Stall der Zukunft
Das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.v. hat einen Ideenwettbewerb ausgeschrieben. Gesucht waren Häuser für Kühe, Schweine und Hühner. An vier Architektur-Hochschulen entwickelten rund 100 Studierende zum Teil ganz neue Formen. Ein Jurymitglied berichtet.
Text: Gräwe, Christina, Berlin
Stall der Zukunft
Das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.v. hat einen Ideenwettbewerb ausgeschrieben. Gesucht waren Häuser für Kühe, Schweine und Hühner. An vier Architektur-Hochschulen entwickelten rund 100 Studierende zum Teil ganz neue Formen. Ein Jurymitglied berichtet.
Text: Gräwe, Christina, Berlin
„Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein“. So lautet eine der elf Neuen Bauernregeln, für die das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit viel Schelte einstecken musste. Die Plakatkampagne wurde abgebrochen. Dennoch verweist dieser Spruch auf ein brisantes Thema: die Massentierhaltung und ihre bauliche Weiterentwicklung. „Die Tierhaltung in Deutschland ist in ihrer jetzigen Form nicht mehr zukunftsfähig“, ließ der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik in einem Gutachten 2015 verlauten. Was also tun? Das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft KTBL unternahm einen klugen Schritt: Der eingetragene Verein schrieb in Kooperation mit den Architekturfakultäten der TU Braunschweig, München und Kaiserslautern sowie der Bauhaus-Universität Weimar im Sommersemester 2016 einen Studentenwettbewerb zum „Stall der Zukunft“ für entweder 150 Milchkühe, 1000 Mastschweine oder 6000 Legehennen aus. Die Studenten konnten den Bauplatz innerhalb eines vorgegebenen Areals auf einer Anhöhe mit Wanderweg am Rand des Ammersees selbst bestimmen. Wegen des Ammoniakanteils in den Tierausscheidungen waren aber 100 Meter Abstand zum Wald einzuhalten, und der Stall sollte sich natürlich in die Landschaft einbetten. Leerstehende Bestandsgebäude des Weilers Hübschenried konnten einbezogen, umgenutzt oder abgerissen werden. Hinzu kam ein pädagogischer Aspekt: Es sollten Besucherbereiche eingeplant werden, um die (Massen-) Tierhaltung auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diese nicht alltägliche Bauaufgabe übte offensichtlich Reiz aus; knapp 90 Einreichungen lagen dem Preisgericht Anfang Dezember vor.
Stall ist nicht gleich Stall
Bereits die Vorbereitung auf die Jurysitzung war lehrreich: Hühner sind ursprünglich Dschungelbewohner, Schweine schätzen zwischen ihren Erkundungs-Fress-Gängen ein Mittagsschläfchen, und Kühe können bis zu 60 Artgenossen individuell unterscheiden. Kurz: Stall ist nicht gleich Stall, schon gar nicht, wenn es um artgerechte Tierhaltung geht. Alle Tiere brauchen verschiedene Klima- und Funktionsbereiche sowie Vorrichtungen zur Körperpflege.
Die Jury unter Vorsitz von Felix Wächter setzte sich aus Architekten und Agraringenieuren aus Wissenschaft und Praxis zusammen. Die Vertreter dieser ganz unterschiedlichen Bereiche trafen neugierig aufeinander und mussten sich zugleich von den eigenen Denkschlaufen lösen, denn nur so konnten sie dem vielschichtigen Thema gerecht werden. Obwohl die Architektur bei den Diskussionen im Vordergrund stand, mussten sich die Entwürfe aber auch mit funktionalen Anforderungen wie der trockenen Lagerung des Strohs oder kurzen Wegen zum Melkhaus vertragen. Daran erinnerten die Kollegen aus der Agrarwissenschaft immer wieder augenzwinkernd und deckten auf, wo ein architektonisch überzeugender Entwurf etwa nicht bedacht hatte, dass Ausscheidungen nicht handverlesen entsorgt werden. Umgekehrt ertönte in zuverlässigen Abständen die mahnende Stimme der Architekten, dass die Aufgabe war, den „Stall der Zukunft“ zu finden und nicht allein den funktionalsten. Die Jury einigte sich am Ende auf einen ersten, zweiten und dritten Preis nebst einer Anerkennung zu den Kuh- und Schweineställen. Bei den Hühnerställen waren innovative Vorschläge rarer, hier gibt es statt des dritten Preises eine zweite Anerkennung.
