Architekturführer Venedig
Bauten und Projekte nach 1950
Text: Höhns, Ulrich, Oldenbüttel
Architekturführer Venedig
Bauten und Projekte nach 1950
Text: Höhns, Ulrich, Oldenbüttel
Neue Architektur in Venedig nach 1950? Ja, die gibt es. Carlo Scarpa fällt einem ein, sein winziger Olivetti-Laden von 1958, dieser funktionalistische Merz-Bau, auch die Fondazione Querini Stampalia von 1963, deren Palazzo er zum Museum und zur Bibliothek umbaute: ein Meisterwerk der Umdeutung und Aneignung von Raum und Historie, später fortgeschrieben von Valeriano Pastor und Mario Botta.
Sonst aber sind die (wenigen) Neubauten der fünfziger und sechziger Jahre eher Fremdkörper, die sich vom alten Venedig abgrenzen. Das Hotel Bauer-Grünwald von Marino Meo aus dem Jahr 1949, mit Travertin-Fassade, erschien als radikaler Kontrast zur Barockkirche San Moisè. Ignazio Gardellas Casa alle Zattere von 1958 hingegen bindet sich ein und ist mit springenden Fensterachsen und virtuosen Balkonen heute noch erfrischend modern und eigen.
Das nach den sechs Stadtteilen („Sestieri“) gegliederte Buch zeigt übersichtlich und überraschend, wie viel in dieser Stadt, die doch so vollendet erscheint, seit 1950 neu-, umgebaut oder ergänzt worden ist. Naturgemäß geschieht dies eher an den Randzonen wie der Giudecca, im wiederentdeckten Arsenale, auf der kleinen Insel Mazzorbo mit Giancarlo De Carlos dichtem, verzahnten Wohnquartier von 1985, oder heute im Bereich der riesigen Kreuzfahrt-Anleger, der Stazione Marittima. Dies alles, ebenso die Bauten auf der zumeist ausgeblendeten „Terraferma“, dem Festland, sowie die klugerweise mit aufgenommenen Plänen für ein „mögliches Venedig“ gehören zum Wesen dieser Wasserstadt. Vieles davon ist gute Architektur, von italienischen Architekten und internationalen Größen von Chipperfield bis Koolhaas, die einen Besuch lohnt und das Venedig-Bild aktualisiert, selbst wenn sie nicht immer jene inspirierte Kontextualität Scarpas aufweist, die dieser Ort an jeder Stelle verdiente.
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