Bauwelt

Theresienstadt

Eine Zeitreise

Text: Landes, Josepha, Dresden

Eventteaser Image
  • Social Media Items Social Media Items

  • Social Media Items Social Media Items


Theresienstadt

Eine Zeitreise

Text: Landes, Josepha, Dresden

Theresienstadt war ein Meisterwerk des Festungsbaus. Doch das assoziieren wohl die Wenigsten mit der Stadt im Nordwesten Tschechiens. In der Gedankenkette folgen eher die Namen Auschwitz, Dachau, Buchenwald – der Massenmord an Juden und „Regimefeinden“ durch die Nationalsozialisten.
 Ideal zum Aussperren, war die Festung auch ideal zum Einsperren. Theresienstadt gab es aber schon vor dem „Dritten Reich“. Der Name geht auf Kaiserin Maria Theresia von Österreich zurück. Ihr Sohn Joseph II. gab 1780 den Befehl, im damals österreichischen Böhmen, am Zusammenfluss von Eger und Elbe eine Wehranlage zu bauen.
Uta Fischer und Roland Wildberg verfassen eine leicht lesbare und reich bebilderte Chronik Theresienstadts, vom Bau der Garnisonstadt und der kleinen Festung bis in unsere Tage. Hier und da ergänzen den Text Schaukästen mit Informationen zu Architektur und Planung, Personen oder zeitlichen Abfolgen.
Wer drinnen und wer draußen, wer Freund und wer Feind vom „Herrscher“ über Theresienstadt war, das änderte sich über die Jahre. Erstaunlich ist, wie gut sich die politische Entwicklung Zentraleuropas anhand dieser Stadtgeschichte erzählen lässt: Theresienstadt wird als Bastion der Österreicher gegen die Preußen erbaut. Die Festung manifestiert den Konflikt zwischen den Großmächten des deutschen Bundes, den Häusern Habsburg und Hohenzollern. Auch im 19. Jahrhundert steht die Festung stellvertretend für das politische Hin und Her in den deutschen Territorien, insbesondere seinen Rand­gebieten, und die rasante (militär-)technische Entwicklung. Schon bald nach ihrer Inbetriebnahme ist sie zur Verteidigung ungeeignet, im Deutschen Krieg von 1866 bereits unbedeutend und im 1. Weltkrieg längst keine Bastionärfestung mehr, die Kriegsführung hatte sich geändert.
Fischer und Wildberg binden die Beschreibung der Anlage und dessen, was dort geschah sowohl in den Lauf der Zeit als auch in den europäischen Kontext ein. Theresienstadt war nacheinander öster­reichische, tschechische, deutsche, tschechoslowakische und schließlich wiederum tschechische Stadt. In der Hauptsache behandelt das Buch die Jahre von 1940 bis 1945. Die Nazis hatten die einstige Garnisonstadt zum „Alten-“ und „Vorzeigeghetto“, respektive Durchgangslager gemacht, in der Kleinen Festung folterte und mordete die Gestapo. Nach dem Krieg nutzten auch die Tschechen sie als Gefängnis; und schon bei den Österreichern war sie, nachdem nicht mehr Heer-Unterkunft, Haftanstalt: Gavrilo Princip, der 1914 mit dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger in Sarajevo den 1. Weltkrieg ausgelöst hatte, saß hier in Einzel- und Dunkelhaft, „verfaulte bei lebendigem Leibe“.
Die Autoren beschreiben empathisch, nicht akademisch. Roland Wildberg arbeitet als Journalist u.a. für „Die Welt“. Uta Fischer war als Stadtplanerin an den Stadtentwicklungsplanungen für Theresienstadt beteiligt. Allerdings werden die Entwicklungsmöglichkeiten für die Stadt im Buch nur knapp dargelegt. Im Ausblick hätte man sich mehr Details gewünscht. Offensichtlich entwickeln die heute etwa 3000 Bewohner zunehmend Initiativen, um sich den Ort anzueignen. Neben dem „Lagertourismus“, derzeit Motor der Wirtschaft, soll in Zukunft auch die Militärgeschichte in den Fokus des Fremdenverkehrs rücken. Zudem steht ein UNESCO-Titel ins Haus. Das Erbe des „Dritten Reiches“ lähmt das Städtchen. Dabei stellen selbst ehemalige Häftlinge des Ghettos fest, dass die Hauptfestung, die heutige Stadt Terezín, ihren eigenen Weg gehen muss. Wer will schon mit dem Grauen der Vergangenheit leben? Es leuchtet ein, dass es eine Stadt, in der alles bleibt, wie es zu Zeiten des Ghettos war, nicht geben kann. Das Elbe-Hochwasser 2002 gab Antrieb, mit dem Wiederaufbau auch die Entwicklung der Stadt anzustoßen.
Fakten
Autor / Herausgeber Uta Fischer und Roland Wildberg
Verlag Wildfisch Verlag, Berlin 2012
Zum Verlag
aus Bauwelt 47.2013
Artikel als pdf

0 Kommentare


loading
x
loading

15.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.