Verlust einer „tragenden Wand“
Text: Fissabre, Anke, Aachen; Lohmann, Daniel, Aachen
Verlust einer „tragenden Wand“
Text: Fissabre, Anke, Aachen; Lohmann, Daniel, Aachen
Das Haus der Jugend, von Rudolf Schwarz und Hans Schwippert zwischen 1928 und 1929 in Aachen errichtet, hat an allen Seiten und im Inneren schon viele störende Umbauten durch das Pfarrgemeinde St.Johann-Baptist erfahren müssen. Jetzt verlor der Bau auch noch eine Wand entlang der Straße, die seinen der Moderne entstammenden Charakter unterstrich.
Drei bauliche Zeugnisse aus dem Frühwerk von Rudolf Schwarz, der nach dem Krieg durch seine Kirchenbauten und die Leitung des Wiederaufbaus der Stadt Köln berühmt wurde, sind heute noch in Aachen zu bewundern – soweit es aufgrund baulicher Veränderungen noch möglich ist. Zu Beginn seiner Karriere, von 1927 bis 1934, leitete Schwarz die Aachener Kunstgewerbeschule. Sie vertrat seinerzeit, ebenso wie die Schulen in Düsseldorf und Essen, in einem mit dem Bauhaus vergleichbaren Geiste die Ideen der Moderne. In dieser Schaffensphase entstanden die drei Aachener Bauten, von denen zwei, die Soziale Frauenschule (1929–30) und das Haus der Jugend (1928–29), in der Deutschen Architekturgeschichte im Schatten des dritten Baus stehen, der Pfarrkirche St. Fronleichnam (1928–30). Die Kirche wurde zu einem Meilenstein des modernen Kirchenbaus. Doch die beiden Profanbauten stehen in ihrer radikal modernen Entwurfsidee der Kirche in nichts nach. Den zeitgenössischen Themen der modernen Bewegung um Licht, Luft und Sonne verpflichtet, verband Schwarz im architektonischen Ausdruck beider Bauten die neuartigen Vorstellungen der katholischen Jugenderziehung mit Sport und Hygiene.
Das Haus der Jugend in Aachen-Burtscheid, mit dem die katholische Kirchengemeinde St.Johann-Baptist den Architekten bereits 1927 beauftragte, war der erste realisierte Neubau von Schwarz. Er arbeitete damals mit Hans Schwippert zusammen. Gerade am Entwurf dieses Gebäudes lassen sich die progressiven Ideen sehr direkt nachvollziehen. Der Bauherr wünschte sich vier Säle für die Jugend, drei davon zu einem zusammenschließbar, und großzügige Außenbereiche für Sport, Spiel und Feste. Das weiß verputzte Haus liegt in der
Böschung eines großen Grundstücks. Sein Haupteingang öffnet sich zur Abteistraße im Südwesten, die direkt auf die Abtei, das katholische Zentrum Burtscheids, führt. Diese Achse aufnehmend gestalteten Schwarz und Schwippert einen dynamischen Zugang über fünf Stufen auf ein von einer Brüstungsmauer begrenztes Plateau. Von diesem betrat man durch das mittlere der drei großen und deutlich betonten Eingangsportale das Gebäude. Der zur Straße hin dreigeschossige Bau besitzt drei formal sehr unterschiedlich gegliederte Geschosszonen, die jedoch alle eine klare Betonung der Mittelachse aufweisen. Historische Fotografien belegen, dass die straßenseitige Erdgeschosswand in ihrer horizontalen Ausrichtung besonders hervorgehoben wurde, indem sie mit einer geschlossenen Böschungswand weitergeführt wurde. Das Plateau des Zugangs wurde bis vor diese Wand verlängert. Sie wird von einer Brüstung mit Handlauf begleitet. Dies alles unterstreicht die Horizontalität des Baukörpers.
