Die Architektur der Kamaldulenser
Was LC, bekennender Atheist, in Begeisterung versetzt, ist die Kartause, eine besondere klösterliche Form, ganz der persönlichen Begegnung mit Gott geweiht.
Text: Aicher, Florian, Leutkirch
Die Architektur der Kamaldulenser
Was LC, bekennender Atheist, in Begeisterung versetzt, ist die Kartause, eine besondere klösterliche Form, ganz der persönlichen Begegnung mit Gott geweiht.
Text: Aicher, Florian, Leutkirch
„In der musikerfüllten Landschaft der Toskana habe ich eine moderne Stadt gesehen. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal eine so heitere Interpretation des Wohnens kennenlernen würde. Der zusammengeflochtene Kranz der Zellen, jede Zelle mit Aussicht auf die Ebene, mit tiefer gelegenem, ganz und gar geschlossenen Gärtchen. Die Rückseite hat eine Tür auf eine kreisförmige Straße, von Arkaden überdacht, der Weg, der überallhin führt. Diese ‚moderne Stadt‘, ihre strahlende Vision, ist mir für immer gegenwärtig.“ So erinnert sich der 42-jährige Le Corbusier an seine 20 Jahre zurückliegende Initiation in die klassische Architektur, und präzisiert: „Diese „moderne Stadt“ stammt aus dem 15. Jahrhundert“ – es handelt sich um die Kartause von Galuzzo.
Dass Klöster für die europäische Kultur grundlegend sind, ihre Bauten wegweisend waren – das ist bekannt. Was LC, bekennender Atheist, in Begeisterung versetzt, ist die Kartause, eine besondere klösterliche Form, ganz der persönlichen Begegnung mit Gott geweiht. Die Betonung des Einzelnen und Geistigen wirkt entschieden modern; freilich weiß man damals um die Gefährdung. Die Kartause ist gebaute Lebenserfahrung als „Ideal des Gleichgewichts zwischen Einsamkeit und Gemeinsamkeit“. Dieses Ideal wird in seiner Geschichte unterschiedlich ausgeprägt – die vielleicht souveränste sind die Anlagen der Kamaldulensern mit aufgereihten, freistehenden Wohneinheiten und der konzentrierten Gemeinschaftsanlage mit, zentral, der Kirche und den Gäste- und Wirtschaftsbauten.
Die bisherige Forschung hat diesen Gebilden wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ob es an den wenig spektakulären Bauten eines der Armut geweihten Lebens geschuldet ist? Diese Lücke schließt nun die umfangreiche Studie von Matthias Mulitzer. Zugute kommt dem Unternehmen, dass der Autor nicht nur praktizierender Architekt ist, sondern selbst zwei Klosteranlagen realisiert hat (Bauwelt 42.2012). Es dürfte schwer fallen, jemanden zu finden, der mehr in der Sache drin ist, der jede Anlage kennt, die Geschichte dieses Bautyps bis hin zu Bauteilen und Details. So zeigt sich eine Meisterschaft in urbanistischer und baumeisterlicher Hinsicht, die nachvollziehen lässt, was den Rationalisten LC von einer Vision schwärmen ließ.
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