Das rote Bauhaus Eine Geschichte von Hoffnung und Scheitern
Text: Brosowsky, Bettina Maria
Das rote Bauhaus Eine Geschichte von Hoffnung und Scheitern
Text: Brosowsky, Bettina Maria
Bis lange nach seinem Tod hat Walter Gropius die internationale Rezeption des Bauhauses dominiert. Schon Hannes Meyer, seinen Nachfolger als Direktor der Institution und überzeugten Klassenkämpfer, zu würdigen und so zu seiner Rehabilitierung beizutragen, wagte selbst die DDR nur zaghafte Versuche, etwa 1980 mit der Herausgabe seiner Schriften, Briefe und Projekte. Mit reichlich Vorlauf zum großen 100-jährigen Jubiläum des Bauhauses 2019 hat nun die Düsseldorfer Architektin und Autorin Ursula Muscheler einen bislang ausgeblendeten Aspekt beleuchtet, nämlich das Wirken und Scheitern westeuropäischer Architekten des Neuen Bauens, auch des Bauhauses, nach 1930 in der Sowjetunion. Neben Pionieren der ersten Stunde wie der 17-köpfigen Gruppe um Ernst May, Margarethe Schütte-Lihotzky und Mart Stam aus dem Neuen Frankfurt, die mit guten Gehältern, zusätzlichen Valuta und Privilegien im täglichen Leben nach Moskau angeworben wurden, kamen, wenn auch nur minimal später, weitere Architekten zu deutlich schlechteren Konditionen nach Russland. So Hannes Meyer, der eine Schar seiner ehemaligen Studenten nachholte, um mit ihnen als Bauhaus-Stoßbrigade Rot Front im Volkskommissariat der Schwerindustrie Lehranstalten und technische Hochschulen zu projektieren. Sie alle trieb sowohl die euphorische Erwartung eines gigantischen industriellen wie gesellschaftlichen Aufbruchs mit entsprechend umfangreichen Baumaßnahmen ins nachrevolutionäre Russland, aber auch die existentielle Not im Westeuropa der Weltwirtschaftskrise. Margarethe Schütte-Lihotzky beispielsweise hatte als Doppelverdienerin ihre Stelle am Frankfurter Hochbauamt aufgeben müssen, weil ihr Mann dort ebenfalls tätig war – ein noch privilegiertes Los.
Muscheler folgt den vielen Schicksale auch weniger prominenter Architekten und ihrer Angehörigen, die recht schnell von den realen Lebens- und Arbeitsbedingungen, hier besonders der mangelhaften Qualität bautechnischer Umsetzung, desillusioniert waren und zudem in die ideologischen Mühlen der Sowjetunion gerieten. Gleichwohl wurden weder Ernst May noch Hannes Meyer müde, auf ihren Vortragsreisen in den Westen – beide sprachen beispielsweise 1931 vor vollen Häusern – von den Erfolgen westlicher Planungskonzepte in der Sowjetunion zu berichten. Die sowjetische Kritik richtete sich da aber bereits gegen eine Unfähigkeit der ausländischen Spezialisten und ihre seelen- wie schmucklosen Zeilenbau-Konzepte. Nach der Machtergreifung Hitlers sowie unter dem sich ausweitenden Terror Stalins verschärfte sich die Situation. Und selbst wem es noch rechtzeitig gelang, die Sowjetunion zu verlassen, sah man sich wie May, Schütte-Lihotzky oder Meyer anschließend mit einer weltweiten Odyssee des Exils konfrontiert. Wer blieb, geriet unter Spionage- und Sabotageverdacht, wurde zu Straflager verurteilt oder hingerichtet, so wie die ehemalige Bauhaus-Chefsekretärin Margarete Mengel. Ihr Sohn – Vater war Hannes Meyer – wuchs unter falschem Namen in einem Hein für kriminelle Jugendliche auf, erfuhr erst 1993 vom gewaltsamen Tod seiner Mutter und kam 1994 als Spätaussiedler nach Deutschland.
Die von Muscheler akribisch und mit viel Empathie kontextualisierten Biografien lesen sich spannend wie ein Krimi, erzählen vom Hoffen, erschöpfenden Arbeiten und Scheitern einer enthusiastischen Avantgarde. Die wissenschaftliche Aufarbeitung dieses Kapitels europäischer Architekturgeschichte dürfen sie aber nicht ersetzen.
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