Im Gegensatz zum Erdgeschoss wirkt die Fassade des mittleren Geschosses – dahinter befinden sich die Sportsäle – durch tief in der Mauer liegende, große quadratische Fensteröffnungen stark aufgelöst. Bemerkenswert ist der Verweis auf das für die Moderne so bedeutende Motiv der verglasten Ecke.Schwarz und Schwippert lassen die äußeren Gebäudeeckpfeiler der mittleren Fassadenzone im Bereich der Fenster weg. Durch dieses Detail weisen sie auf die damals moderne Betonskelettbauweise hin, die sonst im Außenbau nicht thematisiert wird.
Viele der ursprünglichen räumlichen Qualitäten gingen schon mit den Umbauten der fünfziger und sechziger Jahre verloren. Vor allem ein rückwärtiger Anbau über die gesamte Gebäudebreite und -höhe führte zu einer starken Veränderung der inneren Struktur. Der Austausch der filigranen Stahlfenster durch solche mit breiten Holzrahmen, die zudem nicht mehr nach außen zu öffnen sind, beraubte den Bau eines wichtigen Teils seiner charakteristischen Ausdruckskraft.
Trotz der radikal veränderten Eingangssituation blieb die originale Gestaltung der Hauptfassade zur Straße bis in jüngste Zeit nachvollziehbar. In diesem Frühjahr jedoch wurde die nach Südosten um die Gebäudebreite verlängerte Sockelmauer abgerissen und ein Teil des Sportplatzes zur Bebauung freigegeben. Derzeit entsteht hier ein mehrgeschossiges Bürogebäude. Seitdem ist ein weiterer wesentlicher Entwurfsgedanke verloren gegangen. Die von Schwarz in Auftrag gegebenen zeitgenössischen Fotografien heben die Bedeutung der Mauer im Sockelgeschoss hervor, ihre dynamische Weiterführung entlang der Straße mit der sie auch die topografische Disposition des Gebäudes am Hang betont. Auffällig viele Beispiele zeitgenössischer Bauaufgaben der Moderne zeigen vergleichbare Lösungen im Umgang mit Geländeversprüngen. Bei der sozialen Frauenschule sowie einem unrealisierten Wettbewerbsentwurf für die Pfarrkirche Heilig Geist von Rudolf Schwarz finden sich ähnliche Lösungsansätze. Schwarz war sicher auch vertraut mit der 1927 eröffneten Bauausstellung der Stuttgarter Weissenhofsiedlung, für die sich namhafte Zeitgenossen mit der kontinuierlich ansteigenden Topografie des zu bebauenden Geländes auseinandersetzten.
Obwohl die zunächst so unbedeutend erscheinende Aachener Wand statisch nur sich selbst und einen Teil des Erddrucks der Böschung trug, war sie für den Entwurf des Hauses von „tragender“ Bedeutung. Ihr Abriss stellt einen erneuten empfindlichen Eingriff in die Originalsubstanz dieses bauhistorisch wichtigen Aachener Baus dar. Das Beispiel zeigt, dass Qualitäten oft erst dann erkannt werden, wenn sie verloren gegangen sind. Weitere Veränderungen würde das Haus der Jugend nicht mehr vertragen. Der Denkmalwert wäre sonst infrage zu stellen. Die Bedeutung von „banalen Wänden“ ist weiter zu untersuchen.
Das Haus der Jugend in Aachen-Burtscheid, mit dem die katholische Kirchengemeinde St.Johann-Baptist den Architekten bereits 1927 beauftragte, war der erste realisierte Neubau von Schwarz. Er arbeitete damals mit Hans Schwippert zusammen. Gerade am Entwurf dieses Gebäudes lassen sich die progressiven Ideen sehr direkt nachvollziehen. Der Bauherr wünschte sich vier Säle für die Jugend, drei davon zu einem zusammenschließbar, und großzügige Außenbereiche für Sport, Spiel und Feste. Das weiß verputzte Haus liegt in der
Böschung eines großen Grundstücks. Sein Haupteingang öffnet sich zur Abteistraße im Südwesten, die direkt auf die Abtei, das katholische Zentrum Burtscheids, führt. Diese Achse aufnehmend gestalteten Schwarz und Schwippert einen dynamischen Zugang über fünf Stufen auf ein von einer Brüstungsmauer begrenztes Plateau. Von diesem betrat man durch das mittlere der drei großen und deutlich betonten Eingangsportale das Gebäude. Der zur Straße hin dreigeschossige Bau besitzt drei formal sehr unterschiedlich gegliederte Geschosszonen, die jedoch alle eine klare Betonung der Mittelachse aufweisen. Historische Fotografien belegen, dass die straßenseitige Erdgeschosswand in ihrer horizontalen Ausrichtung besonders hervorgehoben wurde, indem sie mit einer geschlossenen Böschungswand weitergeführt wurde. Das Plateau des Zugangs wurde bis vor diese Wand verlängert. Sie wird von einer Brüstung mit Handlauf begleitet. Dies alles unterstreicht die Horizontalität des Baukörpers.
