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Tour infernale

Kaye Geipel sieht in der Grenfell-Katastrophe ein skandalöses Lehrstück über die Exzesse des Sparens und der Deregulierung

Text: Geipel, Kaye, Berlin

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Tour infernale

Kaye Geipel sieht in der Grenfell-Katastrophe ein skandalöses Lehrstück über die Exzesse des Sparens und der Deregulierung

Text: Geipel, Kaye, Berlin

Am Schluss war alles Schwarz. Das Gerippe des Londoner Grenfell Towers steht für eine Apokalypse mit mindestens 80 Toten, die sich weit über England hinaus ins Gedächtnis gebrannt hat. Es bleibt der Zorn über einen Markt, der Wohnen als ultimative Ware betrachtet und den, wie es aussieht, keine britische Regierung stoppen wollte. So hat der frühere Wohnungsminister keine neue Verordnung für automatische Feuerlöscher genehmigen wollen, weil das Dogma der Regierung – manche erinnern sich daran – besagte, dass für jede neue Verordnung zwei alte gestrichen werden müssen. Geradezu schizophren: Ereignet hat sich das Unglück im reichsten Stadtviertel Londons, in Kensington-Chelsea. Zu befürchten ist, dass es bei der Untersuchung durch den pensionierten Richter Martin Moore-Bick nur um die Aufklärung der Katastrophe selbst geht – nicht aber um die politische Verantwortung, die unverantwortlichen Sanierungsmaterialien und die in den letzten Jahren immer weiter abgespeckte Bauordnung.
Der Skandal besteht darin, dass der Turm 1974 auf eine Weise konstruiert worden war, die den Brandüberschlag von Geschoss zu Geschoss erschwert hätte. Erst die Sanierung vor anderthalb Jahren hat das Überspringen des Feuers geradezu beschleunigt und den Turm zur tödlichen Falle gemacht hat. Das Ganze ist nicht nur ein Lehrstück der Exzesse des Sparens, sondern auch der unverantwortlichen Deregulierung. Exakt 334.873 Euro sparte der Bezirk beim Grenfell Tower, als man sich für die billige Aluminium-Polyäthylen-Fassadenverkleidung entschied und nicht für die Alternative aus feuerresistenterem Zink. Die brennbare Billighaut war bis vor kurzem ein erfolgreiches Geschäftsmodell: 600 weitere Türme wurden mit diesem Material saniert. Privateigentümer verkaufen die Schrottimmobilien nun, so sie irgend können – bei den eilig anberaumten Nachtests haben 190 von 191 untersuchten Bauten versagt. Überheblichkeit, bei uns könne Vergleich­bares nicht geschehen, ist nicht angebracht. In Heft 17, in dem wir uns mit Wohnen im Hochhaus befassen werden, bringen wir ein ausführli­ches Interview mit dem Brandschutzspezialisten Reinhard Eberl-Pacan – über die Lücken der deutschen Brandschutzverordnung.

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