Wegweiser zum Glück
Bilder einer Straße 1979–1981
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Wegweiser zum Glück
Bilder einer Straße 1979–1981
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Die Steinhammerstraße in Dortmund liegt im Westen des Stadtgebiets, im Ortsteil Marten. Eingezwängt zwischen zwei Bahndämmen – den der Fernbahngleise im Süden, den der S-Bahn von der City zum Martener Nachbarort Lütgendortmund im Norden –, reihen sich hier Wohn- und Geschäftshäuser, wie sie für das Ruhrgebiet typisch sind.
Zumeist in der Hochphase der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, zwei bis vier Geschosse hoch, zur Straße hin mit Putzfassade, nach hinten raus in Sichtbackstein, mitunter auch in Fachwerk ausgeführt, unten Ladenflächen oder, an den Straßenecken, Gaststätten; dazwischen mal eine Lücke für Tankstelle oder Werkstatt. Dahinter, den Maßstab der Straße bis in die 70er Jahre überragend und relativierend, die Zeche; Germania hieß sie. Alles zusammen, die Straße, die Gleise, die Zeche, eine kleine Welt. Was nicht abschätzig gemeint sein soll: In den 50er Jahren hier aufzuwachsen, bedeutete, das vollständige Bild des Daseins in einer deutschen Industriestadt eingeprägt zu bekommen.
Wilhelm Schürmann ist hier aufgewachsen. Mitte der 60er Jahre verließ der 1946 Geborene die Steinhammerstraße Richtung Aachen zum Studium. Als Anfang 30-Jähriger begann er, inzwischen Fotograf, die Welt seiner Kindheit zu fotografieren, und zwar mit doppelter Herangehensweise: mit der Kleinbild- wie mit der Großbildkamera; mit sicherem Blick auf die Situation reagierend, aber auch mit Bedacht seine Motive inszenierend. Über 2000 Aufnahmen sind so vom Sommer 1979 bis Herbst 1981 entstanden, sämtlich in Schwarz-Weiß; 164 davon hat der Fotograf nun ausgewählt für das Buch „Wegweiser zum Glück. Bilder einer Straße“, das anlässlich einer Ausstellung in der Kölner Stiftung Kultur erschienen ist. Der Titel bezieht sich auf eine Aufnahme, die den Schnappschüssen der Serie zuzurechnen sein dürfte: „Wegweiser zum Glück“ lautete der Titel eines Verzeichnisses, das damals alle 4000 Lottoannahmestellen in Nordrhein-Westfalen auflistete; einem Kunden im Spiel- und Schreibwarengeschäft seines Onkels ragt es aus
der Gesäßtasche.
Schürmann hat diese Auswahl zu einer abwechslungsreichen Bildfolge arrangiert. Doppelseitige Totalen der Straße und ihrer Querstiche gliedern eine beziehungsreiche Folge von Blicken in Geschäftsräume und Wohnungen, auf Einrichtungsdetails und Beschilderungen; von spontan festgehaltenen Gesprächsrunden und Passanten wie von sorgfältig ins Bild gesetzten Porträts der Nachbarn. Schürmann kennt diese Welt genau – und sie kennt ihn. Ihre Dokumentation, knapp anderthalb Jahrzehnte, nachdem er ihr den Rücken gekehrt hat, ist ein vertrauter Blick auf eine kleinbürgerliche Umgebung mitsamt ihren Freiheitsangeboten. Und diese lässt sich ruhig von ihm anschauen: eine Wohn- und Geschäftslage, die noch gezeichnet ist vom Alltag in der industriellen Epoche und schon die Anzeichen von Niedergang und Wandel trägt. 1971 wurde die Zeche Germania stillgelegt, das Fördergerüst der Architekten Schupp und Kremmer findet seitdem, wer mit dem Zug von Dortmund an der Steinhammerstraße vorbei nach Bochum rauscht. Als Schmuckstück des Bergbaumuseums ist es dort zu einem Wahrzeichen des Ruhrgebiets geworden.
Wilhelm Schürmann ist hier aufgewachsen. Mitte der 60er Jahre verließ der 1946 Geborene die Steinhammerstraße Richtung Aachen zum Studium. Als Anfang 30-Jähriger begann er, inzwischen Fotograf, die Welt seiner Kindheit zu fotografieren, und zwar mit doppelter Herangehensweise: mit der Kleinbild- wie mit der Großbildkamera; mit sicherem Blick auf die Situation reagierend, aber auch mit Bedacht seine Motive inszenierend. Über 2000 Aufnahmen sind so vom Sommer 1979 bis Herbst 1981 entstanden, sämtlich in Schwarz-Weiß; 164 davon hat der Fotograf nun ausgewählt für das Buch „Wegweiser zum Glück. Bilder einer Straße“, das anlässlich einer Ausstellung in der Kölner Stiftung Kultur erschienen ist. Der Titel bezieht sich auf eine Aufnahme, die den Schnappschüssen der Serie zuzurechnen sein dürfte: „Wegweiser zum Glück“ lautete der Titel eines Verzeichnisses, das damals alle 4000 Lottoannahmestellen in Nordrhein-Westfalen auflistete; einem Kunden im Spiel- und Schreibwarengeschäft seines Onkels ragt es aus
der Gesäßtasche.
Schürmann hat diese Auswahl zu einer abwechslungsreichen Bildfolge arrangiert. Doppelseitige Totalen der Straße und ihrer Querstiche gliedern eine beziehungsreiche Folge von Blicken in Geschäftsräume und Wohnungen, auf Einrichtungsdetails und Beschilderungen; von spontan festgehaltenen Gesprächsrunden und Passanten wie von sorgfältig ins Bild gesetzten Porträts der Nachbarn. Schürmann kennt diese Welt genau – und sie kennt ihn. Ihre Dokumentation, knapp anderthalb Jahrzehnte, nachdem er ihr den Rücken gekehrt hat, ist ein vertrauter Blick auf eine kleinbürgerliche Umgebung mitsamt ihren Freiheitsangeboten. Und diese lässt sich ruhig von ihm anschauen: eine Wohn- und Geschäftslage, die noch gezeichnet ist vom Alltag in der industriellen Epoche und schon die Anzeichen von Niedergang und Wandel trägt. 1971 wurde die Zeche Germania stillgelegt, das Fördergerüst der Architekten Schupp und Kremmer findet seitdem, wer mit dem Zug von Dortmund an der Steinhammerstraße vorbei nach Bochum rauscht. Als Schmuckstück des Bergbaumuseums ist es dort zu einem Wahrzeichen des Ruhrgebiets geworden.
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