Handbuch und Planungshilfe | Barrierefreie Architektur
Text: Haberle, Heiko, Berlin
Handbuch und Planungshilfe | Barrierefreie Architektur
Text: Haberle, Heiko, Berlin
Es ist unübersehbar, dass die Herausgeber Joachim Fischer und Philipp Meuser das Thema Barrierefreiheit unideologisch angehen wollten, denn schon das Äußere des Buchs stellt einen radikalen Image-Wandel dar: Neon-Pink mit orange-farbenem Gummizug und abgerundeten Ecken erregt es Aufmerksamkeit.
Sie fordern ein „selbstverständliches“ barrierefreies Planen und Bauen, das sich von Behinderung und Alter als alleiniger Motivation löst. Von Barrierefreiheit profitiere jeder, ob er mit Rollstuhl, Blindenführhund, Kinderwagen oder Gepäck unterwegs ist oder einfach einen gewissen Komfort genießen möchte. Ein solches Verständnis von Barrierefreiheit ist zwar längst Konsens, doch die kluge Konsequenz, es auf die eigene Publikation anzuwenden, hat wohl noch niemand so eindeutig gezogen. Die drei Essays, mit denen das Buch beginnt, sind verständlich. Der überzeugendste Beitrag stammt von Philipp Meuser selber: Mit einem knappen historischen Überblick über die gesellschaftliche Emanzipation Behinderter und Verwundeter stellt er die Barrierefreiheit als Ausdruck zivilisatorischer und humanitärer Reife heraus. Barrierefreiheit ist für Meuser also in erster Linie ein gesellschaftlicher Wert und daher alternativlos. Ein architektonisches Kriterium sei sie nicht.
Die meisten der 27 Projekte unterstützen diese These. Viele sind wenig publiziert, andere sind bekannt, aber bisher nicht unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit besprochen worden. Vorgestellt werden Umbauten im Bestand, Einfamilienhäuser, öffentliche Gebäude und zwei Küchenkonzepte. Nur ein Drittel der Beispiele sind Altenheime oder Behinderteneinrichtungen. Insgesamt erfüllt die Auswahl die Forderung nach einer „selbstverständlichen“ Barrierefreiheit, denn bei vielen Projekten erscheint sie verblüffend nebensächlich. Das ermöglicht eine echte Projektschau. Wer jedoch neue Beispiele sucht, die Barrierefreiheit als Entwurfsthema architektonisch inszenieren, wird enttäuscht. Eine zunehmend unsichtbare Barrierefreiheit offenbart zudem einen gewaltigen Nachteil für die Dokumentation. Christine Degenhart benennt in ihrem Essay: „Wer versucht, Barrierefreiheit fotografisch festzuhalten, erkennt schnell (…): Zunächst gibt es idealerweise nichts, das abgebildet werden könnte.“ Viele Informationen, die Fischer und Meuser liefern, sind banal, weil Lösungen, wie Aufzüge mit niedrigem Bedienfeld und Spiegel, Rampen oder Haltestangen schon lange alltäglich sind. Einige Fotos sind viel zu bedeutungsvoll gesetzt oder entbehrlich. Die in den Grundrissen farblich hervorgehoben Rampen, Aufzüge oder barrierefreien WCs über die gesamte Buchlänge mit den gleichen Skizzen entsprechend zu kommentieren, ist überflüssig. Viele Projektbeschreibungen wirken floskelhaft, oberflächlich und hastig verfasst. Bezüge zu den Essays und den Planungsgrundlagen im Anhang werden kaum hergestellt. Angaben zu den teilweise schon länger zurückliegenden Baujahren feh-len gar gänzlich.
Da gewinnt man dann doch den Eindruck, die Herausgeber wollten möglichst schnell ein möglichst dickes und schickes Buch veröffentlichen und haben dafür einige Inhalte aufgeblasen. Die prinzipiell zu lobende grafische Übersichtlichkeit gerät zur Farce, wenn auch der Informationsgehalt übersichtlich bleibt, weil fast identische Grundrisse nebeneinander stehen, wenig aussagekräftige Fotos von Aufzügen oder riesenhaft vergrößerte Planausschnitte ganze Seiten beanspruchen oder viel zu viele Pik-
togrammentwürfe vorgestellt werden. Als Leser und Käufer ärgert man sich jedenfalls über die so geringe Dichte auf den mit 78 Euro (!) teuer erkauften Buchseiten.
