Bauwelt

Musée Sentimental 1979

Auf den Spuren einer Ausstellung

Text: Froschauer, Eva Maria, Berlin

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Musée Sentimental 1979

Auf den Spuren einer Ausstellung

Text: Froschauer, Eva Maria, Berlin

Mitten drin ein Teil des monströsen bronzenen Pferdehinterns, der Schweif daneben; einige Bleistifte von Heinrich Böll, Adenauers Rosenschere und die Erbse, über die die Heinzelmännchen stolperten, auch die Nägel vom Dreikönigsschrein. Das ist Köln. Das war Köln Incognito 1979.
Dieses Buch erzählt von einem Ereignis, das dreißig Jahre zurück liegt. Nach allem, was über die Ausstellung „Le Musée Senetimental de Cologne“ aus dem Jahr 1979 berichtet ist, muss es ein buntes, freudiges und vielbesuchtes Spektakel gewesen sein, das zudem eine neue und bleibende Kategorie im Ausstellungswesen etabliert hat. So ist das „sentimentale Museum“ auch zum feststehenden Begriff für eine Kunst- und Ausstellungsform geworden, die Alltagsgegenstände, Relikte, Reliquien und Kunst­objekte aus einem lokalen Bezug in eine gesetzte Ordnung bringt und damit ein gefühliges Moment in Besuchern wach ruft. Das erste „Museum“ dieser Art war 1977 in Paris und zur Eröffnung des Centre Pompidou eingerichtet worden, nach Köln gab es welche in Berlin, Basel, Krems und Graz. Warum nun ein Buch über ein längst verflogenes Projekt? Was war der Beweggrund der Herausgeberinnen, hier penibel nachfragend und aus der Perspektive der em­pirischen Kulturwissenschaft die Protagonisten von damals aufzusuchen und mehr über diesen wunder­samen Moment in der Kunstszene Kölns zu erfahren? Es war die Suche nach dem Ursprungsgrund eines Objektverständnisses im Zusammenhang mit dem Ausstellen, worüber auch neue Zugänge zum „Ding“ entstanden waren, die wir heute als recht selbstverständlich ansehen.
Ein wenig kann man sich das so vorstellen: Wie damals Daniel Spoerris und Marie-Louise von Plessens Ausstellungsprojekt gemeinsam mit einer Studierendengruppe der Kölner Fachhochschule für Kunst und Design sich über die Recherche und das Zusammentragen der Dinge machte, so ist auch dieses nachbetrachtende Buch als ein engagiertes Studienprojekt rund um Anke te Heesen entstanden. Die Wissenschaftshistorikerin und Kulturwissenschaftlerin hat schließlich in den letzten Jahren über zahlreiche Projekte einen innovativen Zugriff auf das Thema des Sammelns entwickelt.
Wie folgte nun die Projektgruppe heute den Spuren einer Projektgruppe von 1979? Gearbeitet wurde auf drei Ebenen: einmal mit ausführlichen Interviews, in denen die damals Agierenden ihre Sicht der Dinge und den Verlauf, ihren Part und ihre heutige Einschätzung darlegen; genau nachgefragt, sehr persönlich erzählt. Die Interviews sind trotz oder gerade wegen der Distanz von drei Jahrzehnten in der Lage, ein greifbares Bild für den heutigen Leser entstehen zu lassen, die Ausstellung steht ihm vor Augen, auch ohne jemals dort gewesen zu sein. Je nach Naturell, Position und damaliger Rolle der Befragten werden so unterschiedliche Sprachen und Leidenschaften rund um das Ereignis deutlich. Die Schauspielerin Dana Cebulla „rockt“ da immer noch flapsig das Szenario, während die Historikerin von Plessen mit abgeklärtem Blick spricht, der Künstler Spoerri in seinem Metier taucht und Bazon Brock zu wortreichen Interpretationen greift; die Stimmen der ehemals Studierenden lassen die Arbeits­atmosphäre verstehen.
Eine zweite Ebene, der Information, liegt im Abdruck von Archivalien, die viel Unmittelbarkeit erzeugen: So ist zu sehen, wie mittels Listen über die Stichworte der Ausstellung gerungen wurde. Eine Reihe von Fotos ergänzt den Band, allerdings nur in einheitlichem Zeitungsgrau. Die dritte Ebene, der Reflektion, geschieht in den Aufsätzen, die das Musée Sentimental in den weiteren Denkzusammenhang der künstlerischen Arbeitsweise „Sammeln“, den Fragen des Objekts, der Ausstellungskonventionen und einer modernen Museologie stellen.
So ist die Geschichte von 1979 gut zu begreifen. Am liebsten will man deshalb immer wieder über den Buchdeckel streichen, wo sich im sanften Relief ein Holztisch und ein Bierdeckel, der zur Ausstellung produziert wurde, abheben.
Fakten
Autor / Herausgeber Anke te Heesen und Sanne Padberg (Hrsg.)
Verlag Hatje/Cantz, Ostfildern 2012
Zum Verlag
aus Bauwelt 17.2012
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