Schutzschirm für Dortmunds ICC
Text: Kroos, Peter, Dortmund
Schutzschirm für Dortmunds ICC
Text: Kroos, Peter, Dortmund
Wen hätte es verwundert, wenn auch dieses Kleinod aus dem Stadtbild verschwunden wäre? Die Vandalen hatten bereits begonnen, das Innere des Bankhauses zu zerstören. Doch dieses Mal wurde der Barbarei Einhalt geboten: Das Gebäude der Filialen von Westdeutscher Landesbank und Dresdner Bank, entworfen von Harald Deilmann, ist vorläufig unter Denkmalschutz gestellt worden.
Während sich allmählich die Erkenntnis durchsetzt, dass viele Bauten der frühen Nachkriegszeit identifikationsstiftende Zeugnisse sind, hat es die Architektur der 1960er und 70er Jahre ungleich schwerer – in Dortmund wurde noch 2008 Harald Deilmanns originelles Hochhaus für den Volkswohlbund gesprengt, um Platz für einen uninspiriert wirkenden Neubau zu schaffen (Bauwelt 14.2007). Bereits 2006 hatte der Dortmunder BDA eine Veranstaltung zur Qualität der Architektur jener Jahre durchgeführt; ein Jahr später wurde das daraus resultierende Buch vorgestellt – und zwar in der Kassenhalle von Harald Deilmanns Doppelhaus für WestLB und Dresdner Bank. Dessen Zukunft schien damals unsicher. Die wirtschaftliche Schieflage der Landesbank lag offen zutage; die Dresdner Bank war bereits von der Commerzbank „geschluckt“ worden. Anfang 2010 erschien eine Skizze in den Tageszeitungen, die im Gebäudeteil der WestLB eine veränderte Eingangssituation für ein geplantes Ärztezentrum zeigte. Danach ging alles sehr schnell. Wie sich zeigte, hatten bereits unmittelbar nach der Buchpräsentation Entkernungsarbeiten im Inneren des Bankgebäudes begonnen, von der Stadtverwaltung toleriert. Doch die Dortmunder Denkmalbehörde reagierte schnell; sie war sowieso gerade damit beschäftigt, die Bauten jener Jahre zu inventarisieren. Ein Gutachten untermauerte die Denkmalwürdigkeit des Deilmann-Baus.
Der Architekt Harald Deilmann (1920–2008) zählt zu den großen deutschen Architekten der Nachkriegszeit. Sein Werk hat internationale Aufmerksamkeit erlangt, und er war einer der Gründungsväter der Dortmunder Abteilung Bauwesen, in der Bauingenieure und Architekten interdisziplinär ausgebildet werden. In Ludwig Poullain, ehemals Direktor der WestLB, hatte Deilmann schon früh einen einflussreichen Fürsprecher gefunden. In kurzer Zeit plante Deilmann die großen Verwaltungszentren der Bank in Münster (1967–75), in Düsseldorf (1971–73, 1984–86) und zuletzt in Dortmund. Zahlreiche Aufträge für Tochterunternehmen der Bank schlossen sich an. In Dortmund hatte Deilmann bereits ab den späten sechziger Jahren das so genannte „Hansa-Viertel“ an der Kampstraße im Auftrag der Landesbank geplant. Der aus verschiedenen Nutzungen zusammengesetzte Komplex sollte auch Eis- und Bowlingbahnen sowie einen „Beatkeller“ für die Jugend enthalten. Nach mehreren Wettbewerben kam es schließlich 1975 auch zum „Doppelhaus“ von WestLB und Dresdner Bank, eröffnet 1978.
Das Projekt unterscheidet sich von den Komplexen in Münster und Düsseldorf insbesondere dadurch, dass es aus zwei Gebäudeteilen besteht. Die Fassade des Teils der WestLB ist durch umlaufende horizontale Brüstungsbänder charakterisiert. Die Elemente wurden als Leichtbetonfassade aus schalungsglattem Sichtbeton in Kunststoffschalungen hergestellt und mit Weiß-Zement und Titandioxyd aufgehellt. Die verglaste Ebene springt zurück, was die Anordnung von umlaufenden Balkonen ermöglicht. Alle Fenster erhielten eine Sonnenschutzverglasung mit INFRASTOP, jenen damals häufig verwendeten braun bedampften Scheiben. Die gestalterische Meisterleistung Deilmanns bestand darin, dass die Fassade der benachbarten Dresdner Bank jener der WestLB ähnelt, ohne sie zu kopieren. Hier verlieren die Brüstungen an Höhe und gehen in Vertikalaufteilungen zwischen den Fenstern über, die ein fein gegliedertes Netz über die Fassade spannen. Was beide Teile miteinander verbindet, ist die Materialität, aber es sind auch die Lüftungstürme und die Rundelemente: bei der Dresdner Bank die fünf runden Treppentürme der Ladeneinheiten, die vor der Fassade stehen und das Vordach tragen, in der Fassade der WestLB die großen Rundfenster. Ohne ihren Charakter zu verlieren, gehen die Gebäudeteile eine Symbiose ein.
Beide Häuser werden nutzungsbedingte Änderungen hinnehmen müssen. Die Abkehr vom Großraumbüro als Standardlösung für große Verwaltungen bedingt eine Auseinandersetzung mit der enormen Gebäudetiefe von bis zu 50 Metern. Es zeigt sich, dass die von Harald Deilmann entwickelte Primärkonstruktion mit ihren gebündelten Viererstützen Änderungen erleichtert. Die meisten innenräumlichen Qualitäten sind bedauerlicherweise ohnehin bereits verloren – selbst vor der wunderbaren abgehängten Decke in der Cafeteria der WestLB machten die „Sanierer“ nicht Halt. Dennoch ist es ein großer Erfolg für den Denkmalschutz weit über Dortmund hinaus, dass es gelungen ist, das Gebäude zumindest in seiner äußeren Erscheinung weitgehend zu bewahren. Den Dortmundern wird vielleicht erst in einigen Jahren bewusst werden, welch architektonisches Kleinod ihnen da erhalten geblieben ist. Die Investoren zeigen sich schon heute zufrieden mit dem Denkmalstatus – bringt dieser doch steuerliche Vorteile. Das gebaute Ergebnis bleibt indes abzuwarten: Die für die Zerstörungen verantwortlichen Planer sind aus dem Projekt entlassen und an ihrer Stelle die Architekten Eller & Eller beauftragt worden. Das lässt hoffen, dass dem Denkmal fortan mit Feingefühl begegnet wird.
0 Kommentare