Made in Denmark
Formgestaltung seit 1900
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Made in Denmark
Formgestaltung seit 1900
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
In den 1980/90er Jahren gehörte eine Stelton-Isolierkanne für den Besprechungskaffee zum Inventar jedes Architektur- oder Ingenieurbüros. Wer mutig war, nahm sie, statt in schwarzem oder weißem Kunststoff, in einer der intensiven Farben, die bis heute produziert werden, immer ergänzt um modische Töne. Diese Ikone dänischen Designs entwarf 1977 der als Keramiker ausgebildete Erik Magnussen (1940–2014). Aber auch der Architekt Arne Jacobsen (1902–1971) war für die Firma tätig, er schuf bereits in den 1960er Jahren die Edelstahlserie Cylinda: formal reduziertes Tischgefäß, Cocktailshaker, Gewürzmühlen, Aschenbecher. Jacobsens Philosophie „Gutes Design sollte für jeden erschwinglich sein“ klang damals engagiert, seine Produkte allerdings waren nie echte Schnäppchen. Das gilt besonders für die Möbel, die Jacobsen etwa für die 1872 gegründete Möbelfirma Fritz Hansen entworfen hat und die das Markenzeichen der mittlerweile „Republic“ genannten Produktfamilien sind. Das „Ei“ etwa, der legendäre Ohrensessel von 1958 für die öffentlichen Bereiche des SAS Royal Hotels in Kopenhagen, startet aktuell mit einem Listenpreis von gut 5000 Euro, in Leder kann er über 13.000 kosten. Das scheint generell das Dilemma hochwertigen Designs, das auf werthaltiges Material, handwerkliche Produktionsstufen und hohe Verarbeitungsqualität setzt.
Eine informative Ausstellung im Grassi Museum für Angewandte Kunst in Leipzig zeichnete kürzlich mit rund 320 Objekten aus der eigenen Sammlung den Weg der dänischen Formgestaltung von 1900 bis in die Gegenwart nach. Dazu erschien die umfassende Begleitpublikation, die sich auch mit diesem, in Leipzig ja nicht unbedingt vermuteten Sammlungsschwerpunkt befasst. Aber bereits zur Eröffnung des Museums 1874 gehörten dänische Keramiken zum Grundstock des Hauses. Der Bestand wurde kontinuierlich, wenngleich bescheiden, erweitert, etwa durch Ankäufe aus den bis 1941 veranstalteten Frühjahrs- und Herbstmessen, stets mit treuer dänischer Beteiligung. Einen Quantensprung verzeichnete die Sammlung allerdings erst in den letzten Jahren durch mehrere hochrangige Schenkungen. Sie ist so auf über 650 auch mehrteilige Objekte angewachsen, mit Desideraten im Bereich Glas, Textil, Gebrauchsgrafik, aber auch Möbeln.
Die Gliederung des Buches folgt den Ausstellungskapiteln, ohne den Epilog einer privaten Schmucksammlung, zu der eine eigene Publikation vorliegt. Die historische Herleitung eines spezifischen Gestaltungsansatzes beginnt mit dem Skønvirke, der dänischen Spielart des Jugendstils. Hier sind es künstlerische Unikate der Keramik oder Kleinserien zu Tafelsilber und Tischkultur in ausgeprägter Ornamentik. Mit einem internationalen Funktionalismus setzte sich auch die industrielle Formfindung durch, mit dem Kuriosum, das Produkte des sich etablierenden Markenzeichens „Made in Denmark“ in globalen Kooperationen produziert werden, so die in Thailand hergestellten Koch- und Fonduetöpfe aus buntem Emaille. Die 1950er und 60er Jahre beherrschten die großen dänischen Entwerfer wie Arne Jacobsen oder Verner Panton (1926–1998), er mit ausgeprägtem Faible für psychedelischen Pop und starke Farben. Aber auch die stillen, handwerklich präzisen Entwürfe von Hans J. Wegner (1914–2007) entstanden, fast wie ein Gegenmodell zur proklamierten Industrieform. Leider fehlten sie in der Ausstellung, somit auch in der Publikation.
Mit dem globalen Siegeszug eines gewissen schwedischen Low budget-Möbelhauses ging das dänische Design in einem skandinavischen auf. Und auch das Traditionshaus Fritz Hansen lässt neben seiner „Classic Collection“ längst internationale Entwerfer aktuelle Möbel und Wohn-Accessoires erfinden. Durch den Kopenhagener Glücksforscher Meik Wiking erlebt das dänische Lebensgefühl seit einigen Jahren einen Relaunch: Er hat eine wahre Publikationsflut zu dem mittlerweile auch im Duden erläuterten Wohlgefühl namens „Hygge“ losgetreten. Design kann also glücklich machen.
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