Die Stadt im 20. Jahrhundert | Visionen, Entwürfe, Gebautes
Text: Höhns, Ulrich, Oldenbüttel
Die Stadt im 20. Jahrhundert | Visionen, Entwürfe, Gebautes
Text: Höhns, Ulrich, Oldenbüttel
Zwischen der Gartenstadt Letchworth in Hertfordshire, geplant von Barry Parker und Raymond Unwin, und Poundbury in Dorchester von Léon Krier liegen ungefähr 160 Meilen und ziemlich genau ein Jahrhundert des europäischen Städtebaus, nämlich das zwanzigste. Vergleich man nur diese beiden englischen Beispiele miteinander, dann scheint sich die Stadtbaukunst im Laufe von hundert Jahren um die eigene Achse gedreht zu haben und wieder exakt dort zu stehen, wo sie einmal angefangen hat: in der reflexhaft gutgemeinenten, idealisiert ästhetisierten Bekämpfung der wild gewordenen großen kapitalistischen Stadt, der angeblich nichts Schönes mehr innewohnte, seit sie mit der Industrialisierung explodiert war.
Vittorio Magnago Lampugnani setzt diese beiden auf seltsame Art kongruenten Pole unausgesprochen und fast beiläufig als Merkpunkte an den Beginn und das Ende seiner umfassenden Betrachtung, um seine Lesart der Geschichte des Städtebaus, einer an Utopien, Fehlleistungen und Stein gewordenen Machtgelüsten nicht armen Disziplin, so subjektiv wie vertretbar und so objektiv wie möglich in eine noch einigermaßen handhabbare Form zu bringen und ihr bei aller Fülle des Materials zur „Stadt“ und allen dazu bekannten Deutungsversuchen dennoch etwas Kanonisches abzuringen. Denn nur so und keinesfalls enzyklopädisch, was erklärtermaßen nicht sein Ansatz ist, lassen sich die ganz großen Ideenachsen nachzeichnen, Standards beschreiben, internationale, Zeiten und Systeme überspringende Vergleiche anstellen oder Trends zeigen, die das Weiterbauen unserer Städte bis heute leiten, das ihm zufolge zunehmend aus rein architektonischer Sicht betrieben wird.
Dazwischen breitet er in den zwei Bänden dieses Buches und verteilt auf 28 Kapitel die Glanzlichter und Nebenwege des Städtebaus aus, vorwiegend des europäischen, aber auch mit Einzelblicken auf Nord- und Mittelamerika, die Sowjetunion, Japan sowie die „Gründungshauptstädte“ Chandigarh, Brasilia und Dhaka. Es finden sich Beiträge zur Stadtbaukunst der Beaux-Arts, zum Italien des
Faschismus und zur autogerechten Stadtplanung in New York und Mexico City. Und auch die postmoderne Stadt in den USA zwischen 1960 und 2000 wird betrachtet.
Da die weiteren Beispiele neben bekannten Standards wie Le Corbusiers oder Hilberseimers radikalen Großstadtphantasien, der „Amsterdamer Schule“ um Hendrik Petrus Berlage oder typbildenden amerikanischen Wolkenkratzern als „städtische Bausteine“ offensichtlich gern auch unter Originalitätsaspekten ausgewählt wurden und bis Euralille von OMA oder dem neuen Barcelona „die Abenteuer der typologischen Stadt“ erklären, ist es um so bedauerlicher, dass dazu nicht immer die besten Abbildungen ausgewählt werden, die es ja gäbe. Einige der gezeigten sind praktisch unleserlich. Wer sich für die Herkunft aller Pläne und Fotografien interessiert, findet die Quellen in dem unübersichtlichen, nicht nachvollziehbar gegliederten Nachweis entweder nur unter großer Anstrengung oder überhaupt nicht. Das Literaturverzeichnis nennt angesichts der Fülle des Materials nur die Standardtitel, auch wenn es so scheint, als ob jüngere Publikationen nach 2000 dabei kaum berücksichtigt wurden.
