Architektur der Stadt
Text: Gleiter, Jörg, Berlin
Architektur der Stadt
Text: Gleiter, Jörg, Berlin
Architektur der Stadt – wer denkt da nicht an Aldo Rossis Grundlagenwerk! Und doch im selben Sinne ist das vorliegende Buch von Sophie Wolfrum und Alban Janson Grundlagenwerk und verdient so sehr den Titel wie jenes Buch, das 1966 und damit genau vor 50 Jahren als L’architettura della città erschienen ist und seither die Debatten um die europäische Stadt geprägt hat – mit einem späten Höhepunkt in den Debatten über die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses. Das vorliegende Buch leuchtet aber den Begriff Architektur der Stadt in einem weit umfangreicheren Sinne aus, als dies Rossi durch die Begriffe der analogen Architektur und der Permanenz von städtischen Räumen und Objekten tat. Architektur und Stadt, so die Argumentation der Autoren hier, „kann eben nicht auf Körper, Objekt und Form reduziert werden“, was auch nicht im Sinne Rossis ist, aber was, wie die Autoren anführen, immer mehr das verhärtete, simplifizierte Verständnis unter dem aktuellen Ökonomisierungs- und Globalisierungsdruck ist.
Damit soll es aber mit Vergleichen gut sein. Denn mit „Architektur der Stadt“ ist ein eigenständiges Buch entstanden, das Abgrenzung zu anderem nicht nötig hat. Mit dem Ziel der Auslotung des Verhältnisses von Architektur und Stadt geht es im Buch um eine „architektonische Urbanistik“, wie umgekehrt auch um eine „urbanistische Architektur“. Es bleibt also nicht beim Schlagwort, wobei auch die Umkehrung der Hierarchien nicht einfach nur rhetorischer Kunstgriff ist – eben die Dinge versuchsweise auf den Kopf zu stellen und zu sehen, was dabei herauskommt –, sondern es verbindet sich damit die Programmatik des Buches schlechthin, wie es einleitend benannt wird: Was ist das Architektonische?
Dabei ist das Buch mahnender Fingerzeig und Appell an die Architekten, das „Architektonische“ als ihre Grundkompetenz wieder wahrzunehmen und dem damit verbundenen Anspruch gerecht zu werden. Denn Stadt ist, so die Autoren, „wo die Grenzen zwischen Kunst, politischer Aktion und der spielerischen Freude an der Intervention in urbanen Räumen“ durchlässig wird. Es seien heute aber weniger die Architekten als die Künstler, die in den „sicheren und aufgeräumten Städten Deutschlands“ den öffentlichen Raum als „Diskussionsfeld“ aktivierten. Dieses Potenzial gilt es zurückzugewinnen. Die seit wenigen Monaten neu entbrannten Debatten um den öffentlichen Raum als Ort der Freiheit aller gibt dem Buch seine über die Programmatik hinausgehende Aktualität.
Es ist die Stärke des Buchs, dass es nie mit abstrakten, verhärteten Begriffen arbeitet, sondern um begriffliche Präzision und Anschaulichkeit bemüht ist, und dass die Aufmerksamkeit immer auf das Phänomen gerichtet ist, das gerade behandelt wird. Dazu trägt auch bei, dass die Kapitel in sehr suggestiver Weise in kleine Einheiten unterteilt sind, was einerseits die Komplexität des Themas aufscheinen lässt, es aber auch beschreibbar und handhabbar macht. Einige der Themen sind „Der Vielfalt der Stadt gerecht werden“, „Prägnanz und Spielraum“, „Die Schönheit der großen Stadt“ oder „Spiele der Schritte“ etc. und selbst „Fuchs und Igel – über Konzepte“.
Kein Zweifel, das Buch ist kein Lexikon architektonischer und urbanistischer Grundbegriffe, sondern eher Lesebuch, in dem die Grundphänomene unserer gebauten Umwelt beschrieben werden, die sich eben nicht in Körper und Räumen erschöpfen, sondern nur in den Modi von Bewegung und Sinnlichkeit wahrgenommen und als solche verständlich werden, das heißt in gleichzeitiger Anwesenheit von Objekt und leiblicher Präsenz, von Materialität und sinnlicher Wahrnehmung, von Zeichenhaftem und Konkretem.
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