Josef Paul Kleihues
Werke 1981–1995
Text: Rumpf, Peter, Berlin
Josef Paul Kleihues
Werke 1981–1995
Text: Rumpf, Peter, Berlin
„Wo und wie aber genau der von Kleihues erfundene ,poetische Rationalismus‘ nun in seiner Architektur aufscheint, wird vielleicht in den Entwürfen nach 1980 deutlicher werden.“ Diese Hoffnung, geäußert vor fünf Jahren in der Rezension zu Band 1, Werke von 1966–1980 (Bauwelt 14.08), ist nun in Erfüllung gegangen.
Torsten Scheer widmet sich in seinem einleitenden Essay ausführlich diesem zentralen Leitbild Kleihues’scher Architektur. Gerade in dem gewählten Zeitraum stehen ihm dazu zahlreiche Entwürfe (12) und gebaute Beispiele (20) zur Verfügung, an denen er – wenn auch nicht an allen – das Poetische und das Rationalistische aufzeigen kann. „Der Widerspruch als ästhetisches Prinzip“ überschreibt Scheer folgerichtig seine Betrachtungen zu „Josef Paul Kleihues als Theoretiker in den 1980er Jahren“. Als signifikantes Anschauungsobjekt dient ihm u.a. das Berliner Büro- und Geschäftshaus Kantdreieck (1984–95) samt seinen zahlreiche Planungsvarianten: mit dem natursteinverkleideten Sockel in der für Berlin traditionellen Traufhöhe, dem konstruktivistischen Turmaufbau und dem „Windsegel“ als Krönung, mit dem Kleihues weithin sichtbar die Grundfläche des Kantdreiecks hochkant wiederholt. Das Rationalistische eben und die Poesie, auch ein Beleg für das Bestreben, die als verloren beklagte Einheit von Ästhetik und Technik zurückzugewinnen.
Nicht ganz so schlüssig gelingt dem Autor das am Beispiel der Häuser Sommer und Liebermann, die den wiederhergestellten westlichen Abschluss des Pariser Platzes bilden und das Brandenburger Tor flankieren (1993–98). Der Architekt nennt die Replik selbst historisch, im Gegensatz zu historistisch. Torsten Scheer dazu: „Tradition und Moderne erscheinen so als dialektische Einheit, die nicht harmonisieren will, indem sie Kontinuitäten anstelle von Brüchen konstatiert, sondern im Gegenteil die dialektische Opposition von Gegenwartsbewusstsein und Vergangenheit als strukturelle Bedingungen architektonischer Problemlösung vorführt. Die Gegenwart verweigert sich weder der Tradition noch wird die Gegenwart der Tradition wegen verweigert.“ (Solche Sätze muss man dann schon zweimal lesen.)
Dieses Beispiel aus der Nachwendezeit führt zu einem anderen Leitbegriff in Kleihues’ Architektur, der „kritischen Rekonstruktion“ – und damit zurück zu seiner Tätigkeit als Direktor des Bereichs IBA-Neubaugebiete 1984/87. Dazu werden kurze Selbstaussagen des Architekten zitiert, auch als Kommentar zu dem aus 70 Einzelblättern zusammengesetzten „Masterplan zur Internationalen Bauausstellung Berlin, zentraler Bereich und Demonstrationsgebiete südliches Tiergartenviertel und südliche Friedrichstadt“. Kritische Rekonstruktion setzt – nach Kleihues – die Analyse der Stadt, also vorhandener Strukturen und Straßenverläufe, als Grundlage des Planungsprozesses voraus – hin zur „Wechselwirkung von städtischem Kontext und autonomer Formfindung“.
Den Schwerpunkt dieser im Wortsinn gewichtigen Werkmonografie bilden chronologisch die Projekte und realisierten Beispiele, städtebauliche Gutachten und Wettbewerbsbeiträge angenehm großzügig und im Layout ansprechend vorgestellt, jeweils kurz kommentiert von TS oder AM (Andrea Mesecke, der Mit-Herausgeberin). Gewünscht hätte man sich vielleicht einen ausführlicheren Text zur IBA, weil deren Einfluss auf das neu gewonnene Verständnis der Berliner Stadtstruktur und auf die Architektur schlechthin gar nicht hoch genug zu bewerten ist. Aber angesichts der umfangreichen Katalogliteratur, die zur IBA vorliegt, ist dieser Wunsch eher nichtig, denn das vorliegende Buch will sich ja dem Architekten JPK widmen und nicht dem Manager oder besser Dompteur, auf den er sich ebenso meisterlich verstand. Josef Paul Kleihues starb 2004. Somit steht der Zeitraum des dritten Bandes bereits fest.
0 Kommentare