Schweine im Kreisrund
„Circle Pig“ von Jörn Friedrich Hilker von der TU Braunschweig, gewann bei den Entwürfen der Ställe für Mastschweine. Kreisförmige, im Inneren zwiebelartig organisierte Einzelbauten für 20 bis 30 Tiere bilden ein Stallensemble. Mit den begehbaren Dächern wird Besuchern ein hoher Stellenwert eingeräumt. Die Jury sah darin ein durchlässiges Gebäudeensemble, das von der parkartigen Anlage der Außenräume lebt. Die Autoren, so die Einschätzung der Juroren, entfernten sich weit von gängigen Stallbauten für die Schweinehaltung und hätten in diesem Kontext einen neuen Gebäudetypus untersucht. Insgesamt stelle die Arbeit einen innovativen Ansatz zur gestellten Aufgabe dar.
Hühner im Doppelstock
Der Arbeit „Legehennenstall Hübschenried“ von Iris Sitbon, TU München, wurde der erste Preis unter den Hühnerställen zugesprochen. Hier trifft eine schlichte, traditionelle, außen ablesbare Konstruktion auf ein überzeugendes „Raumprogramm“: Durch seine Aufständerung wird der lange Riegel doppelt genutzt, da auf der unteren Ebene der Kaltscharrbereich Platz findet, was anderweitig Fläche spart. „Die einfache Zangenkonstruktion“, notiert die Jury, „zeigt ihr Raster an der Außenfassade und verleiht dem Gebäude eine große Leichtigkeit. Durch das Aufständern entsteht ein kompaktes Gebäude. Die Preisrichter bewerteten sowohl die Schlichtheit der Fügung als auch den schonenden Umgang mit der wertvollen Ressource Fläche als sehr positiv.
Kühe unter Schirmen
„Cow Support“ von Kerstin Bückner und Bianka Golla von der TU Braunschweig erhielt den ersten Platz unter den Kuhställen. Das Gebäude setzt sich aus schirmartigen Modulen zusammen und ist erweiterbar. Die funktionalen Ansprüche wurden überzeugend integriert, zudem trauen sich die Verfasserinnen an neue technische Lösungen wie etwa die Fütterung über Laufbänder unterhalb des Daches zu organisieren, die das Futter über die Stützen zu den Tieren leiten und platzraubende Futtertische überflüssig machen. Die Arbeit, so urteilte die Jury, zeichne sich dadurch aus, dass sie eine formal eigenständige Gestalt entwickele und neue technische Lösungen untersuche. Dabei würden funktionale Anforderungen schlüssig integriert.
Auffällig aus dem Rahmen fiel in der Rubrik Kuhställe ein manifestartiger Ansatz von Tobias Bierler und Johannes Pointner, TU München. Die Jury sprach der Arbeit einen Sonderpreis zu.
Sie ist ein Appell, ressourcenschonend und mit dem Bestand zu bauen. Die Jury würdigt hier den umfassenden Ansatz der Analyse sowohl des Ortes als auch der Aufgabenstellung. Der Beitrag beziehe eine konsequente eigenständige Position, die sich bis in die Darstellung des Entwurfs zieht.
Sie ist ein Appell, ressourcenschonend und mit dem Bestand zu bauen. Die Jury würdigt hier den umfassenden Ansatz der Analyse sowohl des Ortes als auch der Aufgabenstellung. Der Beitrag beziehe eine konsequente eigenständige Position, die sich bis in die Darstellung des Entwurfs zieht.
Das Preisgericht war sich einig, dass das Potenzial im Stallbau mit noch mehr Mut und Ideenreichtum weiter ausgeschöpft werden kann. Das Ziel der Auslober, den Diskurs über innovativen Stallbau anzuregen, haben die Arbeiten bereits unter den Jurymitgliedern erreicht. Eine Ausstellung aller prämierten Entwürfe im Rahmen der KTBL-Tage 2017 vom 21. bis 23. März in Berlin wird den Kreis weiten.
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