Bauwelt

Bunte Stadt – Neues Bauen

Die Baukunst von Carl Krayl

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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Bunte Stadt – Neues Bauen

Die Baukunst von Carl Krayl

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Über Jahrzehnte schien das Werk des Architekten Carl Krayl (1890–1947) vergessen. Das lag zum einen am Standort seiner Bauten, Magdeburg, der sich hinter dem Eisernen Vorhang lange einer gesamtdeutschen Kontextualisierung entzog. Zum anderen aber auch daran, dass Krayl immer im Schatten seinen Mentors Bruno Taut gestanden ist. Die erste umfassende Ausstellung zu Carl Krayl im Kulturhistorischen Museum Magdeburg (Bauwelt 40.2016) bot nun auch Anlass zu einer ersten Monografie, die sowohl Biografie wie Werkgenese liefert als auch wichtige Einzelbauten oder Entwürfe ausführlich dokumentiert. Der Band würdigt somit einen eigenständigen Beitrag zur Architekturgeschichte der deutschen Zwischenkriegsmoderne und leistet in seiner Komplexität weit mehr als ein begleitender Ausstellungskatalog.
Wolfgang Pehnt umreißt den zeitgeschichtlichen Hintergrund einer Generation junger Intellektueller, Künstler und Architekten, die, von den Schrecken des Ersten Weltkriegs traumatisiert, große Hoffnungen in den politischen wie kulturellen Aufbruch nach 1918 setzte. Unzählige Künstler- und Architektenbünde gründeten sich, ideologisch im linken Spektrum beheimatet, ästhetisch noch im Expressionismus der Vorkriegszeit verhaftet. Sie bildeten den Humus für fortschrittliche Ausbildungsstätten sowie die Praxis einer sozial orientierten Moderne. Der Süddeutsche Carl Krayl, religiösen wie esoterischen Themen zugewandt, fand im Berliner Arbeitsrat für Kunst sowie dem publizistischen Netzwerk Gläserne Kette Gleichgesinnte, lernte hier den zehn Jahre älteren Bruno Taut kennen. Dessen Aufforderung, ihm 1921 nach Magdeburg zu folgen, wo Taut eine Position als Stadtbaurat antrat, bot Krayl in den wirtschaftlich prekären unmittelbaren Nachkriegsjahren ökonomische Sicherheit sowie professionelle Entfaltungsmöglichkeiten. Hier prägte Krayl bis zur NS-Machtergreifung 1933 das kommunale Baugeschehen mit, ab 1924 im eigenen Architekturbüro.
Die Architekturhistorikerin Ute Maasberg zeigt anhand seiner Biografie die Transformation seiner frühen expressionistisch-visionärer Entwurfshaltung zu einem realisierten Œuvre im Geiste des Neuen Bauens, das sich international orientierte, aber stets den spezifischen Ortsbezug und topografische Momente zur individuellen Konzeption aktivierte. Ihre Kollegin Regina Prinz rekapituliert das große Baupensum von allein etwa 14.000 Wohnungen, das der sozialdemokratische Magistrat Magdeburgs umsetzte, um, begleitet von Ausstellungen und Publikationen, die Stadt als wirtschaftliches und kulturelles Zentrum Mitteldeutschlands zu positionieren. Krayl war an fünf großen Siedlungskomplexen beteiligt und zeichnete für zahlreiche öffentlichen Bauten verantwortlich.
Einen Anreiz zum eigenen Erkunden der Architektur Carl Krayls stellt der Werkkatalog dar, der zwei Drittel des Bandes ausmacht. Erstaunt allein schon, welch umfangreiches Archivmaterial an Plänen und bauzeitlicher Fotografie die Wirren der Zeit überdauerte, so wird es durch Kartierungen, etwa zu Bauabschnitten und weiteren Entwurfsverfassern der Wohnsiedlungen, sowie aktuellen Aufnahmen zur sorgfältigen Baudo­kumentation erweitert. Leider sind auch Bauten Krayls, wie viele aus den 1920er Jahren, bis zur Unkenntlichkeit entstellt, so das Gewerkschaftshaus, das in einem Hotelkomplex aufgegangen ist. Und auch die markante AOK büßte ein entscheidendes Merkmal ein: die spektakuläre Glasbaustein-Lichtdecke über der zentralen Kundenhalle verschwand 1990 bei der Sanierung unter einer Verkleidung. Immerhin ist dieser Eingriff nun benannt, erscheint prinzipiell reversibel.
Fakten
Autor / Herausgeber Gabriele Köster und Michael Stöneberg (Hrsg.)
Verlag Deutscher Kunstverlag, Berlin 2016
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aus Bauwelt 10.2017
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