Campus Bockenheim
Interview mit Michael Maaser
Text: Maaser, Michael, Frankfurt/Main; Elser, Oliver, Frankfurt/Main
Campus Bockenheim
Interview mit Michael Maaser
Text: Maaser, Michael, Frankfurt/Main; Elser, Oliver, Frankfurt/Main
Nach dem endgültigen Umzug der Universität soll der Campus Bockenheim aufgegeben werden – und mit ihm die Gebäude von Ferdinand Kramer (1898–1985), die nicht nur für eine von Mies geprägte Moderne stehen, sondern auch Zeitzeugen der Frankfurter Schule sind. Michael Maaser, Leiter des Universitätsarchivs, betreut den Verkauf des Kramer-Mobiliars. Die Fragen stellte Oliver Elser.
Herr Maaser, wie beurteilen Sie als Historiker, dass keiner der Kramer-Bauten bei der Neugestaltung des ehemaligen Uni-Campus erhalten bleiben soll?
Ferdinand Kramer hatte 1952 hier an der Universität Frankfurt die schwierige, ja fast unlösbare Aufgabe übernommen, die im Krieg nahezu vollständig zerstörten Unigebäude rasch durch Neubauten zu ersetzen. Der Platz in Bockenheim war dafür sehr begrenzt, die finanziellen Mittel knapp. Kramer meisterte diese Aufgabe innerhalb von zehn Jahren, betonte dabei aber auch immer wieder, dass er diese Häuser nicht für die Ewigkeit gebaut habe: Wenn sie dreißig Jahre der Lehre und Forschung dienten, so Kramer, hätten sie ihren Zweck mehr als erfüllt. Diese Aussage Kramers ernst zu nehmen, dafür gibt es gute Gründe. Jeder, der die Uni-Bauten mit anderen Gebäuden des Architekten vergleicht, wird feststellen, dass es doch deutliche qualitative Unterschiede gibt. Zudem bin ich überzeugt davon, dass Kramer heute der Erste wäre, der die Chance der städtebaulichen Neuordnung eines Quartiers von der Größe des Campus Bockenheim ergreifen würde. Mit der Übernahme des Amtes als Universitätsbaumeister kämpfte Kramer dafür, die Universität aus Bockenheim weg zu verlegen. Dabei hatte er das Modell einer amerikanischen Campusuniversität vor Augen. Die Verlegung der Universität auf ein größeres Areal außerhalb Bockenheims und die Umgestaltung zu einer „Cité Universitaire“ im Westend hätte Kramer deshalb sofort unterstützt. Auch auf Kosten seiner eigenen Bauten in Bockenheim.
Sie sichern nun das Mobiliar aus der Zeit, in der Ferdinand Kramer als Universitätsbaumeister tätig war. Was doppelt vorhanden ist, gelangt in den Verkauf, und vom Erlös wird die Dokumentation der zum Abriss bestimmten Kramer-Bauten finanziert. Wundert es Sie, dass sich niemand in der Öffentlichkeit für deren Erhalt, beispielsweise für den des legendären Philosophicums, einsetzt?
Die Aufgabe des Universitätsarchivs besteht darin, Entwicklungen der Hochschule zu dokumentieren und nicht zu bewerten. So kam die Idee auf, mit den Erlösen aus dem Verkauf der Kramer-Dubletten den Campus Bockenheim fotografisch festzuhalten. Dass die breite Öffentlichkeit die Uni-Bauten Kramers für abgänglich hält, wundert mich nicht. Die Personen, die in und mit den Unigebäuden Kramers lebten und arbeiteten, begriffen schnell, dass die Lösungen, die Kramer gefunden hatte, eher vorübergehender Natur waren. Zu Ihrer Einschätzung des „legendären Philosophicums“ möchte ich als Historiker zu bedenken geben: Zur Legende wird man erst nach dem Tod.
Wie sehen Sie selbst die architektonische Qualität, aber auch den bisweilen verwahrlosten Zustand der Uni-Bauten Kramers?
Wie gesagt, die Universitätsbauten des Architekten Kramer haben eine andere architektonische Qualität als seine anderen Entwürfe. Wenn Sie bei „verwahrlostem Zustand“ an das 1953 errichtete Englische Seminar und Amerika-Institut in der Senckenberganlage denken: Das hängt wohl eher mit der derzeitigen Nutzung des Gebäudes als „Institut für vergleichende Irrelevanz“ zusammen als mit einer mangelnden Fürsorge seitens des Eigentümers.
Ziehen Sie, salopp gefragt, den Designer Kramer dem Architekten Kramer vor?
Mir persönlich gefällt Kramers Haus in der Schaubstraße hier in Frankfurt sehr gut. Auch seinen Umbau vom Haupteingang des „Jügelhauses“ finde ich sehr mutig und aus Sicht der heutigen Denkmalpflege modern: nicht historisierend neobarock, sondern transparent, schnörkellos und licht; ganz „Anti-Bourgeois“ und trotzdem (oder gerade deshalb) Adorno und Horkheimer ein Dorn im Auge, denen es zu unrepräsentativ geraten war. Am Designer Kramer gefällt mir sein Sinn für das Praktische. Er erfindet nicht die Türklinke neu, sondern greift (wie im sogenannten „Philosophicum“) auf einen bewährten Entwurf Hans Poelzigs zurück.
Im Philosophicum wurden auf Initiative des Uni-Archivs zwei Professorenzimmer unter Verwendung der Originalmöbel rekonstruiert. Was passiert künftig mit diesen Zimmern? Wo wird die vom Uni-Archiv im Rahmen des Umzugs angelegte größte öffentliche Sammlung von Kramer- Möbeln zu sehen sein?
Sie können davon ausgehen, dass Teile der Kramer-Sammlung des Uniarchivs Frankfurt spätestens ab 2014 im neuen zentralen Archivgebäude an der Miquel-/Adickesallee zu sehen sein werden. Darüber hinaus sind viele Stücke aus der Sammlung heute schon in Museen zu betrachten, so zum Beispiel in Wuppertal. Auch der derzeitige Lesesaal des Uniarchivs ist ganz mit „Kramer-Möbeln“ ausgestattet.
In Bockenheim hat sich eine Initiative für den Erhalt des Studierendenhauses gebildet. Das Gebäude von Otto Apel, einem engen Mitarbeiter Albert Speers, stammt aus der Vor-Kramer-Ära (Planungsbeginn 1950). Es entspricht nicht dem streng-modernen Auftritt der Kramer-Bauten, hat aber eine wichtige Rolle bei der Politisierung der Studentenschaft gespielt. Ist es deswegen als Baudenkmal in Erwägung zu ziehen?
Für den Denkmalwert eines Gebäudes gibt es immer mehrere Gründe. Sicherlich ist das Studierendenhaus kein Einzelkulturdenkmal – wie übrigens das „Philosophicum“ auch nicht, zumindest aus meiner ganz persönlichen Sicht. Aber ich gebe Ihnen recht, dass es von einer wechselvollen Geschichte der Frankfurter Studenten zeugt.
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