Im Gegensatz zum Erdgeschoss wirkt die Fassade des mittleren Geschosses – dahinter befinden sich die Sportsäle – durch tief in der Mauer liegende, große quadratische Fensteröffnungen stark aufgelöst. Bemerkenswert ist der Verweis auf das für die Moderne so bedeutende Motiv der verglasten Ecke.Schwarz und Schwippert lassen die äußeren Gebäudeeckpfeiler der mittleren Fassadenzone im Bereich der Fenster weg. Durch dieses Detail weisen sie auf die damals moderne Betonskelettbauweise hin, die sonst im Außenbau nicht thematisiert wird.
Viele der ursprünglichen räumlichen Qualitäten gingen schon mit den Umbauten der fünfziger und sechziger Jahre verloren. Vor allem ein rückwärtiger Anbau über die gesamte Gebäudebreite und -höhe führte zu einer starken Veränderung der inneren Struktur. Der Austausch der filigranen Stahlfenster durch solche mit breiten Holzrahmen, die zudem nicht mehr nach außen zu öffnen sind, beraubte den Bau eines wichtigen Teils seiner charakteristischen Ausdruckskraft.
Trotz der radikal veränderten Eingangssituation blieb die originale Gestaltung der Hauptfassade zur Straße bis in jüngste Zeit nachvollziehbar. In diesem Frühjahr jedoch wurde die nach Südosten um die Gebäudebreite verlängerte Sockelmauer abgerissen und ein Teil des Sportplatzes zur Bebauung freigegeben. Derzeit entsteht hier ein mehrgeschossiges Bürogebäude. Seitdem ist ein weiterer wesentlicher Entwurfsgedanke verloren gegangen. Die von Schwarz in Auftrag gegebenen zeitgenössischen Fotografien heben die Bedeutung der Mauer im Sockelgeschoss hervor, ihre dynamische Weiterführung entlang der Straße mit der sie auch die topografische Disposition des Gebäudes am Hang betont. Auffällig viele Beispiele zeitgenössischer Bauaufgaben der Moderne zeigen vergleichbare Lösungen im Umgang mit Geländeversprüngen. Bei der sozialen Frauenschule sowie einem unrealisierten Wettbewerbsentwurf für die Pfarrkirche Heilig Geist von Rudolf Schwarz finden sich ähnliche Lösungsansätze. Schwarz war sicher auch vertraut mit der 1927 eröffneten Bauausstellung der Stuttgarter Weissenhofsiedlung, für die sich namhafte Zeitgenossen mit der kontinuierlich ansteigenden Topografie des zu bebauenden Geländes auseinandersetzten.
Obwohl die zunächst so unbedeutend erscheinende Aachener Wand statisch nur sich selbst und einen Teil des Erddrucks der Böschung trug, war sie für den Entwurf des Hauses von „tragender“ Bedeutung. Ihr Abriss stellt einen erneuten empfindlichen Eingriff in die Originalsubstanz dieses bauhistorisch wichtigen Aachener Baus dar. Das Beispiel zeigt, dass Qualitäten oft erst dann erkannt werden, wenn sie verloren gegangen sind. Weitere Veränderungen würde das Haus der Jugend nicht mehr vertragen. Der Denkmalwert wäre sonst infrage zu stellen. Die Bedeutung von „banalen Wänden“ ist weiter zu untersuchen.
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