Schönbrunn – ein Dorf baut um
Das bayerische Schönbrunn ist als Ort der Behindertenhilfe bekannt. Die Franziskanerinnen wollen ihn auch für andere attraktiv gestalten. Im Wettbewerb suchten sie Anregungen für den Dorfumbau
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Schönbrunn – ein Dorf baut um
Das bayerische Schönbrunn ist als Ort der Behindertenhilfe bekannt. Die Franziskanerinnen wollen ihn auch für andere attraktiv gestalten. Im Wettbewerb suchten sie Anregungen für den Dorfumbau
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Schönbrunn ist auf den ersten Blick ein ganz normaler Ort. Er ist Teil der bayerischen Gemeinde Röhrmoos, liegt rund 40 Kilometer nördlich von München und hat laut Wikipedia rund 800 Einwohner. Auf den zweiten Blick ist Schönbrunn untrennbar mit dem Franziskuswerk verbunden. Außergewöhnlich viele Menschen mit Behinderung leben dort. 687 waren es im Jahr 2015. Seit 150 Jahren hat sich der Ort nach der Logik der Behindertenhilfe entwickelt und ist heute eine der größten Einrichtungen für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung in Bayern. Abgesehen vom Bereich um Kirche, Schloss und Kloster der Franziskanerinnen erinnert Schönbrunn an vielen Stellen eher an ein Krankenhausgelände. Gebäude entstanden über die Jahre in funktionalem Duktus, die Räume dazwischen meist zufällig. Ein städtebauliches Konzept gibt es ebenso wenig wie eine erkennbare Ortsmitte. Das soll sich ändern. Anlass dafür ist die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung. Seit sie 2008 in Kraft trat, können Behinderte, die früher den Einrichtungen zugewiesen wurden, ihren Aufenthaltsort frei wählen und sind nicht verpflichtet, in besonderen Wohnformen zu leben. Das heißt, Schönbrunn kann sich auf eine konstante Bewohnerzahl nicht mehr verlassen. Die 70 verbliebenen Schwestern des Franziskanerinnenordens haben die Zeichen der Zeit erkannt: Schönbrunn muss attraktiver werden, auch für Menschen ohne Behinderung. Sie sollen sich ansiedeln oder als Tagestouristen die Ortsgeschichte ergründen. Es ist eine Herkulesaufgabe, die gut geplant sein will.
Einen ersten wichtigen Schritt machten die Franziskanerinnen im Januar 2016. Sie gründeten die Viktoria-von-Butler-Stiftung. Ihr Zweck: hilfsbedürftige Menschen begleiten, den Verkündungsauftrag der Franziskanerinnen weiterführen und den Ort Schönbrunn entwickeln. Ihre 38 Hektar Land im Ort und die darauf stehenden Gebäude sind das Kapital der Stiftung.
Ein zweiter Schritt ist der kürzlich entschiedene Wettbewerb. Die acht eingeladenen Büros sollten die Frage beantworten, wie es städtebaulich gelingen kann, aus dem Ort Schönbrunn einen attraktiven Wohn- und Lebensraum für alle Menschen zu schaffen. Auf Basis eines Lageplans, in dem bebaubare Flächen und zur Disposition stehende Gebäude markiert sind, sollten sie unter anderem neue Wohnformen entwickeln, Verbindungen und Räume gestalten, Nutzungsvorschläge für manch altes Gebäude machen und überlegen, wie alles stufenweise bis 2030 und 2050 zu realisieren ist. Eine kooperative Zwischenstufe ermöglichte Rückfragen, die Juryentscheidung fiel anonym.
Morpho Logic (1. Preis) verweisen zunächst auf den nötigen langen Atem und den festen Glauben an die gewählte Strategie. Ihr Vorschlag will die Elemente des geistigen Zentrums um Kirche und Kloster mit dem Dorf verbinden. Im Süden der heutigen Hauptachse formen sie einen langgestreckten ost-westlichen Anger als neues Dorfzentrum. Seine südliche Kante bilden Bestandsgebäude und das Haus der Begegnung, das derzeit im Bau ist. An der nördlichen Kante mischen sich Altbauten wie die alte Mühle und Neubauten und bilden abwechslungsreiche Räume. Der Anger endet an einer geplanten Reithalle und bindet die neuen Wohnhöfe im Osten an. Sie öffnen sich zur Landschaft und bilden einen neuen Ortsrand. Im Nordosten sollen Einfamilienhäuser junge Familien anziehen. Im ländlichen Raum sei Autoverkehr unverzichtbar, argumentieren die Planer und streben eine Balance aus Autos und Fußgängern an. Die Arbeit besteche durch die städtebauliche Strahlkraft der neuen Ortsmitte und die große Harmonie im Zusammenspiel von Alt und Neu, urteilte die Jury.
Das Team um Zwischenräume Architekten + Stadtplaner (2. Preis) schlägt ebenfalls einen Anger vor, doch dieser ist räumlich klarer gefasst und vom Autoverkehr freigehalten. In die teilerhaltene alte Mühle könnte ein Museum einziehen, das alte Feuerwehrhaus für Feste genutzt werden. Eine erhaltenswerte Qualität sehen die Planer am Ortseingang, wo das Hügelland direkt auf den städtischen Raum trifft. Das unverbaute Vorfeld soll deshalb so bleiben. Die Jury lobte den Anger als tragende Entwurfsidee, bedauerte aber, dass die übrigen Bereiche zwar ansprechend gestaltet seien, in der Qualität ihrer Ausformulierung aber Defizite erkennen ließen.
Der Stiftungsrat wird nun Gespräche mit den beiden Preisträgern führen und danach entscheiden, wer mit der Bearbeitung des Masterplans für Schönbrunn beauftragt wird.
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