Bauwelt

Berlin. Wiedergeburt einer Stadt

Dieses großartige, knapp bebilderte Buch sei allen Berlin- und Architekturinteressierten als an- und aufregende Lektüre empfohlen.

Text: Rumpf, Peter, Berlin

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Berlin. Wiedergeburt einer Stadt

Dieses großartige, knapp bebilderte Buch sei allen Berlin- und Architekturinteressierten als an- und aufregende Lektüre empfohlen.

Text: Rumpf, Peter, Berlin

An Berlin-Büchern herrscht kein Mangel. Weihnachten 1997, auf dem Höhepunkt der Wiedervereinigung, waren genau 4236 Titel verfügbar. Das verrät wiederum ein Berlin-Buch, das neu erschienen ist und – dies vorweg – zu den erhellendsten und lesbaren überhaupt gehört. Geschrieben hat es der langjährige Chefredakteur und spätere Herausgeber des Berliner „Tagesspiegels“. Ihm standen dafür alle Archive und Gesprächspartner, die man sich nur wünschen kann, zur Verfügung.  Und dieses Buch legt die erstaunliche
Erkenntnis frei, wie schnell epochale Veränderungen in Vergessenheit geraten können. Wer erinnert sich noch daran, dass…
Hermann Rudolph erzählt die Ereignisse vom 9. November 1989, dem Fall der Mauer, bis zum 5. Juli 1999, dem Umzugsbeginn der Bundesregierung in 19 Zügen vom Containerbahnhof Köln-Eifeltor zum Lehrter Güterbahnhof in Berlin. Der Autor beginnt, abweichend von der Chronologie, jedoch mit der Verkündung des Abstimmungsergebnisses zum Hauptstadtbeschluss durch die Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth am 20. Juni 1991, 21.47 Uhr im Bonner Wasserwerk: 337 Stimmen für Berlin… Der Rest ging im Jubel unter, während die „Bonner“ sich vor Entsetzen anstarrten. Und dies erbitterte und intrigante Gezerre für und wider den Umzug zieht sich dann über Jahre hin und wird vom Autor ausführlich dokumentiert.
Dann also der Beginn der Geschichte mit der „längsten Nacht Berlins“, nachdem der Grenzpolizist an der Bornholmer Brücke um 23.20 Uhr vermeldetet: „Wir fluten jetzt.“ Die politischen Entwicklungen in den handelnden Parteien, die Kommentatoren in „taz“, „Spiegel“ u.a., die An- und Einsichten von Hoffmann-Axthelm, Wefing, Nooteboom, Lampugnani, Zwoch, Fest oder ­Posener, all diese Sprüche, Befürchtungen und Ermutigungen werden wieder wach. Und bei ­aller Politik und Publizistik steht das „Bauen als großes Theater“ im Vordergrund, beginnend mit dem Zusammenwachsen 40 Jahre getrennter Systeme wie S- und U-Bahn, Abwasser oder Telefonnetz bis hin zur Debatte um Traufhöhe, ­steinerne Fassaden, Blockrandschließung und historischen Stadtgrundriss, begleitet von Höhepunkten wie der Reichstagsverhüllung, Schloss­attrappe, 1. Spatenstich am Potsdamer Platz, Tanz der Baukräne, Roter Infobox, Eröffnung der Galleries Lafayette, Wettbewerb Bebauung Spreebogen mit 821 Einsendungen, Kanzleramt, Holocaust-Mahnmal, Jüdisches Museum. Und den Tiefpunkten: Polenmarkt, Immobilienhaie, Streichung der Berlin-Zulage, Mauer in den Köpfen, Honecker-Verfahren, gescheiterte Olympia-Bewerbung, Streit um den Pariser Platz, Tod des Baureferenten Hanno Klein durch eine Briefbombe, 94 Straßenumbenennungen und genügend viel Frust auf allen Seiten.
Hermann Rudolph ruft all dies wieder in Erinnerung – und ordnet eine dauernde Zitterpartie bzw. großartige Erfolgsgeschichte eines in Europa einzigartigen Kraftaktes binnen nur zehn Jahren – auch wenn ihm, am Ziel angekommen, auch mal die Pferde des Lokalpatriotismus durchgehen. Dieses großartige, knapp bebilderte Buch sei allen Berlin- und Architekturinteressierten als an- und aufregende Lektüre empfohlen. Nicht mehr und nicht weniger!
Fakten
Autor / Herausgeber Hermann Rudolph
Verlag Quadriga Verlag, Berlin 2015
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aus Bauwelt 40.2016
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