Das alles ist schade, denn mit ein wenig mehr Input, Sorgfalt und Zeit wäre den Herausgebern wohl ein großer Wurf gelungen. Dennoch: Eine solche Publikation, die als „richtiges“ Architekturbuch das Thema Barrierefreiheit konsequent, aber ohne erhobenen Zeigefinger vermittelt, war längst überfällig. Ihrem Ziel, eine Wahrnehmung des Themas als selbstverständlicher Teil der Architektur zu erreichen, werden die Herausgeber gerecht: Nach der Lektüre wundert man sich als Architekt, wo und warum es
eigentlich Vorbehalte gab. Zurück bleiben Optimismus, Inspiration und Motivation.
Die meisten der 27 Projekte unterstützen diese These. Viele sind wenig publiziert, andere sind bekannt, aber bisher nicht unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit besprochen worden. Vorgestellt werden Umbauten im Bestand, Einfamilienhäuser, öffentliche Gebäude und zwei Küchenkonzepte. Nur ein Drittel der Beispiele sind Altenheime oder Behinderteneinrichtungen. Insgesamt erfüllt die Auswahl die Forderung nach einer „selbstverständlichen“ Barrierefreiheit, denn bei vielen Projekten erscheint sie verblüffend nebensächlich. Das ermöglicht eine echte Projektschau. Wer jedoch neue Beispiele sucht, die Barrierefreiheit als Entwurfsthema architektonisch inszenieren, wird enttäuscht. Eine zunehmend unsichtbare Barrierefreiheit offenbart zudem einen gewaltigen Nachteil für die Dokumentation. Christine Degenhart benennt in ihrem Essay: „Wer versucht, Barrierefreiheit fotografisch festzuhalten, erkennt schnell (…): Zunächst gibt es idealerweise nichts, das abgebildet werden könnte.“ Viele Informationen, die Fischer und Meuser liefern, sind banal, weil Lösungen, wie Aufzüge mit niedrigem Bedienfeld und Spiegel, Rampen oder Haltestangen schon lange alltäglich sind. Einige Fotos sind viel zu bedeutungsvoll gesetzt oder entbehrlich. Die in den Grundrissen farblich hervorgehoben Rampen, Aufzüge oder barrierefreien WCs über die gesamte Buchlänge mit den gleichen Skizzen entsprechend zu kommentieren, ist überflüssig. Viele Projektbeschreibungen wirken floskelhaft, oberflächlich und hastig verfasst. Bezüge zu den Essays und den Planungsgrundlagen im Anhang werden kaum hergestellt. Angaben zu den teilweise schon länger zurückliegenden Baujahren feh-len gar gänzlich.
Da gewinnt man dann doch den Eindruck, die Herausgeber wollten möglichst schnell ein möglichst dickes und schickes Buch veröffentlichen und haben dafür einige Inhalte aufgeblasen. Die prinzipiell zu lobende grafische Übersichtlichkeit gerät zur Farce, wenn auch der Informationsgehalt übersichtlich bleibt, weil fast identische Grundrisse nebeneinander stehen, wenig aussagekräftige Fotos von Aufzügen oder riesenhaft vergrößerte Planausschnitte ganze Seiten beanspruchen oder viel zu viele Pik-
togrammentwürfe vorgestellt werden. Als Leser und Käufer ärgert man sich jedenfalls über die so geringe Dichte auf den mit 78 Euro (!) teuer erkauften Buchseiten.
Das alles ist schade, denn mit ein wenig mehr Input, Sorgfalt und Zeit wäre den Herausgebern wohl ein großer Wurf gelungen. Dennoch: Eine solche Publikation, die als „richtiges“ Architekturbuch das Thema Barrierefreiheit konsequent, aber ohne erhobenen Zeigefinger vermittelt, war längst überfällig. Ihrem Ziel, eine Wahrnehmung des Themas als selbstverständlicher Teil der Architektur zu erreichen, werden die Herausgeber gerecht: Nach der Lektüre wundert man sich als Architekt, wo und warum es
eigentlich Vorbehalte gab. Zurück bleiben Optimismus, Inspiration und Motivation.
0 Kommentare