Radical Commonplaces
Architektur und Stadtplanung aus Flandern
Text: Kleilein, Doris, Berlin
Radical Commonplaces
Architektur und Stadtplanung aus Flandern
Text: Kleilein, Doris, Berlin
Jahrbücher sind ja in der Regel eine vorhersehbare Angelegenheit mit Grußwort, Vorwort und einer Aneinanderreihung von Projekten. „Radical Commonplaces – European Architecture in Flanders“, der gewichtige Band des Flämischen Architekturinstituts (VAi) in Antwerpen, will mehr sein als das: ein „Album der Ambitionen“, wie vai-Direktor Christoph Grafe schreibt.
Wie geht das? Natürlich gibt es auch hier 16 ausgewählte Projekte, vom Wohnhaus bis zum Shoppingcenter. Dabei wird das Interpretationsfeld zuerst den Fotografen überlassen: Eine Fotostrecke mit hundert Seiten auf Hochglanzpapier zeigt den persönlichen Blick von zehn Fotografen, die eine „carte blanche“ bekommen haben: den Freibrief, sich ausgewählten Projekte auf ihre Art zu nähern. Der Fotoessay durchstreift den Alltag der Häuser und Städte, von den spröden Schwarz-Weiß-Fotos von Marc De Blieck bis hin zu den impressionistischen Farbstimmungen von Dieter Telemans vom Brüsseler Kollektiv Nadaar. Natürlich ist auch Belgiens bekanntester Architekturfotograf Filip Dujardin mit von der Partie.
Die Architekturkritiker hingegen kommen erst im zweiten Teil zu Wort: Neun Essays widmen sich übergreifenden Themen, von der Stadterneuerung bis zum spezifischen Beitrag flämischer Büros zum Wohnen in der Suburbia. Neben bekannten belgischen Autoren wie Stefan Devoldere und André Loeckx schreibt Axel Sowa zum Material Holz, das in Flandern immer wieder stilprägend eingesetzt wird, und die Niederländerin Aglaée Degros verhandelt den vernachlässigten öffentlichen Raum. Diese zweite Buchhälfte ist keineswegs eine Bleiwüste, vielmehr sind die eingangs porträtierten Projekte mit Plänen und Fotos zu den Essays gruppiert – das ist zum Teil etwas verwirrend, da die Projekte hier und dort auftauchen. Der „Architectural Review Flanders N°10“ gelingt es, Seh- und Lesegewohnheiten aufzubrechen – und ganz en passant den wohl zur Zeit besten Überblick über flämische Architektur zu liefern.
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