Finding Brutalism
Eine fotografische Bestandsaufnahme britischer Nachkriegsarchitektur
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Finding Brutalism
Eine fotografische Bestandsaufnahme britischer Nachkriegsarchitektur
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Ein grün-schwarzer Einband aus Leinen, darauf eine massive Sichtbeton-Konstruktion in Untersicht – der Auftritt dieser Publikation macht auf den ersten Blick klar, worum es auf den folgenden 260 Seiten geht: um eine Annäherung an eine kurze Epoche der Nachkriegsmoderne, in der es nicht um den Eindruck von Leichtigkeit und Transparenz bzw. gar Mobilität und Flexibilität ging, sondern um das genaue Gegenteil: um Masse, Präsenz und Struktur, was in diesem Fall Konstruktion ebenso meint wie Wegeführung und Programmgliederung. Der britische Brutalismus, ausgelöst Mitte der fünfziger Jahre von der Schule in Hunstanton von Alison & Peter Smithson, zur Blüte gelangt aber vornehmlich in den sechziger und frühen siebziger Jahren, ist der Gegenstand dieser fotografischen Dokumentation von Simon Phipps, die derzeit auch im Museum im Bellpark in Kriens ausgestellt ist (und zwar bis 5. November). Phipps, Jahrgang 1964, Sohn eines Architekten-Paares und aufgewachsen in der Neustadt Milton Keynes, spürt in 192 Duplex-Aufnahmen, welche für die seine Schau begleitende Buchveröffentlichung ausgewählt worden sind, jenem Aspekt nach, der von den Planern seinerzeit zwar mitgedacht wurde, in den kurz nach Fertigstellung der Gebäude für Veröffentlichungen und Dokumentationen angefertigen Fotos aber naturgemäß nicht zur Anschauung gelangen konnte: Die Veränderung der Architektur in der Zeit, ihre Patinierung durch Witterung und Gebrauch. Da Farben fehlen, gleichen sich Baumaterial und Natur teilweise an, wird Moos-Bewuchs ebenso zu einer Schattierung des Beton brut wie die Spuren des Regenwassers. Vor allem aber die ungeheure Plastizität der Architektur ist es, die den Betrachter
in den hervorragend reproduzierten Aufnahmen in den Bann schlägt, ihm zugleich aber auch die Distanz des halben Jahrhunderts bewusst werden lässt – derartig stark gegliederte Volumen verbieten sich heute schon aus Gründen der Energieeinsparverordnung. Was freilich hinter der Verteilung der Fotos einzelner Gebäude über die gesamte Seitenstrecke steckt, hat sich mir nicht erschlossen; vielleicht fehlt mir dazu der Besuch der Ausstellung.
in den hervorragend reproduzierten Aufnahmen in den Bann schlägt, ihm zugleich aber auch die Distanz des halben Jahrhunderts bewusst werden lässt – derartig stark gegliederte Volumen verbieten sich heute schon aus Gründen der Energieeinsparverordnung. Was freilich hinter der Verteilung der Fotos einzelner Gebäude über die gesamte Seitenstrecke steckt, hat sich mir nicht erschlossen; vielleicht fehlt mir dazu der Besuch der Ausstellung.
Abgerundet werden die Bilder von einem Anhang mehrerer Texte: ein aufgrund seiner ausgestellten Bescheidwisserei etwas selbstverliebt wirkender Blick auf „Kunst, Architektur und Gesellschaft im Werk von Simon Phipps“ von Catherine Ince, ein pointierter Aufsatz über Brutalismus und Fotografie von Owen Haterley und ein unbedingt lesenswertes Interview von Stephen Parnell mit der heute 80jährigen Architektin Kate Macintosh. Von den sieben abschließend angehängten Biographien der am Buch Beteiligten ist die des Fotografen Phipps übrigens die kürzeste.
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