Klaus Kinold
Fotografien der Bauten von Hans Döllgast, Rudolf Schwarz und Carlo Scarpa
Text: Gebler, Tina, Brandenburg an der Havel
Klaus Kinold
Fotografien der Bauten von Hans Döllgast, Rudolf Schwarz und Carlo Scarpa
Text: Gebler, Tina, Brandenburg an der Havel
Mit Blick auf Klaus Kinolds Architekturfotografienbekommt das Wort „Bauaufnahme“ eine ganz andere Bedeutung: Es ist, als würde er die Kameraals vermessendes, zeichnendes Instrument nutzen, um die Bauten seiner Zeitgenossen in Gänze zu verstehen – ganz im ursprünglichen Sinne des Wortes Fotografie: mit Licht zeichnen. Im Zentrum der meist schwarzweiß gehaltenen Bilder stehen die Gebäude, an die sich der studierte Architekt Schritt für Schritt, Aufnahme für Aufnahme heran tastet. Es ist menschenleer; der Himmel zumeist wolkenverhangen, so dass ein diffuses Licht den Blick auf jedes einzelne architektonische Detail ermöglicht. Anstatt die Aufmerksamkeit durch spektakuläre Perspektiven, dramatische Lichtsituationen oder radikale Ausschnitte auf den eigenen subjektiven Blick zu lenken, ist Kinold ganz in der Tradition der Düsseldorfer Fotoschule um Bernd und Hilla Becher um Sachlichkeit bemüht – oder, wie er es nennt, darum, „Architektur [zu] zeigen, wie sie ist.“
Seit den 60er Jahren dokumentiert Kinold die Gebäude seiner Zeitgenossen, für eine Buchreihe im Hirmer Verlag sichtet er nun sein mit denJahren gewachsenes Bildarchiv: Nach Carlo Scarpa und Rudolf Schwarz ist jetzt ein Band zu den Bauten von Hans Döllgast erschienen – weitere Titel zu Heinz Bienefeld, Egon Eiermann und Mies van der Rohe sollen folgen. Kinolds stille Aufnahmen werden begleitet von einführenden Texten des Architekturkritikers Wolfgang Jean Stock und des Fotohistorikers Hans-Michael Koetzle, die sich weniger den Fotografien als vielmehr den Architekten und ausgewählten Bauprojekten widmen.
Gerade bei dem Band zu Döllgast, der durch seinen behutsamen Wiederaufbau der kriegszerstörten Alten Pinakothek und der Basilika St. Bonifaz in München bekannt ist, gelingt der Dialog zwischen Architektur und Fotografie: Ähnlich der sensiblen Entwurfshaltung Döllgasts, der immer nach einer Begegnung auf Augenhöhe zwischen Bestand und neuer, klar erkennbarer Zutat strebte, findet sich auch in den Fotografien Kinolds ein großer Respekt vor dem Bestehenden, dem Objekt vor der Linse. Beide treffen sich darin, sich nicht dominant durch einen markanten ästhetischen Eingriff abheben zu wollen.
Im Band zu Rudolf Schwarz finden sich überraschenderweise auch einige frühe Farbfotografien, die zeigen, was jedoch passiert, wenn Kinolds Blick für das Grafische in der Schwarzweißfotografie mit den bildgestalterischen Ansprüchen von Farbfotografie konfrontiert wird: Plötzlich treten Flächen, Lichtsituationen und Atmosphären in Konkurrenz zu den Linien seiner geometrischen Bauaufnahmen. Kinolds Farbfotografien sind überfüllt von visuellen Informationen, deren Reduktion ihm in der Schwarzweißfotografie so brillant gelingt: Ein kleiner, grüner Zweig eines Baumes wird plötzlich ebenso wichtig wie der eigentliche Bildgegenstand, die Architektur. In diesen kleinen Störmomenten zeigt sich auch, wie unrealistisch Kinolds Objektivitätsanspruch ist: Seine besten Fotografien sind gerade die abstrakten Architekturzeichnungen, die versuchen, Studiobedingungen in den Außenraum zu bringen – und genau für diese lohnt es sich, einen Blick in Kinolds neue Bildbandreihe zu werfen.
0 Kommentare