Das Labyrinthische | Über die Idee des Verborgenen, Rätselhaften, Schwierigen in der Geschichte der Architektur
Text: Klauser, Wilhelm, Berlin
Das Labyrinthische | Über die Idee des Verborgenen, Rätselhaften, Schwierigen in der Geschichte der Architektur
Text: Klauser, Wilhelm, Berlin
Querschnitte sind selten in der Baugeschichte. Autoren bevorzugen in der Regel das Bohren in die Tiefe, und die Last der Jahre reißt den Leser dann häufig hinab. Eine horizontal angelegte Betrachtung hingegen verblüfft und begeistert, öffnet sie doch ganz neue Horizonte.
Das Labyrinthische und Mäandrierende ist einem dann zwangsläufig „kulturvergleichenden“ Ansatz allerdings immanent, denn der Leser bewegt sich gewissermaßen im Plan und noch nicht im fertiggestellten Gebäude. Es ist leicht möglich, dass die Orientierung verloren geht, wenn sich hinter jeder Tür neue Welten auftun! Im Labyrinth kann und muss es rätselhaft sein. Der Autor führt, und die Bereitschaft, sich seiner Intention zumindest für die Dauer der Lektüre anzuvertrauen, die muss sich der Leser immer wieder selbst abringen: Vom Minotauros also zu den Pilgerstätten der heiligen Berge verläuft der Zugang zum Labyrinthischen und via den mittelalterlichen Prozessionen geht es im Gefolge der Kreuzritter gen Jerusalem und auch zurück und dann weiter nach Indien und in die Architektur der Höhlen. Hinter jeder Wendung gibt es Neuigkeiten und auch Vertrautes, das – plötzlich anders beleuchtet – einen völlig anderen Eindruck erweckt. Aber der Leser findet in Jan Pieper einen guten Stilisten und Erzähler, der ihn sicher über häufig schwindelerregendes Terrain lotst. Warum sich also nicht einem langen Essay zum Thema widmen? Der Rezensent gibt zu, dass er Vergleichbares nicht kannte und dass die Lektüre ein Vergnügen war, weil bereichernd: Nicht in die Tiefe gehen, sondern in die Breite? Eigentlich wäre das ja abzulehnen. Schließlich geht es in der Architektur um die Konzentration aufs Wesentliche, hat doch die Idee der Ordnung und der Hie- rarchisierung den Architekten eher begleitet als die Vorstellung vom Labyrinth. Und häufig genug ist dann alles in reine Sachkunde übergegangen und in den Alltag. Kein wirkliches Fundament entsteht da-raus und schon gar kein Esprit. Im Labyrinth nun sieht die Sache anders aus, und der Raum für die Entfaltung der dringend gesuchten Grenzgänge im Metier ist reichlich gegeben.
Nach dieser Lobpreisung für ein Buch bleibt die Frage zum Timing: Die Neuauflage eines Werks, das erstmals 1987 erschienen ist, wird fast ein viertel Jahrhundert später gelesen! Kann das noch gültig sein? Im Nachwort insistiert der Autor darauf, dass er, 22 Jahre später, am Originaltext nichts geändert hat! Ein altes Buch also, aber in seinen Beobachtungen und Entdeckungen wirkt es unerhört frisch und gültig. Dies ist zunächst ein Vorteil der Baugeschichte. Wer hier sorgfältig arbeitet, der erkennt; im Vergangenen die allgemeingültigen Zeichen, die Texte werden stabiler und überdauern. Aber ein Querschnitt erschließt leicht auch andere Ebenen. Das „Labyrinthische“ überschreitet selbstverständlich und leicht Fachgrenzen. Und der Text führt den Leser so zwangsläufig in die Stadt, dorthin also, wo die Arbeit nicht nur schwierig ist, sondern häufig auch rätselhaft und über das rein Fachspezifische hinausweist. Der Text führt zwangsläufig ins Labyrinth und damit durchaus in die Gegenwart und auch in die Zukunft, in der wir es fraglos mit einer radikalen Verstädterung zu tun haben werden. Und dieser Entwicklung stehen wir zugegeben ratlos gegenüber, da niemand weiß, welche Richtung einzuschlagen ist. Vielleicht empfiehlt es sich also gerade deshalb, sich auf das Labyrinthische einzulassen, um zu verstehen, wie es führt und wohin es führt?
Nach dieser Lobpreisung für ein Buch bleibt die Frage zum Timing: Die Neuauflage eines Werks, das erstmals 1987 erschienen ist, wird fast ein viertel Jahrhundert später gelesen! Kann das noch gültig sein? Im Nachwort insistiert der Autor darauf, dass er, 22 Jahre später, am Originaltext nichts geändert hat! Ein altes Buch also, aber in seinen Beobachtungen und Entdeckungen wirkt es unerhört frisch und gültig. Dies ist zunächst ein Vorteil der Baugeschichte. Wer hier sorgfältig arbeitet, der erkennt; im Vergangenen die allgemeingültigen Zeichen, die Texte werden stabiler und überdauern. Aber ein Querschnitt erschließt leicht auch andere Ebenen. Das „Labyrinthische“ überschreitet selbstverständlich und leicht Fachgrenzen. Und der Text führt den Leser so zwangsläufig in die Stadt, dorthin also, wo die Arbeit nicht nur schwierig ist, sondern häufig auch rätselhaft und über das rein Fachspezifische hinausweist. Der Text führt zwangsläufig ins Labyrinth und damit durchaus in die Gegenwart und auch in die Zukunft, in der wir es fraglos mit einer radikalen Verstädterung zu tun haben werden. Und dieser Entwicklung stehen wir zugegeben ratlos gegenüber, da niemand weiß, welche Richtung einzuschlagen ist. Vielleicht empfiehlt es sich also gerade deshalb, sich auf das Labyrinthische einzulassen, um zu verstehen, wie es führt und wohin es führt?
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