uhrenhersteller den Wenders-Werbefilm komplett finanziert habe und sich schon darauf freue, ihn auf allen Promotion-Meetings rund um die Welt zeigen zu können.
Architektur und Krise | Kazuyo Sejima erhielt den Zuschlag für die Leitung der Biennale ein Jahr nach dem Zusammenbruch der Lehmann Brothers. Von einer Krise und deren Bewältigung ist in Venedig wenig zu sehen. Es gibt Stellen, wo sich die Biennale in einer wattierten ästhetischen Schönheit erschöpft, etwa wenn der sonst so treffsichere Walter Niedermayr in puppenblassen Farben Großfotos zeigt von öffentlichen Räumen im Iran. Andrerseits: Diese Biennale verzichtet fast völlig auf grandiose Großprojekte; bis auf zwei, drei Ausnahmen bekommen die Besucher keines jener Icon-buildings zu sehen, mit denen sich viele große Architekten in den letzten Jahren vergaloppiert haben. Sejimas Biennale ist auch ein Bekenntnis zum kleinen, leichten, mit neuen Möglichkeiten bespielten Lebensraum. Wenn Selgas Cano gebrauchte Alltagsgegenstände in Vakuum verpacken und daraus leichte Wände machen, wenn Piet Oudolf in den Gärten vor dem Arsenale Gräser arrangiert, oder wenn Sou Fujimoto leichte Strukturen, die ein Wohnen auf mehreren Ebenen deutlich machen, in der Luft pendeln lässt – dann wird hier sichtbar, wie der Raum um die Nutzer plötzlich wieder wichtig geworden ist, nach Jahren, in denen sich Architektur vor allem über Bigness definierte.
Bleeding in architecture | Kroatien hat keinen eigenen Pavillon in den Giardini. Acht vom Kurator Leo Modrcin ausgewählte Büros haben sich für diese Biennale zusammengerauft, um gemeinsam einen schwimmenden Pavillon für Kroatien zu entwerfen. In einer Werft in Kraljevica entstand eine perforierte Struktur aus über 40 Lagen Baustahlmatten, durch schlanke Stahlrohre zusammengehalten und aufgebaut auf einem Lastkahn. Am Samstag der Eröffnung sollte der Kahn am Pier vor den Giardini festmachen. Einer der beteiligten Architekten hatte uns schon im Vorfeld neugierig gemacht: das Ding sei mit seinen pieksenden Stahlstacheln wirklich gefährlich. Nicht „people meet in architecture“, sondern „people bleed in architecture“ könne das Motto der Biennale hier nur lauten. Allein ein schlankes Geländer sorge für die Sicherheit der Gäste. Am Ende musste niemand bluten. Wegen eines Unwetters kam der experimentelle Sonderbau auf der Überfahrt zu Schaden. „Unerwartete dynamische Kräfte“ hätten ein Unglück verursacht, so erläuterte uns der Kurator Modrcin. Der Pavillon landete deshalb nicht im Arsenale, sondern in einem Trockendock vor den Toren der Stadt. 2012 werden wir auf diesen Pavillon gern ein zweites Mal geduldig warten.
Wim Wenders | Es ist der große Stolz von Rolex, sich auf der
Architekturbiennale mit zwei Akteuren, Kazuyo Sejima und Wim Wenders, zu präsentieren. Das gemeinsame Werk „If buildings could talk...“, ein Film über das Rolex Learning Center in Lausanne (Bauwelt 13.10), ist gleich im zweiten Raum des Arsenale mit 3-D-Brille zu bewundern, ein geschmeidiger Kurzfilm, dessen Professionalität Wenders Handschrift unverkennbar aufblitzen lässt. Kameramann Jörg Widmer saust von oben, von unten, von allen Seiten durch das Gebäude oder einfach nur darüber hinweg. Tag und Nacht ist er mal schnell und mal langsam unterwegs und zeigt die Menschen, die dort arbeiten. Die Putzfrau ist ganz allein und denkt vielleicht über das Leben nach, der Student schließt die Augen und träumt vielleicht von Toblerone. Eine süße Musik plätschert im Hintergrund. Und dann, zur Überraschung, rollt Kazuo mit Partner Ryue per Segway durchs Bild. Was für ein kostbares Sponsor-Geschenk an die Architekten! Rolex-Direktor Jacques Baur erzählt uns beim Empfang auf der Terrasse des Gritti Palace, dass der exquisite Uhrenhersteller den Wenders-Werbefilm komplett finanziert habe und sich schon darauf freue, ihn auf allen Promotion-Meetings rund um die Welt zeigen zu können.
Architektur und Krise | Kazuyo Sejima erhielt den Zuschlag für die Leitung der Biennale ein Jahr nach dem Zusammenbruch der Lehmann Brothers. Von einer Krise und deren Bewältigung ist in Venedig wenig zu sehen. Es gibt Stellen, wo sich die Biennale in einer wattierten ästhetischen Schönheit erschöpft, etwa wenn der sonst so treffsichere Walter Niedermayr in puppenblassen Farben Großfotos zeigt von öffentlichen Räumen im Iran. Andrerseits: Diese Biennale verzichtet fast völlig auf grandiose Großprojekte; bis auf zwei, drei Ausnahmen bekommen die Besucher keines jener Icon-buildings zu sehen, mit denen sich viele große Architekten in den letzten Jahren vergaloppiert haben. Sejimas Biennale ist auch ein Bekenntnis zum kleinen, leichten, mit neuen Möglichkeiten bespielten Lebensraum. Wenn Selgas Cano gebrauchte Alltagsgegenstände in Vakuum verpacken und daraus leichte Wände machen, wenn Piet Oudolf in den Gärten vor dem Arsenale Gräser arrangiert, oder wenn Sou Fujimoto leichte Strukturen, die ein Wohnen auf mehreren Ebenen deutlich machen, in der Luft pendeln lässt – dann wird hier sichtbar, wie der Raum um die Nutzer plötzlich wieder wichtig geworden ist, nach Jahren, in denen sich Architektur vor allem über Bigness definierte.
Bleeding in architecture | Kroatien hat keinen eigenen Pavillon in den Giardini. Acht vom Kurator Leo Modrcin ausgewählte Büros haben sich für diese Biennale zusammengerauft, um gemeinsam einen schwimmenden Pavillon für Kroatien zu entwerfen. In einer Werft in Kraljevica entstand eine perforierte Struktur aus über 40 Lagen Baustahlmatten, durch schlanke Stahlrohre zusammengehalten und aufgebaut auf einem Lastkahn. Am Samstag der Eröffnung sollte der Kahn am Pier vor den Giardini festmachen. Einer der beteiligten Architekten hatte uns schon im Vorfeld neugierig gemacht: das Ding sei mit seinen pieksenden Stahlstacheln wirklich gefährlich. Nicht „people meet in architecture“, sondern „people bleed in architecture“ könne das Motto der Biennale hier nur lauten. Allein ein schlankes Geländer sorge für die Sicherheit der Gäste. Am Ende musste niemand bluten. Wegen eines Unwetters kam der experimentelle Sonderbau auf der Überfahrt zu Schaden. „Unerwartete dynamische Kräfte“ hätten ein Unglück verursacht, so erläuterte uns der Kurator Modrcin. Der Pavillon landete deshalb nicht im Arsenale, sondern in einem Trockendock vor den Toren der Stadt. 2012 werden wir auf diesen Pavillon gern ein zweites Mal geduldig warten.
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