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Freie Räume

Strategien für den Wiener Block

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

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Freie Räume

Strategien für den Wiener Block

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

Ein Buch gegen die missverstandene Gleichheit im Städte- und Wohnungsbau: Ohne Scheu vor klaren Worten legt der junge Wiener Architekt Daniel Glaser ein Plädoyer für die Urbanität des gründerzeitlichen Wiener Blocks vor.
Anschaulich gemacht in zahlreichen Schwarzplänen, Grundriss-Schemata und Gebäudeschnitten, wird deutlich, wie die gegenwärtige Praxis der Stadtsanierung und des Wohnungsbaus drauf und dran ist, Stadt zur Siedlung zu verflachen. So wollen beispielsweise die derzeitig gültigen Bebauungspläne für die „Aufwertungsquartiere“ westlich des Wiener Gürtels die bislang in ganzer Parzellentiefe überbauten Blöcke zur blo­ßen Blockrandbebauung reduzieren, mit gärtnerisch gestalteten Innenhöfen, welche die Wohnqualität
er­höhen, ohne dass die Preisgabe des öffentlichen Raums an den Verkehr in Frage gestellt werden müsste. Mit einer derartigen Umwandlung des Blocks zum Hof aber geht, so der Autor, eine für die zunehmend diversifizierte Gesellschaft wichtige Eigenschaft der gründerzeitlichen Typologie verloren: die Bandbreite an unterschiedlichen Wohnlagen. Diese nimmt zwar unterschiedliche Wohnqualitäten in Kauf, gewährt dafür aber auch finanziell schlechter Gestellten Zugang in die zentralen Lagen: „Überall gleich große Wohnungen zu fordern, führt dazu, dass leistbares Wohnen in guten Lagen immer schwieri­-ger umsetzbar wird ... Somit wird auf der einen Seite Gleichheit verordnet (alle sollen Zugang zu gleichwertigen und gleich großen Wohnraum haben), gleichzeitig wird aber Ungleichheit bei der Verteilung von Zentralität in Kauf genommen (der Zugang zu guten Lagen wird erschwert)“, kritisiert Glaser im Hin­blick auf das Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnbausanierungsgesetz. Die Forderung gleicher Wohnqualitäten im Stadtinneren wie an der Peripherie sei mithin gar nicht so sozial, wie sie auf den ersten Blick scheine, sondern leiste der Entmischung Vorschub und lasse also die Stadt mehr und mehr veröden.
Glaser plädiert deshalb für einen Paradigmenwechsel: Der Städtebau möge sich architektonischer Festlegungen enthalten, damit die Architektur nicht städtebauliche Versäumnisse mit großem Aufwand auszubügeln habe – wie in der Wiener Vorgartenstraße geschehen, wo die Architekten PPAG einen gigantischen Wohnriegel in eine dieser Typologie fremde Kleinteiligkeit zurückverwandeln mussten, um der heutigen Anspruchsvielfalt zu genügen (Bauwelt 31.2009). Was Glaser stattdessen vorschwebt, sind Häuser, die nicht kompliziert sind, wohl aber komplex, in dem Sinne, dass sie weniger Festle­gungen treffen und mehr räumliche und soziale Beziehungen möglich machen – radikal einfache Häu­-ser, wie der Autor sie nennt und wie er sie am Ende seiner Untersuchung in vier Beispielen aus dem All­-tag der Blockerneuerung vorstellt: als Neubebauung einer Baulücke mit einseitig belichtetem Seitenflügel, als Anbau eines einseitig belichteten Seitenflügels an ein bestehendes Vorderhaus, als Neubau einer „Stadtvilla“ im Blockinneren und als Neubau eines Hauses mit zweiseitig belichtetem Seitenflü­gel und Anbau. Ein Buch also, das Stadtplaner und Architekten anregt, die herrschenden Konventio­nen in Stadterneuerung und Wohnungsbau zu überdenken, der Vielfalt der Stadt zuliebe.
Fakten
Autor / Herausgeber Daniel Glaser
Verlag Sonderzahl Verlagsgesellschaft, Wien 2011
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aus Bauwelt 21.2012
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