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Monopoly: Das Spiel, die Stadt und das Glück

„Im Kern nicht frei von Zynismus“

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

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Monopoly: Das Spiel, die Stadt und das Glück

„Im Kern nicht frei von Zynismus“

Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin

„Fünf Worte, ich erinnere mich genau, haben über mein Schicksal entschieden: ,Rücke vor bis zur Schlossallee‘. Kein freundliches ,bitte‘ mildert die vernichtende Botschaft, kein höfliches ,Sie‘ zeigt an, dass mir Respekt auch im Angesicht der Niederlage gebührt.
Ein schmuckloser Imperativ vernichtet meine Existenz. Dass sich ein schwungvoller Rhythmus durch den Satz zieht, scheint pure Ironie: Fast könnte man singen, was auf der abgegriffenen roten Karte steht, und eine kleine, raffinierte Pause einlegen vor dem fatalen Schlusswort, für das der Setzer eigens eine neue Zeile reserviert hat: ,Schloss­allee‘.“

Wohl jeder vermag es, bei der Lektüre dieser Sätze mit deren Autor Andreas Tönnesmann mitzufühlen. Wer kennt es nicht, das Spiel und seinen halsbrecherischen Mietwucher, mit dem man auf so gesellige Weise verregnete Sonntagnachmittage verbringen kann? Seit dem bundesrepublikanischen Wirtschaftswunder ist „Monopoly“ Teil der deutschen Alltagskultur – und ist es weit darüber hinaus. 43 Länderausgaben bis dato und 275 Millionen verkaufte Exemplaren haben das Spiel um Stadt und Immo­bilienwirtschaft seit seiner glanzvollen Markteinführung zum Weihnachtsgeschäft 1934 in Daniel Burnhams Warenhauspalast Wanamaker in Philadelphia zum erfolgreichsten Gesellschaftsspiel aller Zeiten werden lassen; längst hat es auch in China reüssiert. Tönnesmann, Kunstgeschichtler und Literaturwissenschaftler und Professor für Kunst- und Architekturgeschichte an der ETH Zürich, hat sich daran gemacht, die Genealogie des Spiels aufzudecken und die Geschichte seines weltumspannenden Siegeszugs zu schreiben. Und dies ist ihm – der oben zitierte Einstieg in sein Buch mag als Beleg genügen – auf ebenso unterhaltsame wie informative Weise gelungen.

Georgismus und Physiokratie, die Künstlerkolonie Arden des Architekten Will Price und der Urlaubsort Atlantic City, die Quäkerin Lizzie Magie Phillips und der Sozialist Scott Nearing – tief gräbt Tönnesmann, um die Fundamente des Spiels in der (US-amerikanischen) Kulturgeschichte freizulegen. Aber dort macht sein forschender Blick noch lange nicht halt. Der Autor geht zurück bis zu den Idealstädten und Utopien der Renaissance, um den Modellcharakter von „Monopoly“ als urbanes Gemeinwesen abzuleiten, zu messen und zu bewerten.

Das allein ist eine anregende Lektüre. Was das Buch aber nicht zuletzt für Architekten und Stadtforscher interessant macht, ist Tönnemanns auf den Punkt gebrachte Analyse der von Länderausgabe zu Länderausgabe variierten, der jeweils spezifischen Stadtkultur angepassten Gestalt. So zeigt er nicht nur, dass die Spielidee dermaßen robust ist, dass sie selbst von den Insassen des Ghettos Theresienstadt anverwandelt werden konnte, er liefert auch bis hinein in die Wahl der Straßennamen politische Belege für die Ursache von wirtschaftlichem Erfolg oder Misserfolg: Während dem deutschen Vorkriegs-Monopoly mit seinen Berliner Adressen etwa der Faux pas unterlief, Goebbels Anwesen auf Schwanenwerder als existenzbrechenden Vorläufer der „Schlossallee“ angreifbar zu machen, gelang Emilio Ceretti zur gleichen Zeit in Italien eine zwar unverkennbar auf Mailand bezogene und faschistisch geprägte Ausgabe, diese aber war weit genug abstrahiert, um mit nur kleineren Änderungen auch im demokratischen Italien bestehen zu können.

Dass das Buch hinsichtlich der westeuropäischen Ausgaben in den 60er Jahren endet, ist ihm nicht vorzuwerfen, schließlich steht ungeachtet zahlloser Regionalausgaben eine Überarbeitung etwa der deutschen Basisversion aus. Welche Adressen angesichts von Gentrifizierung und Stadtumbau die urbane Gegenwart widerspiegeln könnten, darauf kann sich der Leser nach der Lektüre freilich mühelos selbst einen Reim machen.
Fakten
Autor / Herausgeber Andreas Tönnesmann
Verlag Wagenbach, Berlin 2011
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aus Bauwelt 36.2012
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