Ernst Scheel Fotograf 1903–1986
Das Hamburgische Architekturarchiv der lokalen Architektenkammer bringt zum diesjährigen Architektur-Sommer einige neue Publikationen heraus, so den theoretischen Nachlass des gebürtigen Hanseaten Peter Behrens und eine kritische Monografie des umstrittenen Architekten Cäsar Pinnau.
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Ernst Scheel Fotograf 1903–1986
Das Hamburgische Architekturarchiv der lokalen Architektenkammer bringt zum diesjährigen Architektur-Sommer einige neue Publikationen heraus, so den theoretischen Nachlass des gebürtigen Hanseaten Peter Behrens und eine kritische Monografie des umstrittenen Architekten Cäsar Pinnau.
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Das Hamburgische Architekturarchiv der lokalen Architektenkammer bringt zum diesjährigen Architektur-Sommer einige neue Publikationen heraus, so den theoretischen Nachlass des gebürtigen Hanseaten Peter Behrens und eine kritische Monografie des umstrittenen Architekten Cäsar Pinnau. Mit dem 33. Band ihrer Schriftenreihe betreten die Hamburger thematisches Neuland. Sie würdigen das Gesamtwerk des Architektur- und Industriefotografen Ernst Scheel. Damit erweitern sie ihr Betrachtungsspektrum um die bildliche Repräsentation und mediale Rezeption des Gebauten.
Ernst Scheel, Sohn eines Justizbeamten, brach eine eigene Laufbahn am Gericht ab, um ab 1924 an der Kunstgewerbeschule Altona eine Ausbildung in Typografie, künstlerischer Reklame und Grafik zu absolvieren. Parallel beschäftigte sich Scheel bereits autodidaktisch mit der Fotografie, konnte Fotos in der Lokalpresse unterbringen. Der gleichaltrige Architekt Rudolf Lodders brachte Scheel mit dem elf Jahre älteren Architekten Karl Schneider (1892-1945) zusammen, der ihn um einige Probeaufnahmen seiner Häuser bat. Schneider galt seit seinem 1923 fertiggestellten Haus Michaelsen als der hanseatische Vertreter einer radikalen Moderne, wurde 1925 von Gropius zur Bauhaus-Ausstellung in Weimar eingeladen. Der hat den richtigen Blick! befand Schneider zu Scheels Fotos – und der wurde bis 1933 sein Hausfotograf für Gebäude, Baustellen, Pläne und Modelle. Aber es blieb keine blutleere Auftragserfüllung: in einer symbiotischen Gemeinschaft wurde der Fotograf zum visuellen Kommentator, vielleicht gar ein Korrektiv der Arbeit Schneiders. So sieht es Olaf Bartels in seinem Buchbeitrag. Scheel entwickelte eine grafisch ausfeilte Bildsprache, unverkennbar geprägt vom Neuen Sehen dieser Jahre. Die apparative Objektivität der Fotografie erweiterten damals Protagonisten wie Albert Renger-Patzsch oder László Moholy-Nagy um neuartige, interpretierende Sichtweisen. Eine Spezialität Scheels wurden seine Fensterblicke aus dem Innenraum hinaus. Sie arbeiteten mit Vorder- und Hintergrund, zelebrierten geradezu die Öffnung zur Natur, die opulente Transparenz und tektonische Reduktion des Neuen Bauens. Darüber hinaus widmete sich Scheel freien bildjournalistischen Themen wie dem Schiffsbau in Hamburgs Werften, technischen Bauten oder maritimen Details. Auch komplexe Publikationen einschließlich Typografie und Einband gestaltetet Scheel um 1930, seinen produktivsten Jahren.
Mit Karl Schneiders Emigration verschwanden auch rund 400 Fotodokumente Scheels in die USA, der Hamburger Senat schlug in den 1980er Jahren ihren Ankauf aus. Kriegsverluste und spätere Beschädigungen im Atelier dezimierten Scheels Archiv zusätzlich. Ein Kuriosum allerdings ist, dass Ernst Scheel ein veritables Konvolut von 8.000 Abzügen und 5.000 Großformat-Negativen, vorrangig aus seiner umfangreichen Nachkriegstätigkeit, selbst seiner Familie verschwieg. Erst 2012 stieß Scheels Tochter auf den Nachlass. Der Hamburger Alltags- und Architekturforscher Hans Bunge rekonstruierte daraus in zweijähriger Arbeit ein verloren geglaubtes und in seiner Spätphase als künstlerisch nachrangig erachtetes Lebenswerk. Die Revision und Kontextualisierung des ganzen Ernst Scheel, eines facettenreichen Schaffens von ästhetischer Gradlinigkeit und Frische – allen politischen Zugeständnissen der NS-Zeit zum Trotz – ist Dank des vorliegenden Bandes nun geglückt.
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