Die Auswahl der Themen und Beispiele zeigt, dass der Autor die Stadt auch phänomenologisch als eine Vielfalt von Formen und Ideen sieht, die weder morphologisch noch zeitlich immer zueinander passen, und folgerichtig reiht er in sein Bild Exoten ein wie nicht Gebautes der italienischen Futuristen, spannt von dort den Bogen zum „Novecento italiano“, oder er stellt urbane Utopien Kasimir Malewitschs, Alexander Rodtschenkos und anderer Avantgardekünstler bis hin zur expressionistischen Stadtdichtung von Paul Scheerbart oder der Filmarchitektur von Hans Poelzig gleichberechtigt in diesen Kosmos, den nicht Stile, Dogmen oder Systeme zusammenhalten, sondern das Bild der Stadt als der zentralen Erscheinungsform der Moderne. Lampugnani geht diesen Ideen unvoreingenommen mit wissenschaftlichen Methoden, aber nicht leidenschaftslos nach. Diese europazentrierte Geschichte des Städtebaus des 20. Jahrhunderts wendet sich nicht an Städtebauer oder Stadthistoriker, sondern an Architekten, die vielleicht viel mehr Stadtplaner sind, als sie es wissen. Mit Lampugnanis Arbeit haben sie eine zweibändige historische Unterfütterung für ihr Tun.
Dazwischen breitet er in den zwei Bänden dieses Buches und verteilt auf 28 Kapitel die Glanzlichter und Nebenwege des Städtebaus aus, vorwiegend des europäischen, aber auch mit Einzelblicken auf Nord- und Mittelamerika, die Sowjetunion, Japan sowie die „Gründungshauptstädte“ Chandigarh, Brasilia und Dhaka. Es finden sich Beiträge zur Stadtbaukunst der Beaux-Arts, zum Italien des
Faschismus und zur autogerechten Stadtplanung in New York und Mexico City. Und auch die postmoderne Stadt in den USA zwischen 1960 und 2000 wird betrachtet.
Da die weiteren Beispiele neben bekannten Standards wie Le Corbusiers oder Hilberseimers radikalen Großstadtphantasien, der „Amsterdamer Schule“ um Hendrik Petrus Berlage oder typbildenden amerikanischen Wolkenkratzern als „städtische Bausteine“ offensichtlich gern auch unter Originalitätsaspekten ausgewählt wurden und bis Euralille von OMA oder dem neuen Barcelona „die Abenteuer der typologischen Stadt“ erklären, ist es um so bedauerlicher, dass dazu nicht immer die besten Abbildungen ausgewählt werden, die es ja gäbe. Einige der gezeigten sind praktisch unleserlich. Wer sich für die Herkunft aller Pläne und Fotografien interessiert, findet die Quellen in dem unübersichtlichen, nicht nachvollziehbar gegliederten Nachweis entweder nur unter großer Anstrengung oder überhaupt nicht. Das Literaturverzeichnis nennt angesichts der Fülle des Materials nur die Standardtitel, auch wenn es so scheint, als ob jüngere Publikationen nach 2000 dabei kaum berücksichtigt wurden.
Die Auswahl der Themen und Beispiele zeigt, dass der Autor die Stadt auch phänomenologisch als eine Vielfalt von Formen und Ideen sieht, die weder morphologisch noch zeitlich immer zueinander passen, und folgerichtig reiht er in sein Bild Exoten ein wie nicht Gebautes der italienischen Futuristen, spannt von dort den Bogen zum „Novecento italiano“, oder er stellt urbane Utopien Kasimir Malewitschs, Alexander Rodtschenkos und anderer Avantgardekünstler bis hin zur expressionistischen Stadtdichtung von Paul Scheerbart oder der Filmarchitektur von Hans Poelzig gleichberechtigt in diesen Kosmos, den nicht Stile, Dogmen oder Systeme zusammenhalten, sondern das Bild der Stadt als der zentralen Erscheinungsform der Moderne. Lampugnani geht diesen Ideen unvoreingenommen mit wissenschaftlichen Methoden, aber nicht leidenschaftslos nach. Diese europazentrierte Geschichte des Städtebaus des 20. Jahrhunderts wendet sich nicht an Städtebauer oder Stadthistoriker, sondern an Architekten, die vielleicht viel mehr Stadtplaner sind, als sie es wissen. Mit Lampugnanis Arbeit haben sie eine zweibändige historische Unterfütterung für ihr Tun.
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