Von Luftschlössern und Abrisskampagnen
Das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen zeigt hochkarätige historische Architekturzeichnungen sächsischer Landsitze
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Von Luftschlössern und Abrisskampagnen
Das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen zeigt hochkarätige historische Architekturzeichnungen sächsischer Landsitze
Text: Scheffler, Tanja, Dresden
Schlösser, Herrenhäuser und Rittergüter prägen seit Jahrhunderten vielerorts das Landschaftsbild. In Sachsen sind nach 1945 jedoch rund 200 Landsitze adeliger und bürgerlicher Besitzer verlorengegangen. Sie wurden im Zuge der sozialistischen Bodenreform abgerissen, fielen der jahrzehntelangen Vernachlässigung oder dem Braunkohletagebau zum Opfer.
Das sächsische Landesamt für Denkmalpflege lenkt nun mit einer umfangreichen Ausstellung historischer Architekturzeichnungen den Fokus auf diese Denkmalgattung und ihre wechselvolle, zum Teil tragische Geschichte. Mehr als dreißig ganz unterschiedliche Bauten stellt die von Ulrike Hübner-Grötzsch und Martin Schuster kuratier-te Schau im Ständehaus in Dresden mit sehenswertem Planmaterial näher vor, weitere mit überlieferten Fotos. Die Bandbreite reicht von noch erhaltenen und aufwendig sanierten Landsitzen über Bauten, die in ihrer Bausubstanz akut gefährdet oder bereits zerstört sind, bis hin zu barocken Planungen, die nie ausgeführt wurden.
Das Landesamt für Denkmalpflege besitzt eine hochkarätige Plansammlung mit mehr als 70.000 Architekturzeichnungen aus dem 17. bis 21. Jahrhundert. Diese stehen Bauhistorikern und Denkmalpflegern, Architekten und Bauherren als aufschlussreiches Quellenmaterial zur Verfügung. Anhand dieser Pläne lassen sich die verschiedenen Gestaltungsfassungen einzelner Bauten schlüssig nachvollziehen. So wurde mithilfe einer mit Gouache auf Karton ausgeführten Wandabwicklung aus dem frühen 20. Jahrhundert, die in der Ausstellung präsentiert wird, vor einigen Jahren zum Beispiel das „Goldene Zimmer“ in Schloss Rammenau restauriert.
Sächsischer Canal Grande
Aus dem 18. Jahrhundert sind vor allem farbig lavierte Grund- und Aufrisse von Neu- und Umbauten zu sehen; aus dem 19. Jahrhundert auch illusionistische Darstellungen, bei denen allerlei Details liebevoll perspektivisch eingezeichnet sind: Bäume, die neu angepflanzt werden sollten, oder neue Ausstattungen, die man in die Gebäude einbauen wollte (das reichte bis zu kompletten Brauereianlagen inklusive der einzulagerndenFässer).
Auch sind großformatige, allein schon aufgrund ihre perfekten graphischen Darstellung faszinierende Zeichnungen aus dem Spätbarock zu sehen. Darunter befinden sich eine Serie von Entwurfszeichnungen des bis heute betriebenen Ensembles aus Schloss, Belvedere, Gartenanlage und Weingut am Fuße des Lößnitzer Weinhangs („Wackerbarths Ruh’“) – ursprünglich als Alterslandsitz des Grafen von Wackerbarth erbaut – sowie die nie realisierten Pläne des sächsischen Hofbaumeisters Friedrich August Krubsacius für Schloss Thallwitz bei Wurzen.
Von Eosander von Göthe, der u.a. auch am Berliner Stadtschloss mitwirkte, sind eindrucksvolle Pläne der unter August dem Starken ausgeführten Erweiterung von Schloss Übigau mit flussseitigen Loggien und Bogenhallen, Gartenanlage und Bootsanlegestelle zu sehen. An ihnen wird die damalige Vorstellung des Regenten augenfällig, die Elbe durch eine Reihe neuer Lustschlösser zum sächsischen „Canal Grande“ auszubauen.
Aufschlussreich sind auch die aus der Zeit um 1721 aus dem Umfeld von Johann Christoph Knöffel stammenden Pläne der Pfahlgründung von Schloss Benndorf bei Frohburg: Ein durch Holzschwellen miteinander verbundener Rost mit angespitzten Eichenholzpfählen bildet die Grundlage für das aufgehende Mauerwerk. Zwar wurde Schloss Benndorf bereits in der Frühphase der DDR abgebrochenen, doch geben die Darstellungen bei Schäden an vergleichbaren Gebäuden, von denen keine Pläne überliefert sind (etwa Schloss Wiederau, das durch den Braunkohletagebau stark in Mitleidenschaft gezogen wurde), Hinweise auf die damals üblichen Konstruktionen.
SMAD-Befehl Nr. 209
Eine lange Wand mit Reproduktionen von Fotografien aus den 1930er- und 1940er-Jahren erinnert an hochrangige Renaissance- und Barockschlösser, die ab 1947 gesprengt oder sukzessive abgetragen wurden – in der Folge des Befehls Nr. 209 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD). Gemäß diesem mussten in der Sowjetischen Besatzungszone Adelssitze und Gutshöfe abgebrochen werden, um Baumaterial für die im Zuge der Bodenreform zu errichtenden Neubauernhöfe zu gewinnen. Diese politisch motivierten Abrisse sind auch in den seinerzeit vom Institut für Denkmalpflege beauftragten Bleistiftskizzen des renommierten Bauhistorikers Heinrich Sulze von der Zerstörung des Schlosses Tiefenau präsent.
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